Hamburg. Kent Nagano sei begeistert von der Idee. Tenor Julian Prégardien träumt davon, auch Udo Lindenberg und Ina Müller ins Boot zu holen.
Der Tenor Julian Prégardien ist ein international begehrter Opern- und Konzertsänger. Aber am liebsten widmet sich der Sohn von (ebenfalls) Tenor Christoph Prégardien dem Liedgesang. Deshalb will er das Projekt „Liedstadt“ anstoßen, das im Oktober 2024 in Hamburg starten soll. Wie er sich das vorstellt, und warum ihm das Lied so am Herzen liegt, hat er bei einem Treffen im Resonanzraum auf St. Pauli erzählt.
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Hamburger Abendblatt: Verstaubt, überholt, totgesagt. Das Lied hat ja nicht den besten Ruf…
Julian Prégardien: Nein, schon klar, ich sehe das aber ganz anders. Für mich gehört das Lied zu den lebendigsten aller Kunstformen. Das Format des klassischen Liederabends, wie es sich im 20. Jahrhundert gefestigt hat, hat sicher eine gewisse Distanz geschaffen. Dabei gibt es eigentlich kein anderes musikalisches Genre, das so nah am Menschen dran ist.
Warum glauben Sie das?
Weil ich beim Singen von Liedern erlebe, wie sehr Menschen berührt werden. Es geht ja fast immer um die Themen Liebe und Leben, egal, in welcher Sprache. Dafür ist niemand zu alt oder zu jung. Ich bin sicher: jede und jeder kann sich wiederfinden.
Und deshalb wollen Sie das Lied stärker ins Bewusstsein rücken.
Genau. Lied tut gut! Ich habe ein Netzwerkprojekt mit dem Titel „Liedstadt“ ins Leben gerufen. Die Initiative soll nacheinander in Städten wie Berlin, Leipzig und Zürich stattfinden und 2028 zum großen Schubert-Jahr in Wien kulminieren – und der Auftakt ist im Oktober 2024 in Hamburg.
Auch in den Colonnaden soll gesungen werden
Was genau haben Sie vor?
Im Moment sieht es so aus: Das Ganze wird zehn Tage dauern und umfasst ein breites Angebot mit unterschiedlichen Formaten und Spielorten. Ein wichtiger Baustein ist die „Liedstraße“: an 25 öffentlichen Orten in der ganzen Stadt, zum Beispiel in den Colonnaden, werden mehrmals an einem Tag 15 Minuten Lieder gesungen, Lieder aus Hamburg, sowohl von Komponist/-innen der Romantik wie Louise Reichardt und Johannes Brahms, aber auch Lieder und Songs von aktuellen Singer-Songwriter/-innen.
Es geht also darum, nicht nur das traditionelle Klassikpublikum anzusprechen.
Richtig. Ich arbeite mit dem Projektentwickler Kian Jazdi und der Medienexpertin Cate Pisaroni zusammen. Unser Ziel: 10.000 Menschen sollen live Lieder hören – und zwar auch an untypischen Konzertorten. Möglichst viele Menschen sollen selbst singen, zum Beispiel in einer Lied-Werkstatt in der Luther-Gemeinde in Alsterdorf, bei der Jung und Alt, Profis und passionierte Hobbymusiker Lieder erarbeiten. Matthias Kirschnereit hilft mir bei der Umsetzung vor Ort.
„Ich möchte Udo Lindenberg und Ina Müller zum Festival einladen“
Wer sitzt denn sonst schon mit im Boot? Wen wollen Sie noch reinkriegen?
Franz Schubert ist der Kapitän. Kent Nagano hat begeistert auf meine Idee reagiert. Michel-Kantor Jörg Endebrock ist dabei. Das Nordlied-Festival. Vertreter/-innen des KomponistenQuartiers, die fantastische Sopranistin Julia Kleiter, die in Hamburg studiert hat. Die Dübelsbrücker Kajüt. Der Engelsaal. Und ich würde gerne Persönlichkeiten wie Wolf Biermann, Udo Lindenberg, Derya Yıldırım und Ina Müller einladen. Das wäre fantastisch, wenn sie sich beteiligen.
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Klingt nach einem guten Plan. Wie realistisch ist es, dass das alles klappt? Und wie sieht’s mit der Finanzierung aus?
Ich stehe noch am Anfang. Dass ich das nicht alleine hinkriege, ist klar, deshalb suche ich Unterstützung. Wer das bezahlen soll? Die Stadt Hamburg nicht, ich wende mich an Privatpersonen und Stiftungen. Ich bin aber zuversichtlich, dass man mit guter Kommunikation eine Menge erreichen kann. Stattfinden wird es auf jeden Fall. Ich denke, wir werden mindestens fünf Veranstaltungen umsetzen können. Hoffentlich viele mehr…