Salzburg. Anita Rachvelishvili und Anna Netrebko liefern sich in der Oper “Adriana Lecouvreur“ Charisma-Duell. Publikum feiert die Über-Diven.

Als Über-Diva hat man es auch nicht immer leicht. Sobald man die Opernbühne betritt und der Saal beim ersten Ton stumm durchdreht vor Bewunderung und Begeisterung, hat man bis zu den Ovationen am Ende nur noch sich selbst als Konkurrenz. Auch wenn Anna Netrebko erst kurz vor dem Finale „Ed è un palco il mio trono“ sang, „eine Bühne ist mein Thron“ – genau das war von Anfang an klar, Ansage und Absicht.

Alle anderen Hauptrollen schrumpfen in solchen Momenten auf Statisten-Format, der Applaus für die anderen im eigenen Schatten ist lediglich Beifang-Beifall. Kein Wunder, dass La Anna bei ihrer diesjährigen Salzburger Festspiel-Audienz sichtlich und hörbar genoss, mit Anita Rachvelishvili auch einmal eine ebenbürtige Sängerin neben sich zu haben. Eine Kunst des Könnens und Gönnens, die nicht alle in ihrer Liga beherrschen, erst recht nicht, da gerade die Salzburger Bühne, auf der Netrebkos Karriere vor nunmehr 17 Jahren senkrecht ging, so sehr Heimspiel für sie ist.

Einer der schönsten Tode der jüngeren Operngeschichte

Eine ehrfurchterregend intensive, glühende Mezzo-Granate ist diese Georgierin, die der Sopranistin bei dieser konzertanten Aufführung mächtig Kontra bieten konnte, auf Augenhöhe mithalten, sie fordern, treiben, reizen, anspornen konnte. Ganz ohne Bühnenbild und in „Adriana Lecouvreur“, einer jener hinreißend schmachtenden Verismo-Opern, die rund um die Auftritte einer tragischen Heldin herumkomponiert wurden und deren Handlungsgerippe so sehr Mumpitz ist, dass Inszenierungen auch nichts Wesentliches retten könnten.

Die Herz-Schmerz-Geschichte ist flott erzählt: Ledige Pariser Schauspielerin liebt den flotten, aber intellektuell unterbelichteten Grafen Maurizio, den gleichzeitig die verheiratete Fürstin von Bouillon für sich als Spielzeug beansprucht. Die Tragödin stirbt einen der schönsten Tode der jüngeren Operngeschichte, weil sie an einem vergifteten Veilchenstrauß roch, den Blumen der Bösen, von der Rivalin geschickt. Doch wer braucht eine Kulisse oder gar belastbare Logik, wenn schon der erste Auftritt Netrebkos als männerverzaubernde Mimin so viel Charisma, Noblesse und Klasse hatte, weil jeder ihrer Töne in jeder Lage, bis ins zarteste Pianissimo mit den Swarowski-Kristallen um die Wette funkelte, mit denen ihre Robe und ihr Haarreif fingerdick paniert waren.

Die Diven umtänzelten sich über mehrere Akte

Die Diven umtänzelten sich über mehrere Akte und drei Netrebko-Kleiderwechsel mit dieser appetitlich moussierenden Musik, als wäre es einer dieser klassischen Schwergewichts-Kämpfe von Muhammad Ali, bei denen alle Haken und Schwinger anmutig-erbarmungslose Treffer waren und die beiden Fighter im Ring allein waren. Allein in ihrem Kosmos aus Würde, Schmerz und Hingabe an das, was sie waren: Kunst-Figuren, überlebensgroß leuchtend.

Netrebko und Rachvelishvili waren sich hier glänzend genug, alle anderen durften wacker mitsingen. Das galt inbesondere für Netrebkos Ehemann, den bei derartigen Gelegenheiten stets mitzubuchenden Tenor Yusif Eyvazov. Zu beneiden war gerade er bei diesem Auftritt im Großen Festspielhaus nur bedingt, zu bewundern für seine Zuversicht schon, erst recht, wenn man sich vor Augen führt, dass seine Partie bei der Mailänder Uraufführung 1902 von Enrico Caruso gesungen wurde und später gern von Plácido Domingo.

Eyvazov hielt bis zum bitteren Ende sein Niveau tapfer und sehnig durch. Er schaffte es sogar, sich nicht ständig vom saftig ausgewalzten Wohlklang unterbuttern zu lassen, den das Mozarteumorchester in größeren Portionen verbreitete, als es Francesco Cileas charmanter Partitur gut tat. Doch der diensthabende Maestro Marco Amiliato hielt über weite Strecken nicht viel von Dezenz oder Differenzierungskunst.

Netrebko und Rachvelishvili kennen sich bestens

Die leading ladies, die unterdessen weit, sehr weit über diesen Dingen schwebten, kennen sich bestens; beide haben sich dieses Charisma-Duell schon an der New Yorker Met und an der Wiener Staatsoper geliefert. Und zwischen einem „Troubadour“-Engagement in Verona und zwei „Lohengrin“-Abenden in Bayreuth sang Netrebko diese Rolle bis ins letzte, verhauchende Nichts mit einer bravourösen Intensität, die ihr niemand vor- oder nachmacht.

„Amore è fiamma, cener l’amistà“, „Liebe ist eine Flamme, Asche die Freundschaft“ war dagegen eine Text-Zeile der Fürstin, Rachvelishvili feuerte sie entsprechend ab, wie ein ausgehungertes Raubtier auf der Suche nach der nächsten leichten Beute. Am Ende – eine eben noch tot, beide strahlend – wurden zwei Über-Diven gefeiert, als die furchtlosen Heldinnen, die sie an diesem sensationellen Abend waren.

CD: Anita Rachvelishvili „Anita“. Arien von Bizet, Verdi, Mascagni, Gounod u.a. (Sony Classical, ca. 10 Euro). Konzert: 25. Februar 2020: Anna Netrebko und Yusif Eyvasov, Elbphilharmonie, Gr. Saal. Karten ab 396,95 Euro.