Hamburg. Auf Instagram und TikTok folgen ihr Hunderttausende. Jetzt mischt Influencerin Nahre Sol bei der Elbphilharmonie mit.

Wie lässt sich Chopin in Jazz verwandeln? Welche Hand- und Fingerhaltung ist nötig, um die Arpeggio-Technik am Klavier richtig anzuwenden? Und wie klingt der Hit „Flowers“ von Popstar Miley Cyrus, wenn Mozart oder Rachmaninoff ihn gespielt hätten?

In kurzen Videos erklärt die Pianistin, Komponistin und Social-Media-Bekannheit Nahre Sol, die auf Instagram knapp 320.000 Follower hat, wie die Welt der Musik funktioniert. Und noch viel mehr: In ausgeruhter und zugleich durchaus augenzwinkernder Art und Weise macht sie große Lust auf Klassik und deren Spielarten, auf Improvisation und neue Blickwinkel.

Elbphilharmonie heuert Komponistin Nahre Sol als Influencerin an

Das Publikum darf also gespannt sein, welche Inhalte die 32-Jährige zu Hamburgs berühmtem Konzertsaal erschaffen wird. Denn als erster „Creator in Residence“ der Elbphilharmonie tritt Nahre Sol jetzt ihren Dienst an.

Vorgefühlt hat sie bereits bei verschiedenen Besuchen. Im Jahr 2022 hat sie ein erstes Video zur Elbphilharmonie veröffentlicht, in dem sie sehr klug verhandelt, inwiefern der Bau als glamouröse Sehenswürdigkeit oder als hoch funktionaler Klangort zu verstehen ist. Ihr Fazit damals: Ihr Verständnis von Raum und Sound hat sich noch einmal grundlegend verändert.

Influencerin Nahre Sol ist von Elbphilharmonie-Klang begeistert: „Als wäre ich im Weltall“

„Ich bin sehr fasziniert davon, wie intim sich dieser Saal anfühlt. Während sich der Klang so groß anhört, als wäre ich draußen im Weltall. Diese Dichotomie begeistert mich“, erzählt Nahre Sol bei einem Videocall in ihrer Heimat Los Angeles vor ihrer Reise nach Hamburg. Eigentlich sei es aber eher schwer zu sagen, wo sie wirklich wohne. Gerade erst ist sie aus Seoul zurückgekehrt. „Ich lebe eher nomadisch“, sagt die Künstlerin.

Die Elbphilharmonie ist der Arbeitsplatz von Influencerin Nahre Sol.
Die Elbphilharmonie ist der Arbeitsplatz von Influencerin Nahre Sol. © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Nahre Sols Ansatz ist es, nicht nur Fortgeschrittene mit spannenden Inhalten zu inspirieren, sondern klassische Musik für alle zugänglich zu machen. Auch und vor allem für die junge Generation und für all jene mit Berührungsängsten. Dabei nutzt sie nicht nur Kanäle wie YouTube, Instagram and TikTok. Sie hat mit „Elements of Music“ zudem ein Buch herausgebracht, das in klarer Sprache und anschaulichen Grafiken musikalische Grundlagen mit vielen Übungen erklärt. Und unter dem Titel „My Piano“ gibt sie zudem Workshops und Masterclasses, die sie mit ihrem ganz eigenen Nahre-Sol-Spirit auflädt.

Beethoven und Debussy – Elbphilharmonie-Influencerin zeigt sich interessiert

„Viele Menschen haben ein fixes Bild im Kopf, wenn es um klassische Musik und Konzerte geht“, erklärt sie. „Diese gewisse Festgefahrenheit auf freundliche Art und Weise aufzubrechen, ist die größte Herausforderung meiner Arbeit.“ Dazu mixt sie Musiktheorie und -geschichte mit ihren eigenen Erfahrungen und Vorlieben, sodass ihre Videos nicht nur Know-how vermitteln, sondern auch viel Persönlichkeit in sich tragen. Mit großer Neugierde analysiert sie Beethoven und Debussy, Jazz und Popmusik. Ihr Spektrum reicht von traditioneller westlicher Harmonielehre bis zu Kompositionen für Computerspiele.

Ihre offene Philosophie liegt in ihrer eigenen Geschichte begründet. Nahre Sol ist die Tochter bildender Künstler und studierte an der renommierten Juilliard School in New York sowie an der Glenn Gould School in Toronto. Als Solistin und Kammermusikerin trat sie bereits in zahlreichen Konzertsälen der USA und Europas auf, darunter in der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles. Alle Zeichen wiesen also auf eine geradlinige Karriere im klassischen Betrieb hin. Doch da dieser Weg von sehr vielen äußeren Faktoren abhängig ist, begann Nahre Sol vor rund sechs Jahren, stärker selbst zu steuern, wann und wie sie mit ihrem Können zu erleben ist.

TikTok, Instagram und Co. – Nahre Sol verbindet Klassik mit Social Media

In ihrem Video „The Simple Habit That Saved My Failing Music Career“ („Die einfache Angewohnheit, die meine scheiternde Musikkarriere rettete“) erläutert Nahre Sol, wie und warum sie ihre Social-Media-Präsenz aufgebaut hat. Technik-Tipps inklusive. Denn Nahre Sol produziert ihre Videos größtenteils selbst und zeigt auch, welche Lerneffekte sie durch Versuch und Irrtum erzielt hat.

In ihrem Schaffen spannt Nahre Sol einen cleveren wie unterhaltsamen Bogen von der Vergangenheit ins Heute. „Es wird immer eine starke Anbindung an die Tradition geben. An die Geschichte, an das Repertoire, an die Komponisten. Das ist das Schöne“, sagt die Influencerin. Doch wie vor allem die junge Generation über klassische Musik redet und diese verbreitet, verändere sich ständig durch die vielen Einflüsse um uns herum. „Die Menschen gehen nicht jeden Tag in ein klassisches Konzert, aber sie greifen jeden Tag zu ihrem Smartphone und treffen dort auf ganz verschiedene kulturelle Impulse.“

Mit ihrer Online-Community, so erzählt Nahre Sol, pflege sie eine „sehr gesunde Beziehung“. In Mails und Kommentaren tauscht sie sich mit ihren Fans aus und erhält auch immer wieder Anfragen, womit sie sich doch bitte als Nächstes beschäftigen könne.

Nahre Sol verfolgt genauen Plan für Elbphilharmonie-Projekt

Das Umfeld für die kommenden Wochen ist mit Hamburg und der Elbphilharmonie jedenfalls gesetzt. Nahre Sol freut sich besonders auf den Austausch mit den Musikschaffenden, mit dem Team und dem Publikum. Konkret geplant sind bereits ein Video zum Thema Jazz-Harfe sowie Inhalte zur h-Moll-Sonate von Franz Liszt, beides Schwerpunkte der kommenden Saison.

Und Nahre Sol hofft, noch mehr Zeit an der Orgel im Großen Saal verbringen zu können, die sie bereits spielen durfte. „Das war ikonisch“, sagt sie. „Als Pianistin resoniert etwas körperlich in einem, wenn man die Tasten berührt. Und den Sound, den man selbst produziert, derart omnidirektional und aus so einem großen Raum heraus zu hören, hat mich wirklich tief bewegt und verändert.“

Weitere Infos: www.nahresol.com