Hamburg. Die 82 stimmgewaltigen Sänger präsentierten sich im ausverkauften Stadtpark. Was der Chor mit einem Pfandautomaten gemeinsam hat.

Es gibt weit über hundert Chöre in der Hansestadt, von den auf über 200 Jahre Tradition zurückblickenden Gesangsgruppen Hamburger Singakademie und Hamburger Liedertafel über Profis wie dem NDR Vokalensemble bis zu Spaßgaranten wie dem Hamburger Kneipenchor.

Und dann sind da noch die Hamburger Goldkehlchen. Sie sind so was wie der Pfandautomat unter den Chören: Er riecht zwar merklich nach Bier, aber wer viel reinsteckt, bekommt viel heraus.

Konzert im Stadtpark – Zum dritten Mal fallen Goldkehlchen dort ein

„70 Männer, ein Chor, keiner kann singen – du wirst es lieben!“ sind Anspruch und Wirklichkeit der 2016 bei einem Absturz von Flemming Pinck und Max Michel in der Karaoke-Kiezkneipe „Thai Oase“ gegründeten Truppe. Spaß am gemeinsamen Singen, am Grölen, am Luft aus dem Glas und aus der Lunge lassen haben schon in der Stadion-Fankurve ihre unbestreitbare Anziehungskraft, die dieser Laienchor mit wachsender Strahlkraft verbreitet, vom ersten Konzert im Gründungsjahr in der Kulturkirche Altona bis zur großen Stadtparkbühne am Sonnabend.

Zum bereits dritten Mal fallen die Hamburger Goldkehlchen dort ein – zusammen mit 4000 Fans, Freundinnen, Freunden und Familien. Nach zwei Stunden war dieser Abend ausverkauft. Das ist sehr beachtlich.

„Mandy“, „Mamma Mia“ – einmal die Speisekarte der „Thai Oase“ rauf und runter

Klar, es stehen nicht 70, sondern sogar 82 Sänger auf der Bühne, nicht wenige davon aus der Kreativszene (irgendwas mit Medien, Street-Art und interessanten Menschen) und mit weitreichenden Kontakten auch zu Sponsoren, die diesen Abend möglich machen. Ein Fünftel des Publikums hat über 250 Kilometer Anreise in Kauf genommen, die Goldkehlchen ziehen große Kreise.

Schließlich wird ja auch für einen guten Zweck „Mamma Mia“, „Uptown Girl“, „Eternal Flame“, „Mandy“ oder „Küssen verboten“ – einmal die Speisekarte der „Thai Oase“ rauf und runter – geschmettert: Alle Einnahmen des Konzerts, vor allem durch Spenden (2022 kamen 35.000 Euro zusammen) gehen dieses Jahr an die gemeinnützige Kinder- und Jugendhilfe „TIP Maßnahme Gut Wulfsdorf“. Rotlichtgestalt Karl Heinz Schwensen zückt auf der Bühne einen Hunderter, und Udo Lindenberg stellte mit lieben Grüßen eines seiner Likörelle zur Versteigerung zur Verfügung – bei 8000 Euro fällt unter Jubel der Hammer.

Musical-„Eiskönigin“ Sabrina Weckerlin singt Münchener Freiheit

Die Stimmung im Stadtpark ist 150 Minuten lang ausgelassen. Oft ist nur schwer zu unterscheiden, ob die Goldkehlchen oder das Publikum lauter „Pocahontas“, „Teenage Dirtbag“ oder „Sweet Caroline“ singen. Mit Sabrina Weckerlin, die im Hamburger Musical „Die Eiskönigin“ die Hauptrolle Elsa spielt, kommt für „Let It Go“ und „Ohne Dich (Schlaf’ ich heut Nacht nicht ein)“ sogar eine talentierte Sängerin auf die Bühne.

Konzert Stadtpark: Goldkehlchen feiern mit 4000 Fans Karaoke-Party

Aber auch wenn die ambitioniert mehrstimmigen Goldkehlchen und ihre Solisten nicht die Klasse einer Sabrina Weckerlin oder zumindest die von Ehrenmitglied Rolf Zuckowski haben, so leben sie doch einen Traum mit dem eigenen neuen Lied „Auf dem Weg“ und … hmm … unzerstörbaren Klassikern wie „I Would Do Anything For Love“ und „All Of Me“. „We Have A Dream“ singen alle am Ende, als die Fans schon ihre Becherstapel zu den Getränkeständen jonglieren: Pfand abgeben.