Hamburg. Orchester und Chor der Mailänder Scala, dirigiert von Riccardo Chailly, begeisterten das Publikum in der Elbphilharmonie.

Wer sagt, dass das Orchester und der Chor der Scala im Umgang mit den Opern von Giuseppe Verdi eine Elf-von-zehn-Punkten-Besetzung sind, trägt damit keine der sprichwörtlichen Eulen nach Athen, sondern höchstens eine Monatspackung Risotto milanese in die Lombardei. „Manchmal greifen wir auch mal voll in die Kiste, dann bleibt kein Auge trocken“, so hatte Elbphilharmonie-Generalintendant Christoph Lieben-Seutter beim Empfang vor Konzertbeginn launig orakelt, weil es in diesem Herbst zum feierlichen Saisonstart so mächtig wie hemmungslos wunschkonzertete.

Ganz so tränchenfeucht wurde es nicht, wenig später im Großen Saal, vor ausverkauftem Haus. Aber dennoch: Dieses Orchester, das das Schunkel- und Mitsumm-Programm auch im Tiefschlaf tadellos hinbekäme? Schon der fröhlich ausholende Arbeitseifer des Schlagzeugers an den Becken lohnte das Dabeigewesensein. Die Hingabe, mit der die Fachkraft an der italienischen F-Tuba sanft die Basstöne unter den „Nabucco“-Gefangenchor platzierte, als wäre es feinstes Nougat-Naschwerk auf der Sonntags-Familientafel, war ein weiterer von vielen Genüssen, mit denen die Bläserabteilungen aus Mailand aufwarten und beeindrucken konnten.

Elbphilharmonie-Saisonstart: Verdi, Verdi, Verdi und: Verdi

Diese Hundertschaft Bilderbuch-Opern-Chor, in dem alle aus dem Stand und wahrscheinlich stundenlang für drei singen können? Und davor der natürlich in Mailand geborene Scala-Musikdirektor Riccardo Chailly als mit schnittigen Gesten regelnder Padrone, der in den vielen prallen Passagen lieber viel zu viel Gas gab als nur etwas zu wenig? Mehr Verdi as Verdi can ging kaum. Dass nicht eine einzige Arie und erst recht keine längere durchgängige Opern-Strecke dabei war? Schon schade, aber angesichts des gebotenen Niveaus verschmerzbar.

Elbphilharmonie: Ganz großes Opern-Kino für die Ohren

Der Abend war von Anfang an eh ein reines Zugaben-Konzert. Eine Handvoll der bekanntesten Ouvertüren, vom frühen „Nabucco“ über den finster dramatischen „Macbeth“, bei dem Chailly zeigte, wo der Shakespeare seine Tragödien-Wucht holte, bis zur mittleren „La forza del destino“. Dazu nur große Chorszenen zum tiefen Niederknien vor dem Schutzheiligen des Mailänder Opernhauses. Ganz großes Opern-Kino für die Ohren war auch die Kostprobe aus „Il trovatore“, weil Chailly mit der schlafwandlerischen Sicherheit eines Routiniers den theatralen Druck dieser Musik ins Rampenlicht stellte.

Keine Verdi-Gala-Sause wäre auch nur annähernd komplett ohne Highlights aus der „Aida“, klar. Für den Triumphmarsch – die Hamburger Gastspiel-Location war dafür schließlich wie gemacht – platzierte Chailly jeweils drei Aida-Trompeten in die mittelhohen Seitenränge. Ein bisschen Spektakel darf eben schon auch sein.