Irre Doppel-Dates beim Griechen, Satire à la Houellebecq, Fan-Post aus der Hölle: Die neuen Texte des Bestsellerautors sind der Hit.
Eben erst trafen wir den Schauspieler und Showrunner Heinz Strunk am Filmset. Da war dann an Hamburgs Peripherie endlich mal so richtig was los, Teile der TV-Serie „Last Exit Schinkenstraße“ wurden dort gedreht. Hollywood in Meiendorf! Danach war Strunk mit dem Filmteam auf Mallorca. Im September wird der komische Mehrteiler auf Amazon abrufbar sein.
Dauert also alles noch ein wenig, aber für den Bestsellerautor gibt ja noch das Kerngeschäft. Jetzt erscheint „Der gelbe Elefant“, ein Band mit Erzählungen und Prosa-Miniaturen. Eine weitere Strunk-Lieferung powered by Sonnenenergie und Sommer satt.
Es ist nämlich so, dass der Hamburger Schriftsteller Heinz Strunk, der Depressionsliterat und traurige Clown, gefühlt immer im Juni oder Juli seine Bücher veröffentlicht. Weil er weiß, dass Sand, der zwischen die Seiten gerät, jegliche aufkommende Tristesse sofort abmildert?
Heinz Strunk schüttelt in seinem neuen Buch die Texte aus dem Ärmel
Im vergangenen Sommer lasen alle Strunks Ostseebad-Grisaille „Ein Sommer in Niendorf“ und lachten sich dabei im besten Fall auch mal schlapp, womöglich sogar am Strand in Niendorf, Haffkrug oder Scharbeutz. Im Vergleich zum epischen Sommerfrischen-Fiasko, das Strunk im Roman zu Papier brachte, sind die neuen Texte aus dem Ärmel geschüttelte Strunkiaden – mal skizzenhaft, mal ausformuliert.
Zu letzterer Disziplin der formvollendeten Erzählung zählt „Kroketten (Croquettes)“. Sie ist kein Kind des Sommers. Auch vom Setting („Die Kälte liegt wie ein eisiges Sargtuch auf ganz Schleswig-Holstein, Eisregen, grau wie ein toter See, fällt wie in Zeitlupe herab und hat die Gegend, eine Gegend der Antik-Trödel-Shops und Brillenläden, mit einer kristallinen Kruste überzogen“) her nicht.
Neues Buch „Der gelbe Elefant“: Essen beim Griechen endet in Fiasko
Zwei Paare, eine Urlaubsbekanntschaft, verabreden sich beim Griechen. Dort geht dann alles schief. Eine isst kein Fleisch, einer erzählt nur Stuss, die Kroketten sind aus, totales Fiasko. Bei Strunk kann das nur in Welthass, Sozial-Ekel und umfänglicher Disharmonie enden – glücklich ist hier keiner.
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Strunks literarisches Programm fußt auf einer Langeweile am Bekannten, am Klischee und der Wiederholung des Immergleichen. Der Autor findet diese Langeweile vielleicht am gründlichsten in den Alltagswelten derer, die manche Unterschicht nennen.
Hinter den Vorurteilen – der Spielplatz, auf dem ein Staffordshire-Terrier namens Tyson zur Blutbestie wird, liegt in Bitterfeld – darf man zweierlei vermuten: Die Lust auf sprechende Namen (Kampfhunde treiben nicht in Süßhausen ihr Unwesen). Und irgendwo auch die Trauer darüber, dass es so viele Orte gibt, an denen nicht Milch und Honig fließen.
Bestsellerautor Heinz Strunk macht einen auf Houellebecq
„Der gelbe Elefant“ ist Strunk im Freestyle-Modus. Einmal übertrifft er noch Houellebecq im nah-dystopischen Weltzugang: In einer Erzählung zeichnet er mit ein paar Pinselstrichen das Bild einer Gesellschaft, die sich dem Problem Überalterung auf ganz unerhörte Weise widmet. „Die in Schweden gegründete FÖK – frivilligt över klippan (freiwillig über die Klippe, eine angeblich von den Wikingern praktizierte Methode) verfolgt als einziges Parteienziel die rituelle Altentötung (terminale Sedierung), also die seit Jahrtausenden fast überall auf der Welt praktizierte Sitte, alte, nutzlose Menschen aktiv zu beseitigen bzw. sich passiv selbst zu Tode befördern zu lassen“, berichtet der Erzähler.
Er teilt außerdem mit, wie marginalisiert die alten Parteien sind, „neben der AfD erfährt seit Mitte der 2020er Jahre eine noch radikalere Partei – DIE RECHTE – Partei für Volksabstimmung, Souveränität und Heimatschutz – enormen Zulauf und liegt bei ca. 15 Prozent“. Man hält kurz inne und denkt an die jüngste Wahlumfrage.
Von Cormac McCarthy geträumt, und das gleich doppelt
Die Heinzer-Heilung von den Zumutungen der Gegenwart besteht in absurden Schilderungen wie dem Experten-Meltdown bei Markus Lanz oder dem Tot-Trainieren eines Fitness-süchtigen Rentners. In der Ultrakurzprosa findet sich das pure Heinzgold, auch, weil sein Humor hier beinah, nun ja, privat erscheint. Der angeblich doppelte Traum von einem neuen Buch Cormac McCarthys namens „Der gelbe Elefant“: „Das Buch hat ein brisantes Thema: Inkontinenz bei älteren Männern. Rowohlt-Pressechefin Regina ,Steini’ Steinicke jubelt: ALLEIN HEUTE 32000 Nachbezüge! Was für ein schöner Traum“. „Strange Jump“ handelt von einem bizarren Selbstmörder und ist ein Witz in vier Zeilen über einen, der sich beim Sprung in den Tod die Nase zuhält – „Genützt hat es ihm nichts“.
Altbekannte Themen – die Armseligkeit des alkoholsüchtigen Mannes, die Verachtung auch der gefallsüchtigen Frau – finden in dem neuen Buch (wobei davon auszugehen ist, dass der notorisch fleißige Strunk die Geschichten schon vor einiger Zeit geschrieben hat) abermals ihren Ausdruck. Verlorene sind selbstredend alle: der Pöbler von der Parkbank und das It-Girl („Da Promi bekanntlich von Promille abgeleitet ist, verblühte sie mit ihrer Vorliebe für Koks und starke Champagner-Cocktails rasend“), für das eine Diabetes-bedingte Bein-Amputation nur weitere Publicity ist.
Die Erzählung „Die Geisterlore“ ist eine Johann-Peter-Hebel-Variation mit einer sehr alten Frau („Ihr Gesicht staut sich in den Furchen ihrer Stirn“), die ihren Mann im Bergwerk verlor und 77 Jahre lang keinen anderen hatte. Das Ende dieser antiromantischen Story ist gemein – und als Pointe bestens geeignet für jede Strunk-Lesung.
„Einen Promibonus gibt es aber nicht“
Apropos, die Anhängerinnen und Anhänger des Meisters. In „Nachrichten von Carola“ geht es um penetrante Fan-Post von einer hartnäckigen Verehrerin, die glatt nicht erfunden sein könnte. Diese Carola lädt ihn immer wieder ins Moraviastübchen ein, von wegen „saufi saufi“. „Einen Promibonus gibt es aber nicht, wir sind hier einfach nur Menschen. Ich hab dich lieb. Carola“, schreibt die Frau, und weiter: „Ich hätte dich damals in den Achtzigern gerne kennengelernt, trotz Akne, ich hätte dich einfach nur liebgehabt und wäre in deinen schwersten Stunden an deiner Seite gewesen. Liebe Grüße Carola.“
So stellt sich der große Humorist Heinz Strunk also die Literatenhölle vor. Oder aber er wünscht sich, im tiefsten Winkel seines Herzens, eine Frau, die ihn so sieht wie Carola: „Ich finde dich süß, du hast wunderschöne braune Augen und du lispelst.“