Hamburg. Chef des Schmidt-Imperiums, gründet eine neue Stiftung, plant Straßentheater auf dem Kiez und spricht erstmals über seine Nachfolge.

12.30 Uhr ist eine gute Zeit für ihn, Termine vor 11 Uhr am Vormittag respektive Morgen macht er per se nicht. Und die am liebsten in der Schmidt-Hausbar. Es ist quasi sein Büro. Hier führt er auf dem Sofa seine Gespräche Meist nur einmal pro Woche, sagt Corny Littmann selbst, lässt er sich auf der Büro-Etage blicken – wenn es und weil es sein muss beim Jour fixe.

Am Montagmittag hatte der geschäftsführende Gesellschafter der Schmidts Tivoli GmbH die Schmidt-Hausbar zum Presseraum umfunktionieren lassen. Der Theatermacher stellte sein neues Projekt vor, die Corny Littmann Stiftung für Kunst und Kultur. Der Antrag zur Gründung sei schon am 21. November, seinem Geburtstag, erfolgt, erläuterte er mit den Vorstands-Stiftungs-Kollegen Axel Strehlitz (Klubhaus St. Pauli und PanikCity) und Rechtsanwalt Matthias Geilert. Das Stiftungsvermögen liegt im siebenstelligen Bereich. „Ich habe schon 100.000 Euro zum Grundstock zur Verfügung gestellt“, hofft Littmann auf Zustifter. Denn mit seiner neuen gemeinnützigen Stiftung will er in erster Linie etwas anstoßen. „Da, wo auch die Kulturpolitik nicht eingreifen kann, etwa weil die Mittel schon vergeben sind, wollen wir praxisnah, unbürokratisch und schnell zur Stelle sein.“

Größtes Ziel der Stiftung: ein Straßentheaterfestival

Seine Stiftung hat mehrere Ziele. Das größte: Littmann will auf dem Spielbudenplatz ein internationales Straßentheaterfestival ausrichten, am liebsten schon im Juli 2020, danach regelmäßig. Auch den Nachwuchs möchte Littmann fördern: Mehr Theater-Schnupperstunden für Schulen, die Vergabe von Stipendien für Musical-Absolventen der Stage School im ersten Berufsjahr sowie Praktika und Ausbildungsplätze für Theatertechniker liegen ihm am Herzen.

Stiftung anstatt Testament, lautet seine Maxime. Littmann ist jetzt 66., für einen Künstler kein Alter. Aber das Thema Nachfolge? Wenn man länger mit ihm in der halbwegs ruhigen Ecke in der Schmidt-Hausbar spricht, zeigt sich, was ihn bewegt. „Ich habe mich schon immer mit der Endlichkeit des Lebens beschäftigt, aber nicht erst, seit ich 66 bin, sondern schon sehr viel länger. Jetzt rückt die Wahrscheinlichkeit, dass das Leben doch ein begrenztes ist, doch etwas näher als mit 45“, sagt er gelassen. „Es gibt Entscheidungen, die mittelbar damit zu tun haben. Die eine von mir, ist zu sagen: Ich bin sechs Monate außer Landes. Nicht am Stück, in Etappen.“ Schon an diesem Dienstag fliegt Littmann wieder nach Brasilien, nach Salvador de Bahia, seit geraumer Zeit sein Lieblingsziel. Der Regisseur Corny macht mal Pause, ist aber nicht aus der Welt.

In Hamburg betrachtet Littmann den Unterhaltungs, -speziell den Theatersektor als Ganzes. „Wäre dumm, wenn ich es nicht tun würde“, sagt er, lacht und hustet erst mal ab. Sechs Theater – drei davon gehören ihm – gibt es auf dem Kiez auf nur 250 Metern, „vor Jahrzehnten hätten man gesagt, wie soll das gehen? Die machen sich alle gegenseitig Konkurrenz. Mittlerweile stellen alle fest: Die befruchten sich gegenseitig.“

Sein ständiger Begleiter: „Chico“, ein Hund

Ob nun bei Pressekonferenzen oder bei Gesprächen – sein ständiger Begleiter heißt derzeit „Chico“, ein gut zwei Monate alter weißer Mischlingshund. Der wirkt mal recht müde, dann jault er auf. Ganz anders als Littmann. Seine Bühnen haben nie Subventionen bekommen, nicht mal aus Sonder- oder Förderfonds. Hat er mal überlegt, beim Bau des Schmidtchens mitsamt des Klubhauses St. Pauli 2015, Gelder von der Stadt zu beantragen? „Es gibt eine prinzipielle Überlegung: Wir sind lieber von den Zuschauern abhängig als vom Staat.“

Der „Hamburger Unternehmer des Jahres 1999“ hat enge Grenzen schon immer abgelehnt. „Unsere Theater sind norddeutsche Theater, nicht nur spezifisch hamburgische Theater. Und wir haben von vornherein: gesagt: Unser Publikum kann nicht nur aus Hamburg kommen. Im Wesentlichen kommt es aus ganz Norddeutschland“, sagt Littmann. „Das Publikum ist heute viel mobiler als noch vor 30 Jahren. Wir sind eher zu vergleichen mit einem großen Theaterbetrieb in München, zu dem das Publikum ja auch aus ganz Bayern kommt.“

Den Kontakt mit Udo Lindenberg hält Littmann

Littmann raucht immer noch – aber jetzt vermeintlich gesünder, mit einem sogenannten Iqos. Ein neues Rauch-Gerät, ein neuer Hund – was ist passiert in seinem Leben? Seit 2006 ist er mit seinem langjährigen Freund, Madou Ellabib (53), Tenor im Chor der Hamburgischen Staatsoper, verpartnert. Sie seien immer noch zusammen, obwohl sie so gut wie nie gemeinsam öffentlich auftreten. Alles in geordneten Bahnen also? „So weit eine Ehe in geordneten Bahnen sein kann“, sagt Littmann lächelnd.

Und sonst? Dass der von ihm betriebene Escape-Room Skurrilum im November zum weltbesten Escape-Game gewählt worden ist, erfreut ihn. Dort seien „außergewöhnlich kreative Spielräume“ geschaffen worden.“ Und bei Panik City, ebenfalls im Klubhaus St. Pauli, kommen immer neue Patenschaften hinzu. Den Kontakt mit Udo Lindenberg hält Littmann, jüngst bei der „Rock­liner“-Kreuzfahrt auf der Ostsee etwa.

Geschäftsführer, Gesellschafter, künstlerischer Leiter

Während des Gesprächs in der Hausbar eilt Norbert Aust die Treppe zum ersten Stock hoch. Später wird seine Tochter Tessa den umgekehrten Weg nehmen. Der inzwischen 76-jährige Aust, seit Eröffnung des Schmidts Tivoli 1991 Mitgesellschafter der Schmidts Tivoli GmbH, hat die Geschäftsführung im Herbst 2017 an seine älteste Tochter (33) und deren Schwager Hannes Vater (32) abgegeben.. „Denen fällt anderes auf, sie sind kommunikationsfreudig, das können wir alle gut gebrauchen“, beschreibt Littmann die frische Zusammenarbeit „Die Konstruktion ist ja ganz einfach: Tessa ist Geschäftsführerin, Hannes ist Geschäftsführer, und ich bin geschäftsführender Gesellschafter. Ein kleiner Unterschied, weil ich auch Inhaber bin zusammen mit Nobert Aust. Und neben meiner Geschäftsführer-Tätigkeit bin ich auch künstlerischer Leiter.“

Komponist Lingnau und Autor Wohlgemuth sind künftig öfter im Haus

Das eine ist das Ich, das andere das Wir. „Wir haben beschlossen, den Bereich künstlerische Leitung und Entwicklung nicht nur zu erweitern, sondern die Zusammenarbeit mit Martin Lingnau und Heiko Wohlgemuth zu intensivieren, wovon die Häuser ja zuvor ausgesprochen profitiert haben.“ Erfolgskomponist und Songtexter Lingnau sowie Autor Wohlgemuth („Heiße Ecke, „Die Königs vom Kiez“, „Cindy Reller“, „Tschüssikowski!“) werden künftig regelmäßig im Haus sein und in die Planung und Konzeption sehr viel mehr involviert sein, sagt Littmann. Das ist ebenso neu wie die Stiftung. „Alles , was mit Programmatik zu tun, und die ist ja sehr vielfältig, ist unsere Angelegenheit. Das geht hin zu neuen Projekten und Besetzungen mit der Frage,, wohin wollen wir denn eigentlich?“, erläutert er.

Heißt das mehr Mitsprache? „Dass ich das letzte Wort habe – okay. Aber das kommt ja in der Praxis eigentlich selten vor, es ist fast immer ein Diskussionsprozess.“ Also ist Littmann kein „sanfter Diktator“, wie sich St. Paulis Ex-Cheftrainer Holger Stanislawski mal während der Amtszeit des ehrenamtlichen FC-Präsidenten Corny Littmann (bis 2010) beschrieben hatte? „Das ist ein bisschen hochgegriffen – bei mir geht es um Mutter oder Vater.“ Doch Ziehsohn oder -tochter fehlen. „Die Nachfolge im eigentlichen Sinn steht gar nicht an“, sagt Littmann zunächst. Dann: „Ich kann ja auch im Rollstuhl noch inszenieren, vielleicht nicht mehr auf der Bühne stehen. Einen klaren Kopf sollte ich schon noch haben!“