Hamburg. Mit „Olympia“ inszeniert Axel Schneider den achten Gereon-Rath-Krimi – das Buch wurde noch nicht verfilmt. Das erwartet die Zuschauer.

Die Zeit des „Babylon Berlin“ ist vorbei. Etablissements mit spärlich bekleideten Tänzerinnen und heißen Swing-Combos sind geschlossen, das hedonistische Leben in Saus und Braus gibt es nicht mehr. 1933 haben Adolf Hitler und die Nazis Deutschland übernommen und sehr schnell eine Diktatur errichtet, in der das Recht mit Füßen getreten wird. Der Schriftsteller Volker Kutscher, der mit seinen Kriminalromanen die literarische Vorlage für den Serienerfolg des Regieteams um Tom Tykwer geliefert hat, beendete seine Reihe mit „Olympia“, dem achten Buch über den Berliner Kommissar Gereon Rath.

Tykwer wollte diesen Teil, der nicht mehr während der Weimarer Republik spielt, nicht mehr verfilmen, deshalb wurden die Rechte für Theater frei. Die sicherte sich Axel Schneider, Intendant des Altonaer Theaters. Er schrieb eine Bühnenfassung des Romans und inszenierte diese jetzt als Uraufführung.

„Babylon Berlin“: Fortsetzung begeistert Publikum im Altonaer Theater

Gereon Rath (Tobias Dürr) ist auch unter den Nazis noch Polizist, aber nicht mehr in der Mordkommission. Weil er in den Augen der neuen Herrscher als politisch unzuverlässig gilt, ist er versetzt worden, seine Stellung innerhalb des Apparates ist wackelig. In „Olympia“ soll er dennoch im Auftrag der Gestapo den Mord an einem Amerikaner im olympischen Dorf aufklären, der als Teil der US-Mannschaft 1936 zu den Spielen nach Berlin gekommen ist. Die Nazis wittern Sabotage: Wollen nicht wohlgesonnene Kreise ihnen das Spektakel vermiesen? Rath soll nun im olympischen Dorf ermitteln, wer für den Giftmord an Mister Morgan verantwortlich war.

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Die sechs Schauspieler und zwei Schauspielerinnen müssen in der 165 Minuten langen Inszenierung in 34 verschiedene Rollen schlüpfen und eine Vielzahl von Handlungssträngen erzählen. Schneider hat sich entschieden, den Text in sehr kurzen Szenen spielen zu lassen, die jeweils durch Blacks beendet werden. Das gibt den Schauspielern die Möglichkeit auf- und abzugehen und auch das Bühnenbild zu verändern. Ricarda Lutz hat dafür das olympische Symbol mit fünf großen Ringen auf die Bühne gestellt, die in alle Richtungen verschoben werden können. Sie deuten Spielorte an, bieten Sitzgelegenheiten, funktionieren als Balkon oder als Eisenbahnzug.

"Babylon Berlin" im Altonaer Theater: Herausragende Schauspieler

Schneider erzählt die Geschichte von „Olympia“ linear, doch es wird nicht ganz klar, wo sein Fokus liegt: auf dem Kriminalfall des toten Amerikaners? Oder auf einer zurückliegenden Intrige, in die Reichsminister Göring verwickelt war? Oder im Schicksal von Gereon Rath, dem von Vorgesetzten und früheren Kollegen übel mitgespielt wird? Vielleicht enthalten Kutschers Romane zu viel Personal und zu viele parallele Themen, was es schwierig macht, sie stringent zu erzählen. Ein Problem, das Tykwer und Co. in den Staffeln zwei und drei von „Babylon Berlin“ auch hatten.

Trotz der kleinen Inszenierungsschwächen ist „Olympia“ ein weitgehend gelungener Theaterabend geworden, vor allem, weil die acht Schauspieler ihre Rollen so herausragend umsetzen.

Nur Tobias Dürr als Rath und Nadja Wünsche als seine Frau Charly spielen durchgängig ihre Figuren. Dürr gibt den Kommissar als coolen Trenchcoat-Träger und Kettenraucher. Hellwach ahnt er die Intrigen seiner Kollegen, doch er ist alles andere als ein Duckmäuser. Obwohl ihm gerade von Obersturmbannführer Tornow (Franz-Joseph Dieken) gedroht wird, gibt er seine demokratische Haltung nicht auf. Er ist der Einzige, der niemanden mit einem lautstarken „Heil Hitler!“ begrüßt.

"Babylon Berlin": Uraufführung von "Olympia" in Hamburg

Als er gegenüber Tornow doch einmal den Arm hochreißt, ist das nur eine sarkastische Geste. Seine vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten zeigt wieder einmal Johan Richter, der seit Schneiders Kempowski-Saga zu einer der Schlüsselfiguren am Altonaer Theater geworden ist. Als Hitlerjunge Fritze wird er gleich zweimal in den Mordschlamassel verwickelt. Richter macht aus Fritze einen gescheiten Jungen, der sich von der NS-Ideologie nicht vereinnahmen lässt und den Gestapo-Häschern ein Schnippchen schlägt.

Die Repräsentanten des neuen Systems sind Dieken als einarmiger, skrupelloser Obersturmbannführer und Dirk Hoener als willfähriger Untersturmführer Gräf. Sie schrecken nicht vor Folter und Mord zurück und sind in der Inszenierung verantwortlich für die Atmosphäre der Angst und Bedrohung. Hannes Träbert, Valerija Laubach und Georg Münzel müssen eine Tour de Force mit unzähligen Kostüm- und Szenenwechseln hinlegen. Träbert als schnutiger Küchenjunge und als amerikanischer Teenager und Münzel als Bahnhofsvorsteher und als trotteliger Apotheker schaffen ein paar komische Szenen in dieser überwiegend düsteren Handlung.

Am Ende gibt es viel Beifall für die exzellente Schauspielerriege und das Regieteam. Schneider ist es mit dieser Kriminalgeschichte gelungen, einen Blick auf das Unrechtssystem der Nazis zu werfen, in dem die Menschenwürde mit Füßen getreten wird und jedem, der nicht mit den Wölfen heult, das Konzentrationslager droht.

„Olympia“, Altonaer Theater, die nächsten Vorstellungen laufen ab 20.1., Karten unter www.altonaer-theater.de