Hamburg. Die Adaption von Sebastian Schippers „Absolute Giganten“ begeistert in Altona das jüngere Publikum, wirkt in Teilen aber zu verspielt.

Manche Dinge brauchen Zeit. Und den Mut sie umzusetzen. Fast zwei Jahrzehnte lagen die Aufführungsrechte für „Absolute Giganten“ beim Rowohlt Theaterverlag. Der Schauspieler, Regisseur und Autor Sebastian Schipper hatte das Skript seines Filmdebüt abgegeben – und nichts passierte. Bis sich die Dramaturgie des Altonaer Theaters um die Rechte dieses recht jungen Hamburger Kinoklassikers von 1999 bemühte, initiiert vom Schauspieler und Sänger Dirk Hoener. Mit ihm als musikalischem Leiter und in der Regie von Georg Münzel erlebte die Bühnenadaption am Sonntagabend in Altona eine insbesondere von der Entourage der beiden Theatermacher und der sechs jüngeren Darsteller gefeierte Uraufführung.

Das Altonaer Theater-Motto „Wir spielen Bücher“ ist um den Leitsatz „Wir spielen (auch) Drehbücher“, erweitert worden. Fast genau 20 Jahre nach dem Kinostart des kultigen Hamburg-Films über drei Jugendfreunde, von denen einer unversehens die Stadt verlassen will, haben es Münzel und Hoener gewagt, den 80-minütigen Film zu einem zweistündigen Abend aufzupeppen – mit Höhen, aber auch mit Hängern

Eine Film-Set-Idee droht auf der Bühne zu versanden

Im Altonaer Theater hat „Absolute Giganten“ gleich zwei Prologe. Da sinnieren die drei Jung-Schauspielerinnen Irene Benedict, Runa Pernoda Schaefer und Lisa Ursula Tschanz an der Rampe auf drei Plastikstühlen zunächst über „die geile Idee für einen Film“, eben jene Story über die drei scheinbar unzertrennlichen Freunde. Kurz darauf schlägt Hoener als eine Art Erzähler noch mal den Bogen vom Hamburg Ende der 90er-Jahre, als „St. Pauli noch kein Plastik-Las-Vegas und kein dauerhafter Ort für Junggesellenabschiede aus Wanne-Eickel“ war, hin zur Gegenwart– zur Freude und unter Beifall seiner Babyboomer-Altersgenossen im Saal.

Da hat Floyd (Flavio Kiener) seinen Freunden Ricco (Calvin Peters) und Walter (Claudiu Mark Draghici) bereits offenbart, dass er ihre gemeinsame Heimatstadt am nächsten Tag verlassen werde, um auf einem Containerschiff anzuheuern. „Du willst wirklich aus Hamburg weg?“, fragen die beiden immer wieder ungläubig beim Bier. Ein komischer Moment – auch dank wohlgesetzter Pausen –, den die drei Schauspiel-Kolleginnen mit der gleichen Fragestellung noch mal nachstellen und so auf die Spitze treiben.

Es ist ein Abschied von Kindheit und Jugend

Jedoch droht die Film-Set-Idee von Regisseur Münzel, in Altona im Vorjahr für die musikalische und temporeiche Hochstapler-Story „Catch Me If You Can“ verantwortlich, an manchen Stellen dieses Abends zu versanden. Oder aber sie ufert in wildes Geschrei der drei jungen Männer und jungen Frauen aus.

Der Kinofilm erzählte vom Abschied von Kindheit und Jugend, vom Drama des Erwachsenwerdens, jedoch auch mit leisen Töne zwischen den drei Freunden. Die finden sich in der rauen Großstadtballade, komprimiert in einer letzten gemeinsamen Nacht, auch hier. Kiener gibt seinem abwanderungswilligen Floyd, der gerade eine Bewährungsstrafe abgesessen hat, mit sensibler nachdenklicher Note. Ähnlich Draghici als schüchterner und dicklicher Mechaniker Walter, der mit seinem frisierten Ford Granada (Baujahr 1974, 240 PS) für seine Freunde fast ein zweites Zuhause bietet. Da sitzt auch Ricco (Calvin Peters), der vom Ruhm als Rapper und „geilen Pussys“ träumt, aber ansonsten fast alles „scheiße“ findet, für kurze Zeit mal still.

Jung-Schauspieler spielen Tischkicker-Figuren alles andere als von der Stange

Umso lauter dröhnt die Musik (Dirk Hoener/Gitarre, Christoph Kähler/Schlagzeug), wenn die drei Freunde in der aufgemotzten Karre zwischen Hochhaussiedlung und Hafen unterwegs sind. Auf Ute Radlers schräger schwarzer Bühne und von Ricarda Lutz stilecht im Look der späten 90er kostümiert, suchen die drei Kumpels in diesem innerstädtischen Roadmovie noch mal das große Abenteuer. Liefern auch eine feine Tanz-Choreografie ab und begegnen wie im Film Elvis-Imitatoren – hier von den drei Schauspielerinnen hübsch karikiert –, werden bedroht, landen in einer kühlen Techno-Disco und gleich zweimal beim Tischfußball. Für die dabei angewandte ungewöhnliche Kamera-Perspektive ist „Absolute Giganten“ längst legendär. Merke: „Torwart-Tore zählen doppelt.“

Das zweite Spiel, in dem Walter seinen geliebten Ford Granada aufs Spiel setzt, um das von seinen Freunden zuvor verlorene Geld (D-Mark!) zurückzugewinnen, gerät denn auch zum eigentlichen Höhepunkt: Die sechs Jung-Schauspieler spielen die Tischkicker-Figuren alles andere als von der Stange. Lisa Ursula Tschanz hat da als Kicker-Depp „Dulle“ an der Seite Hoeners alias Untergrund-Größe „Snake“ beim ersten Spiel bereits ihren von Szenenbeifall gekrönten großen komischen Auftritt gehabt.

Ein (Kult-)Film lebt von Bildern – und von der Erinnerung. Das auf der Bühne zu adaptieren ist oft ein Wagnis, erfordert Mut, selten Übermut. Indes: Dramaturgische Schwächen und eine fehlende Stringenz hatte „Absolute Giganten“ bereits auf der Leinwand. Davon kann sich – trotz des Engagements aller Beteiligten – auch die Bühnenfassung in Altona nicht freimachen.