Hamburg. Strache auf Ibiza, Merkel auf Abschiedstour: Mit „Big Brother“-Augen trippelt Mathias Richling durch seine Show.

Es gehört zur Tradition des Hamburger Kabarettfestivals, dass Mathias Richling es beschließt. Und zur Gepflogenheit des Viel- und Schnellsprechers, dass er ohne Pause durchspielt. Kompakt sind seine gut 100 Minuten langen Programme dennoch nicht, indes kompromisslos. Und ausgereift. Das zeigte sich beim ersten der vier Abende „Richling und 2084“, eine Anspielung auf George Orwells Dystopie „1984“.

Richling testet fast 25 Personen auf ihre Zukunftsfähigkeit

Im stimmigen Bühnenbild aus durchsichtigen Quadern mit „Big Brother“-Augen trippelt der Satiriker gewohnt aufgedreht hin und her. Bevor Richling das politische Personal – fast 25 Personen – karikierend auf seine Zukunftstauglichkeit testet, gönnt er sich Aktuelles zu unseren südlichen Nachbarn mit dem „Strache im Fleisch der österreichischen Demokratie“ und zum Brexit: „Europa will nicht britisch sein – so wird aus Europa nie ein Großbritannien“, räsoniert er mit englischen Akzent unter Gelächter des Publikums im nicht ausverkauften St. Pauli Theater

„2084 wird der Staat alles von uns wissen, wir aber nichts mehr vom Staat“, unkt er. Per Parodie bedenkt der Kabarettist auch Angela Merkel, nun mit klapprige Zahnprothese bei ihrer 2586. Regierungserklärung, aber auch die dauerlachende Andrea Nahles als „Nachlassverwalterin der SPD“. Gekonnt entlarvt Richling die einstudierte Rhetorik des FDP-Chefs Christian Lindner, dem „Schreckgespenst der Parteienlandschaft“, auch wenn der Rückgriff auf die geplatzten Jamaika-Verhandlungen 2017 inaktuell ist.

Bitterböse Imitationen von Seehofer und Erdogan

Umso böser Richlings Seehofer-Imitation: Für Geflüchtete aus Syrien müsse so eine „Hetzjagd in Köthen eine Wohltat sein“, lässt er den CSU-Innenminister Horst Seehofer von sich selbst berauscht schwadronieren. Und wenn Richling als Erdogan zwischen den Sitzreihen über Merkel schimpft, spitzt er richtig zu. Komödiantischer Höhepunkt:

Der Streit zwischen Baden-Württembergs grünem Landesvater Kretschmann und dem CDU-Vize Strobl. Sogar die Queen verschont der schwäbische Spötter in „2084“ nicht, bei ihr auch mal verkleidet. Trotz einiger Parodien zu viel und mancher Albernheiten wie bei der Zugabe, einem Date von Macron mit Merkel, ein durchaus erhellender Abend.

„Richling und 2084“ noch Fr 24./Sa 25.5., jew. 19.30, St. Pauli Theater, Karten ab 17,90 in der HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32