Hamburg. Konzertabend zwischen Jazzanleihen, Neuer Musik und brillant schrägen Akkorden begeistert das Publikum im Großen Saal.

Indem es am Freitagabend gleich vier seiner Orchestermitglieder als Solisten zur Abwechslung mal vor statt im Orchester auftreten ließ, zeigte das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Leitung seines Chefs Alan Gilbert einmal mehr, welch großes künstlerisches Potenzial in seinen Reihen verborgen ist.

Der Erste Konzertmeister Stefan Wagner feiert in diesem Jahr sein dreißigstes Jubiläum im NDR und spielte das Solo in William Bolcoms Konzert in D für Violine und Orchester. Zwischen Jazzanleihen, Neuer Musik und brillant instrumentierten schrägen Akkorden schwankend, wie der amerikanische Komponist Bolcom sie einst von seinem Lehrer Darius Milhaud am kalifornischen Mills College kennenlernen und weiterentwickeln durfte, ist dieses Konzert ebenso unterhaltend wie hochanspruchsvoll für den Solisten.

Elbphilharmonie: Alan Gilbert unterstreicht Haydns Witz

Helle Glockenspielakzente und ohnehin viel Schlagwerk begleiteten die blitzartig ihren Charakter wechselnden Solopassagen und Wagner wählte ein Vibrato mit großer Amplitude in den großen Kantilenen des langsamen Satzes. Besonders jazzig ging es im Rondo-Finale zu, wo gestopfte Trompeten und Posaunen fast einen Bigband-Sound erzeugten.

Und weil es sich als Zugabe nach dem begeisterten Applaus so anbot, bat Stefan Wagner gleich seinen Kollegen Andreas Grünkorn als zweiten Solisten dieses Abends, mit ihm ein Kammermusikstück Bolcoms zu spielen. Diese Stücke passten mit ihren vielen Überraschungselementen perfekt zu der eingangs vorgestellten Sinfonie D-Dur Nr. 96 „The Miracle“ von Joseph Haydn, bei der Gilbert mit vielen Verzögerungen, Akzenten, Pausen, aber auch rasanten Crescendi Haydns musikalischen Witz unterstrich.

NDR Elbphilharmonie Orchester von Gastmusikern unterstützt

Kenner des NDR Elbphilharmonie Orchesters bemerkten gleich, dass im Orchester viele Gäste engagiert waren, die das Ensemble jetzt zum Saisonstart ein wenig entlasten sollten. Der portugiesische Oboist vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, Guilherme Filipe Sousa, war darunter oder der Klarinettist Julius Ockert vom Konzerthaus Berlin. Hervorragend wie sie blies aber auch der neue Solo-Flötist des NDR Elbphilharmonie Orchesters, Moritz Schulte.

Der Erste Solo-Cellist Christopher Franzius und die Solo-Bratscherin Teresa Schwamm-Biscamp durften am Ende die dankbaren Soli in der Tondichtung „Don Quixote“ von Richard Strauss spielen. Und Gilbert wählte für die Variationen rund um die Figur, die so voller Liebe, Stolz, innerer Stärke und Einbildungskraft steckt, eine zum Teil sehr intime, allzu starke Fortissimos eher vermeidende Atmosphäre.