Hamburg. Die einstige Teenie-Band spielt auf der Digitalmesse OMR engagiert und patzerfrei, doch der Publikums-Pleaser lässt auf sich warten.

Was wäre das OMR (früher stand das schließlich mal für „Online Marketing Rockstars“) ohne, genau, Rockstars? Ein paar Stimmungsmacher aus dem musikalischen Fach einzuladen, damit die Besucherinner und -besucher nach einem pickepacke vollen Messetag ordentlich abhotten können, liegt nicht fern. Deshalb haben die Veranstalter nicht nur Kim Kardashian aus Los Angeles nach Hamburg fliegen lassen, sondern auch die Kaulitz-Zwillinge von „Tokio Hotel“. In einem halbstündigen Set präsentieren Bill, Tom, Gustav und Georg aus der – wichtig – einstigen Teenie-Band auch eine brandneue Single.

Tokio Hotel rockt Hamburg mit neuer Single und altem Mega-Hit

Viel Rauch, kreischende Fans, dann tauchen Gustav Schäfer, Georg Listing und die Kaulitz-Zwillinge Bill und Tom auf der „Red Stage“ auf. Erstaunlich harte Gitarrenriffs und ein schepperndes Drumset erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer. Bills wallende, blonde Mähne könnte anderes erwarten lassen, aber das hier ist noch echte Rockmusik. Bei Bill – im exaltierten L.A.-Style mit Sonnenbrille und blendend-glitzerndem Mantel, darunter ein Weniger-ist-mehr-Netzoberteil – sitzt jeder Ton und jede Locke. Der Typ hat einfach Bühnenpräsenz.

Schnell wird klar: Tokio Hotel ist ein absolut eingespieltes Team. Das ist unüberhör- und unübersehbar, obwohl die Jungs seit sechs Monaten nicht mehr gemeinsam auf der Bühne standen. Andererseits haben die vier schon so oft miteinander musiziert, da verstehen sie sich vermutlich blind. Mit 34 Jahren behaupten zu können, seit mehr als 20 Jahren in Originalbesetzung um den Erdball zu touren, ist mindestens beachtlich.

Tokio Hotel in Hamburg: Längst keine Teenie-Band mehr

Heute ist Tokio Hotel längst keine Teenie-Band mehr, sondern kann sich der Akzeptanz und Beliebtheit erfreuen, die sich die Musiker immer gewünscht haben. Statt „Schrei!“ und „Leb die Sekunde“ heißt es am Dienstagabend in Hamburg deshalb auch erst mal „The Heart Get No Sleep“ „Love Who Loves You Back“ und „World Behind Walls“.

Damit enttäuschen die vier offensichtlich einige der ausgelassenen Zuschauerinnen und Zuschauer, die noch wenige Minuten zuvor zu Ski Aggus Baller-Rap abgetanzt und nun auf Songs aus ihrer Kindheit oder Jugend gehofft hatten. Stattdessen bleiben sich die Tokio-Hotel-Jungs selbst treu und spielen ein patzerfreies Set mit neueren Songs in einer Langhaar-Rocker-Manier, wie sie heute nur noch selten anzutreffen ist.

Bill Kaulitz: „Mit Musik verdient man sehr, sehr wenig Geld“

Es ist nicht der erste Auftritt der Kaulitz-Brüder an diesem Tag auf dem OMR. Wenige Stunden vor ihrem Konzert auf der „Red Stage“ gaben die Glamour-Zwillinge einen Blick hinter die Kulissen der Marke Kaulitz. Die Sachsen-Anhalter aus L.A. wissen nämlich nicht nur zu rocken, sondern sich auch zu verkaufen. Denn „mit Musik verdient man sehr, sehr wenig Geld“, sagte Tokio-Hotel-Frontmann Bill Kaulitz auf dem Panel „Zwischen Musik, Marken und Medien“.

Nachdem die Jungs in jungen Jahren einen Riesenhype genossen und anschließend beinahe in der Versenkung verschwanden, kämpften sie sich zuletzt wieder an die Spitze der Popkultur zurück. Auch dank reichlich Werbedeals – seit Neuestem etwa McDonald‘s – und dem erfolgreichen Podcast von Tom und Bill, „Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood“, sind ihre Konterfeis wieder omnipräsent.

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Das Beste kommt zum Schluss, natürlich. Die angekündigte brandneue Tokio-Hotel-Single „The Weekend“ läutet das Ende des Konzerts ein. Der poppige, eingängige Titel – ein Sommerbrisen-leichter Song Marke „Warermelon Sugar“ – soll am Freitag offiziell erscheinen.

Richtig zum Ausrasten ist für Zuschauerinnen und Zuschauer aber erst, was danach folgt: der Publikums-Pleaser „4x4“ (im Original gemeinsam mit Kraftklub aufgenommen) und – muss ja irgendwie – der markanteste Hit der Band „Durch den Monsun“. Gegröle, Gejaule, Gekreische, viel viel Drums und ... vorbei. Applaus. Aus die Maus.