Hamburg. Zum 30. Jubiläum von „Hinz & Kunzt“ schenkte der Künstler Erwin Wurm dem Straßenmagazin die wertvolle Skulptur „Der Direktor“.

Er ist bekannt geworden durch mannshohe Gurken aus Glas, Figuren, die eine Weltkugel verschluckt haben oder Lastwagen, die in der Mitte zusammengeklappt an der Wand stehen. Auch seine „One Minute Sculptures“ – das Balancieren auf Kaffeetassen oder Orangen – oder die Einbeziehung von Ausstellungsbesuchern, die ihren Kopf in einen Kühlschrank stecken sollen, sind weltberühmt. Er fotografierte Claudia Schiffer mit einem Besen unterm Po, die Band Red Hot Chili Peppers ahmte viele seiner Ideen in ihrem Video „Can’t Stop“ nach.

Erwin Wurm, 69 Jahre alt, ist der international erfolgreichste Vertreter der österreichischen Gegenwartskunst. Mit bizarrem Humor und gesellschaftskritischen Statements lotet er die Grenzen zwischen Skulptur, Objekt und Performance aus und fordert Betrachter heraus, die Welt mit anderen Augen zu sehen, ja, sie neu zu errichten.

Seine Werke werden in großen Museen wie etwa dem Städel in Frankfurt am Main oder, wie 2007, in den Deichtorhallen gezeigt und von führenden Galeristen wie Thaddaeus Ropac oder Lena und Johann König für Summen zwischen 20.000 und 90.000 Euro gehandelt.

Im Levantehaus an der Mönckebergstraße ist der Wurm drin

Den Künstler über sein Büro im österreichischen Limberg, das vom Sohn geleitet wird, anzufragen, ob er „Hinz & Kunzt“ zum 30. Jubiläum nicht eine seiner Skulpturen schenken würde, ist also mutig. Gabriele Koch, die beim Straßenmagazin die Spendenabteilung leitet, hat es einfach getan.

„Ich kannte Erwin Wurm von der großen Ausstellung in Hamburg und wusste, dass er schon einige seiner Werke für soziale Zwecke gespendet hat“, so Koch. Sie habe ihm nicht groß erklären müssen, was „Hinz & Kunzt“ ist; schließlich gibt es in Österreich ähnliche Magazine.

Und so kommt es, dass Hamburg nun seinen ersten Erwin Wurm hat. Die bronzene Skulptur „Der Direktor“ (2019) steht für jeden sichtbar im Erdgeschoss des Levantehauses an der Mönckebergstraße. Auf schlanken Männerbeinen in schwarzer Anzughose und schwarzen Lederschuhen thront eine schwarze Aktentasche und ersetzt somit Oberkörper und Kopf. Das Werk stammt aus der sogenannten Taschenskulpturen-Kollektion. Diese gibt es auch tanzend oder laufend, mal mit Aktentaschen oder Luxus-Handtaschen in Orange, Weiß oder Himmelblau.

Erwin Wurm weiß, wie schnell Künstler verarmen können

„Ich finde es wichtig, die Arbeit (von NGOs) zu unterstützen, auch monetär. Ich weiß selbst, wie schnell zum Beispiel Künstler verarmen können“, ließ Erwin Wurm via Pressemitteilung verlauten. Die Skulptur „Der Direktor“ schien dem Künstler ein passender Kommentar zum Dialog zwischen Arm und Reich, zwischen denen, die mit Aktentasche unterwegs sind, und denen, die das Straßenmagazin verkaufen.

„Wir freuen uns riesig, dass „Hinz & Kunzt“ mit der Arbeit von Erwin Wurm eine Art Denkmal bekommt“, sagt Gabriele Koch. Für sie ist die Skulptur auf vielfache Weise zu deuten. „Die Aktentasche als Statussymbol erfolgreicher Manager, die sich hinter ihrer Arbeit verstecken und für nichts anderes den Kopf frei haben.“

Dies decke sich auch mit den Erfahrungen vieler „Hinz & Kunzt“-Verkäuferinnen und -Verkäufer, die täglich in der Stadt unterwegs sind. Es gebe aber auch positive Erlebnisse mit Aktentaschen-Trägern, die nicht nur ein Heft kauften, sondern auch häufig mit den Verkäufern ins Gespräch gingen.

Die wertvolle Skulptur im Freien zu zeigen, wäre zu riskant

Warum sich das Magazin ausgerechnet ein Kunstwerk zum Jubiläum gewünscht hat, beantwortet Koch mit der Gründung von „Hinz & Kunzt“: „Es sollte nicht nur eine Zeitschrift sein, die schwere und traurige Themen rund um Obdachlosigkeit und Armut erzählt, sondern auch Kunst und Kultur behandelt.“

Dass die Skulptur ausgerechnet im Levantehaus steht, hat zwei Gründe: Zum einen ist es wegen des hohen Wertes einfach zu riskant, sie im Freien zu zeigen. Zum anderen unterstützt die Geschäftsführung des Levantehauses seit Langem die Arbeit des Hamburger Straßenmagazins.

„Für uns ist es eine ganz besondere Ehre, der Arbeit dieses Ausnahmekünstlers eine Heimat zu geben, eine Unterstützung für „Hinz&Kunzt“ halten wir seit vielen Jahren für selbstverständlich“, so Dietmar Hamm von der Kontorhausverwaltung Bach.