Hamburg. Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet trat mit seinem Buch „Niemals satt“ in der Laeiszhalle auf. Im Gepäck: sein #Metoo-Skandal.

Dann stand er auf der Bühne, im schwarzen Pulli. Dünne Jacke. Ein geschrumpfter Jan Gorkow, oder wie man ihn und wie er sich nennt: Monchi. Bekannt und geliebt als Frontmann der Mecklenburg-Vorpommern-Punks Feine Sahne Fischfilet. Immer eine geile Geschichte gewesen, die Linksalternativen aus dem Osten, die in ganz Deutschland große Hallen füllen. Monchi, der Hansa-Rostock-Hooligan mit Vorstrafenregister und bundesweitem Stadionverbot. Monchi, der überkräftige Shouter. Die Wampensau.

Er nahm 65 Kilogramm ab, und wie das kam, wie er jetzt aussieht: Das weiß man schon seit vergangenem Frühsommer. Da kam sein Buch über das Ende des großen Fressens heraus, der imposante Bericht von einem Leben, das nie Halt machte, immer Vollgas, und dazu hatte der 1987 geborene Mann eben seine kalorienhaltigen Bewältigungsstrategien.

In „Niemals satt“ legte er schonungslos Zeugnis ab über seine Version von Bodybuilding mit Pizza, Cola, Süß und Suff. Auch eine Art Ratgeberbuch; und ein Gegenbuch übrigens zur Mucki-Anführer-Prollrap-Bibel „Das ist Alpha!“ vom Musikerkollegen Kollegah.

Monchi – 2022 gab es Vorwürfe wegen angeblicher Übergriffigkeiten

Der neue Monchi mit dem Nummer-eins-Bestseller wurde dann aber abrupt ausgebremst. Von seinem persönlichen #Metoo-Skandal. Die anonyme Gruppe „Niemand muss Täter sein“ stellte die Vorwürfe in den Raum, Gorkow habe sich in der Vergangenheit sexuell übergriffig verhalten und seine Machtposition als bekannte Persönlichkeit gegenüber Frauen ausgenutzt.

Noch ausstehende Termine seiner Lesetournee wurden storniert, auch zwei Veranstaltungen im St. Pauli Theater fielen aus. Die holte Monchi nun, knapp ein Dreivierteljahr später, im Kleinen Saal der Laeiszhalle mit einer Doppellesung nach.

Die Vorwürfe erwähnte er am Freitagabend nur kurz („Das macht etwas mit einem, wir setzen uns damit auseinander“) und machte dann vor seinen Fans, unter ihnen etliche Frauen, kompromisslos und auch mitreißend weiter mit dem Monchi-Solo gegen das Fett und für die körperliche Entschlackung.

Körperscham war seltsamerweise lange kein Thema für ihn, und trotzdem „durchzieht mein Buch die Frage, wie ich plötzlich 182 Kilogramm wiegen und es nicht checken konnte“. Er musste an einem Punkt die schockierende Feststellung machen, dass keiner so viel wiegt wie er, „ich war der Fetteste, den ich kenne“.

Auch der neue Gorkow ist nicht gertenschlank und trägt Bauchgurt. Den zeigte er, weil er sich bis auf die Shorts auszog und in eine trockene Badewanne legte. Mit Wasser ist sie sein bevorzugter Entspannungsort, wie er im Buch ausführlich darlegt.

Monchi: Die Bodyshow eines Mannes, dem lange nichts peinlich war

Also, ein bisschen Bühnenprogramm war geboten. Die Bodyshow von einem, dem die längste Zeit über nichts peinlich war. Auf den Rockbühnen des Landes schwitzte die massive Erscheinung Monchi für sein Publikum und präsentierte einen vom Rock’n’Roll geformten Powerkörper. Im echten Leben setzte ihm, wie er erzählte, dann doch irgendwann der Leidensdruck zu.

Im Bewegungsparcours durfte er wegen seines Übergewichts nicht aufs Trampolin, Body Mass Index 49,5, „Erbärmlichkeitslevel 1000“, so Gorkow. Im Buch lässt er fast nichts aus, und wer dachte, er würde seine grotesken Probleme beim Stuhlgang wenigstens live aussparen, der sah sich getäuscht.

Die Abnehm-Heldensaga „Niemals satt“ funktioniert wie alle Erzählungen dieser Art für ein Erfolgsgeschichten schätzendes Publikum dann besonders gut, wenn das Loch, aus dem der Protagonist kommt, besonders tief ist.

Oder in Gorkows Fall: Wenn die Lebensumstände aus Sicht von Leuten, die nicht Sondergrößen tragen, wirklich absurd erscheinen. Welcher normale Mensch hortet Klodeckel als Ersatz für kaputtgesessene? Wer verrichtet sein Geschäft am liebsten in Freigewässern?

Jan Gorkow: Die Angst vor dem Jojo-Effekt

Als Erzähler ist Gorkow unterhaltsam und, bei aller auch der Gesundheit geschuldeten Ummodellierung des Lebensentwurfs (fast ein Jahr lang trank er nach eigener Aussage keinen Tropfen Alkohol), ein Gewährsmann für die phänotypische Abweichung. Den Ausweis von Maßlosigkeit und Exzess gab er auch mit an die Wand projizierten Fotos: Interessant, dass die Ausstellung der eigenen Sünden tatsächlich auch wie Selbstliebe daherkommt.

Irgendwann wies Gorkow die Leute auf die Süßigkeiten hin, die vor Beginn der Show unter den Sitzen verteilt wurden. Wenn andere essen, tut er es nicht. Die Angst vor dem Jojo-Effekt, gestand er mehrmals, sei groß.