Hamburg. Feine Sahne Fischfilet ist für ihr politisches Engagement bekannt. Am 18. August spielt die Band auf dem Hamburger Großmarktgelände.

Ihren endgültigen Durchbruch feierte die Punkband Feine Sahne Fischfilet 2018 mit dem Album „Sturm & Dreck“. Parallel dazu kam Charly Hübners Dokumentation „Wildes Herz“ über Jan Gorkow, den schwergewichtigen Sänger der Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern, in die Kinos. Gorkow, Spitzname „Monchi“, veröffentlichte während der Corona-Pandemie das autobiografische Buch „Niemals satt - Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage“, das auf Platz eins der „Spiegel“-Bestsellerliste landete.

Feine Sahne Fischfilet: „Klare Kante gegen die Rechten zeigen“

Wir haben in einem Zoom-Interview mit Gorkow und Bassist Kai Irrgang über das neue Album der Band, den Umgang mit AfD-Wählern im Osten, über soziale Brennpunkte und die Ostsee gesprochen. Am 18. August spielt Feine Sahne Fischfilet ein Open-Air-Konzert auf dem Hamburger Großmarktgelände.

Hamburger Abendblatt: Feine Sahne Fischfilet ist eine ausgesprochen politische Band. Auffällig ist, dass Sie bewusst immer wieder an Orte gehen, in denen es politisch brennt – etwa in Sonneberg/Thüringen, wo gerade ein AfD-Landrat gewählt worden ist...

Jan Gorkow: Irgendwelche Parolen in linken Szene-Vierteln zu brüllen, das interessiert mich Nullkommanull. Das ist Selbstbespaßung. Wir hatten mehr als 100 Anfragen aus Thüringen und haben dann in diesem Gewölbekeller in Sonneberg fünfmal hintereinander gespielt. Im politischen Sinne gibt es für uns keine tolleren Konzerte als jene in Sonneberg.

„Wir können uns hier nicht in Wohlfühlblasen verstecken“

Haben Sie Angst davor, dass die AfD irgendwann irgendwo in Deutschland eine absolute Mehrheit erreichen könnte oder so stark wird, dass es schwer wird, gegen sie zu regieren?

Kai Irrgang: Wir steuern darauf zu. Wir haben die Landtagswahlen im kommenden Jahr und es sieht so aus, als könnten sie in einigen Bundesländern die stärkste Kraft werden.

Gorkow: Ich habe Angst davor, dass die anderen Parteien und auch unsere Zivilgesellschaft es nicht hinbekommt, die Leute noch emotional zu erreichen. Das ist das Problem. Wir können uns hier nicht in Wohlfühlblasen verstecken und sagen, mit AfDlern kannst du nicht reden. Die Realität hier in Vorpommern ist, das mindestens jeder Dritte AfD wählt. Es geht darum, sich geradezumachen und gute Argumente an der Hand zu haben. In dem Song „Angst zu erfrieren“ singen wir: „Lass uns schauen, was uns verbindet, und nicht, was uns trennt; lass uns nicht verbittern, auch wenn es kälter wird.“ Darum geht es.

„Jemanden als ,Nazi’ zu bezeichnen, hat keine abschreckende Wirkung mehr“

Wie können Sie im Gespräch bleiben?

Gorkow: Als wir in Sonneberg gespielt haben, ging das in erster Linie nicht gegen die AfD. Wir haben für die Leute gespielt, die keinen Bock auf diesen Rechtsruck haben. Seit einigen Jahren veranstalten wir in meinem Heimatort Jarmen ein Dorffest. Beim „Wasted in Jarmen“-Festival versuchen wir, Alternativen zu zeigen und Leute zu sensibilisieren. Zum Beispiel hat der Hamburger Seenotretter Dariush Beigui dort zusammen mit einem Flüchtling aus Eritrea einen Vortrag über seine Missionen gehalten. Viele Leute aus dem Dorf haben zugehört und sagten später zu mir: „Alter, das hat mich übelst bewegt.“ Auf einmal sehen sie Menschen, die von Flucht betroffen sind. Das ist Realität und nicht „Tagesschau“.

Irrgang: Man muss klare Kante gegen die Rechten zeigen, aber das bedeutet nicht, nicht mehr mit denen, die diese wählen, zu sprechen. Man muss da reingehen und klar Stellung beziehen. Jemanden als „Nazi“ zu bezeichnen, hat in diesem Zusammenhang übrigens keine abschreckende Wirkung mehr.

Wie sind Sie in Kontakt zu Dariush Beigui gekommen, dem der Song „Wenn wir uns sehen“ gewidmet ist?

Gorkow: Dariush kennen wir schon seit mehr als zehn Jahren aus Punkrock-Bands, bevor er überhaupt mit seinen Seenotrettungs-Aktionen angefangen hat. Der macht etwas und labert nicht. Er ist bei unseren Konzerten oft mit Ständen von Initiativen dabei. Wir haben in den vergangenen Tagen 60.000 Euro zur Unterstützung von Seenotrettungsaktionen gesammelt. Im Konzert ist der Song ein sehr emotionaler Moment. Wenn ihm das etwas Kraft gibt, ist das etwas Schönes.

„Am Anfang waren wir eine Schülerband, die Spaß an Punk hatte“

Als Sie Feine Sahne Fischfilet vor fast 20 Jahren gegründet haben, geschah das aus einem Gefühl von Wut heraus?

Irrgang: Am Anfang waren wir eine Schülerband, die Spaß an Punk hatte. Dann tauchten Typen in Thor-Steinar-Klamotten auf und wir hatten massiven Stress mit Nazis, weil unsere Konzerte ein Sammelort für diejenigen war, die alternativ gedacht haben. Da fing unsere Politisierung an und wir mussten uns abgrenzen.

Gorkow: Ich bin in die Band aus Langeweile gekommen, weil aufm Dorf nix los war. Bei Punkrock musst du nichts können, keine Instrumente, keine Noten. Ich habe einfach das Mikro in die Hand bekommen.

In dem Song „Komm mit aufs Boot“ geht es um die Ostsee. Was bedeutet dieses Meer für Sie?

Gorkow: Wie es im Song heißt, ist die Ostsee die totale Medizin. Wenn wir von einer Tour zurückkommen, fahre ich erst mal schnell an die Ostsee – auch bei schlechtem Wetter. Da komme ich runter. Während Corona habe ich einen Bootsführerschein gemacht und mir ein kleines Kajütboot gekauft. Es ist ein tolles Gefühl rauszufahren. Ich habe mehr Heimweh als Fernweh.

Ein sehr eindringliches Lied auf dem neuen Album ist „Kiddies im Block“. Was war der Ausgangspunkt für den Song?

Irrgang: Der Text soll in Bildern funktionieren. Wir beschreiben runtergekommene Siedlungen und Viertel, die von Aussichtslosigkeit beherrscht sind. Jeder von uns kann dazu ganz konkrete Geschichten erzählen.

Gorkow: Zum Album-Release haben wir im Schweriner Dreesch gespielt und auch ein Video gedreht. Das ist eines der sozial schwächsten Viertel hier. Da findet nicht viel Kultur statt.

Ein Song für einen Hansa-Rostock-Fan, der erstochen wurde

„Irgendwann“ ist ein Trauerlied. Für wen wurde es geschrieben?

Gorkow: Für einen jungen Fan von Hansa Rostock, den ich zwar nicht persönlich kannte, der aber im selben Block wie ich im Stadion stand und der ein Fan unserer Band war. Er ist nach einer Pöbelei erstochen worden. Bevor wir den Song aufgenommen haben, habe ich ihn den Eltern des Jungen vorgespielt. Bei unserem Konzert in der Berliner Wuhlheide haben sie ihn zum ersten Mal live gehört. Es war ein krasses Gefühl, „Irgendwann“ in Anwesenheit der Eltern zu spielen, und zu erleben, wie der Song das Publikum berührt.

Es gibt auf „Alles glänzt“ auch zwei Songs über Völlerei. Jan, Sie haben ein erfolgreiches Buch mit dem Titel „Niemals satt“ geschrieben. Halten Sie ihr Gewicht?

Gorkow: Nee. Ich habe eine Fresssucht, die fällt nicht von heute auf morgen weg. Es ist ein Auf und Ab. Ich habe 35 Kilo zugenommen, dann wieder 15 runter. Aber ich mache mehrmals in der Woche Sport. In dem Song „Gib mir mehr“ beschreibe ich diesen täglichen Kampf. Ich bekomme viele Reaktionen auf den Song, weil viele Menschen mit Suchtproblemen zu kämpfen haben.

Feine Sahne Fischfilet: „Den Linken bin ich manchmal zu prollig, für die Rechten zu zeckig“

Es gab vor einiger Zeit Missbrauchsvorwürfe gegen die Band, die ein Gericht ausgeräumt hat. Aber wie geht man mit Fans um, die Nähe zu ihren Stars suchen?

Gorkow: Wir versuchen alle gleich zu behandeln. Als erfolgreiche Band ist das schwierig. Mir hat niemand erklärt, wie es ist, eine Person des öffentlichen Lebens zu sein. Ich komme aus den Subkulturen Fußball und Punkrock und plötzlich wirst du angehimmelt. Man muss den Erfolg reflektieren. Ich habe nie in Schubladen gepasst: Den Linken bin ich manchmal zu prollig, für die Rechten zu zeckig. Wichtig ist es, bei sich zu bleiben.

Vor dem aktuellen Album hat es eine Umbesetzung gegeben. Christoph Sell und Jacobus North haben die Band verlassen, Hauke Segert ist dazugekommen. Warum?

Irrgang: Während der Corona-Pause haben wir geschaut, wo wir als Band stehen. Wir haben intensive Gespräche geführt und Konflikte angesprochen. Die Geschäftigkeit der vergangenen Jahre hatte die Spannungen im Bandgefüge überdeckt. Die Differenzen führten dann zu der Umbesetzung.

Gorkow: Wenn ich auf der Bühne stehe, will ich das Gefühl haben, dass wir eine Einheit sind. Ich will nichts verkaufen. Wir sind als Band keine Firma, die ein Programm runterspielt. Wir ziehen an einem Strang. Das ist wichtig, um authentisch zu bleiben.

Am 18. August spielt Feine Sahne Fischfilet wieder mal in Hamburg. Welche Verbindungen gibt es in die Stadt – außer zu Charly Hübner, der die Band für die Dokumentation „Wildes Herz“ begleitet hat?

Gorkow: Es gibt viele Verbindungen, natürlich zu Dariush, aber auch zu vielen anderen Menschen, die uns schon lange begleiten. Wir haben in Hamburg schon rauschende Feste gefeiert und sind sehr gern hier. Hamburg ist zehnmal geiler als Berlin.

Feine Sahne Fischfilet 18.8., 17.30, Open Air am Großmarkt; Karten: 57,50; Vorprogramm: Slime, Maid of Ace