Hamburg. Franck Edmond Yaos „The Sandwich Syndrom“ pendelt zwischen Performance und afrodeutscher Selbstvergewisserung.
Man kennt Franck Edmond Yao in Hamburg als Tänzer in den Stücken von Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen. Weswegen man erwartet, dass Yao bei seinem Solostück „The Sandwich Syndrom“ auf Kampnagel da konsequent weiter macht – man erwartet Tanz. Was man nicht erwartet: eine Talkshow. Aber natürlich ist es eine rassistische Erwartung, dass Afrikaner besonders gute Tänzer seien, es mit Worten aber nicht so hätten. Und weil Yao auch bei Gintersdorfer/Klaßen mit großem Spaß Erwartungen unterläuft, ist eine Talkshow womöglich noch einen Tick konsequenter. Also – warum nicht?
In der ersten Ausgabe des „Sandwich Syndrom“ hat Yao zwei Gäste eingeladen: Gotta Depri, der wie der Gastgeber aus dem ivorischen Abidjan stammt und ebenfalls zum regelmäßigen Gintersdorfer/Klaßen-Team zählt, sowie die in Ghana geborene Regisseurin Mable Preach diskutieren über „ein Leben mit angezogener Temperamentbremse“. Was damit gemeint ist, beschreibt Yao mit seinem das ernste Thema ein wenig übersprühendem Charme: dass man mit dunkler Haut in Europa immer einen imaginären Polizisten im Nacken sitzen habe, der einem dieses und jenes verbieten würde. „Im Zug besser nicht laut reden. Die Musik ist zu laut. Das Pinkeln ist zu laut …“ Als Afrikaner in Deutschland will man möglichst kein Aufsehen erregen, also zieht man die Handbremse.
Verlorene Generation
Preach bestätigt das, indem sie aus ihrer Schulzeit erzählt, als sie versucht habe, ihre schon früh sichtbaren weiblichen Formen zu kaschieren: bloß nicht auffallen! Worauf Depri mit an Arroganz grenzender Nonchalance den Troll gibt: Die afrodeutsche Jugend sei eine verlorene Generation, und Preach sei ohnehin nicht ernstzunehmen, die habe zwar schwarze Haut, sei aber innen weiß, weil sie wie eine Europäerin denke. Was die Angesprochene natürlich nicht auf sich sitzen lässt. Widerspruch, Streit, Lautstärke. Stimmung!
Und plötzlich kippt „Sandwich Syndrom“ doch noch in den Tanz, allerdings anders als erwartet: Yao und seine Mitstreiter tanzen mit Worten, eine Tanzbewegung, die durch die sinnliche Unschärfe von Daniel Chelminiaks Live-Übersetzung noch verstärkt wird. Zwischen Deutsch, Englisch und ivorischem Französisch hüpft die Diskussion hin und her, und irgendwann ist das Hüpfen interessanter als der Inhalt. Die Erwartungshaltungen bezüglich Tanz und Diskurs haben sich derweil aufs Schönste pulverisiert.
„The Sandwich Syndrom“ hätte jedenfalls das Zeug zur regelmäßigen Veranstaltung im Grenzbereich zwischen Performance und afrodeutscher Selbstvergewisserung. Vergangenes Wochenende waren zwei Ausgaben der künstlerischen Talkshow zu sehen, ein weiteres Doppel folgt kommenden März. Und dann sollte man nochmal diskutieren.