Hamburg. Wunderbares Musikcomedy-Vergnügen beim SHMF: Släpstick begeistert das Hamburger Publikum anderthalb Stunden lang.

Das mechanische Piano klimpert. Die Zuschauer suchen erst noch ihre Plätze, Jon Bittman schüttelt Hände und radebrecht in kaum verständlichem Hochgeschwindigkeitsenglisch, Nebel wabert, und das Piano klimpert. Und klimpert. Und klimpert. Und nervt, mit den immer gleichen, blechernen Akkordfolgen. Na, das wird was werden, die Show „The Roaring Twenties“ des niederländischen Musikcomedy-Quintetts Släpstick, das im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Ernst Deutsch Theater zu Gast ist.

Theater Hamburg: Instrumentalvirtuosen mit augenzwinkernder Komik

Der Bezug zum hochklassigen Musikfestival ist jedenfalls da: Die fünf Släpstick-Musiker, neben Bittman sind das Willem van Baarsen, Rogier Bosman, Sanne van Delft und Jaap Rovers, sind hochtalentierte Multi-Instrumentalisten, ausgebildet am Konservatorium und firm an unzähligen Instrumenten, von der Posaune bis zum Theremin.

Aber sie sind gleichzeitig auch Clowns, die das klassische Konzertformat ordentlich gegen den Strich bürsten, mit dem mechanischen Klavier, das das eigene Können am Instrument hübsch karikiert, aber auch mit einer Lust am szenischen Einfallsreichtum. Mit dem Slapstick, der im Gruppennamen anklingt, hat das im Grunde wenig zu tun, der taucht zwar in der Inszenierung hier und da mal auf, ist aber nicht das Zentrum des Abends. Das Zentrum ist eher das liebevolle Ausspielen von Theaterminiaturen.

Und deswegen kann man eine Zeile wie „Operator, please connect me to my dear“ dann inhaltlich korrekt aus einer Telefonzelle heraus singen: „Hallo, Vermittlung, bitte verbinden Sie mich mit meiner Liebsten.“ Man kann daraus aber auch eine mit jeder Strophe absurder werdende artistische Clownsnummer machen, in der sich nach und nach alle Musiker in der engen Zelle drängen, erst die Gitarre, dann der Kontrabass, das Saxofon, schließlich auch noch die Violine (die freilich musikalisch nicht mehr zum Einsatz kommt, dafür ist der Raum dann doch zu beengt).

Musikcomedy: Zwischendurch gibt es auch noch Publikumsbeteiligung

Manchen der Nummern ist die szenische Idee schon eingeschrieben: „We’re All Singing At The Barbershop“ bezieht sich nicht nur auf den Barbershop-a-cappella-Gesang, das ruft auch clowneske Szenen aus dem Friseursalon ab, die natürlich hochenergetisch auf die Bühne kommen. Und der Standard „Mr. Sandman“ führt in psychedelische Traumbilder. Zwischendurch gibt es dann auch noch Publikumsbeteiligung: Ein Zuschauer und eine Zuschauerin werden für ein eher albernes Spielchen rekrutiert, lächerlich eigentlich, aber die beiden freuen sich so, mitmachen zu dürfen, dass man das Hüpfen, Tänzeln und Spielen dennoch mit Freude anschaut. Man merkt, dass die zwei Spaß haben, man merkt, dass Släpstick Spaß hat, also hat man auch Spaß.

Inszeniert ist „The Roaring Twenties“ nie auf den großen Lacher hin, sondern als Spiel mit einer Idee, die nach und nach auf die Spitze getrieben wird. „We Are The Boating Men“ ist ein Trinklied angeheiterter, aber kaum aggressiver Sympathieträger, die austesten, wie weit sie gegenüber der Staatsmacht gehen können. Ein Polizist steht am Rande, er achtet darauf, dass nicht zu sehr über die Stränge geschlagen wird, allein: Dessen Autorität wird unter viel Gekicher angezweifelt, man tituliert ihn als „Undercover Detective“, und die Tatsache, dass er eine Uniform trägt, kann ja nur bedeuten, dass er heute seinen freien Tag hat.

Theater Hamburg: Släpstick wissen, wann sie Schluss machen sollten

Das ist schon ziemlich lustig, und dass der Ordnungshüter jedes Schimpfwort im Folgenden mit seiner Trillerpfeife zu übertönen versucht, strukturiert den derben Songtext mit einem lustigen Pfeifenrhythmus. „There’s Just One More Thing I Want To Say“, schließt „The Boating Men“ ab, nur eines will noch gesagt werden: „Fuck, Fuck, Fuckedy, Fuckfuckfuck!“ Pfeifpfeifpfeif, ein großer Spaß.

Und vielleicht ist es auch ganz gut, dass „The Roaring Twenties“ schon nach gut eineinhalb Stunden zum Ende kommt: Ein großer Spaß ist eine schöne Sache, aber wenn man ihn totreitet, dann wird er schal. Hätte die ultralange Chansonsnummer, in der eine ganze Menüfolge inklusive Getränkebegleitung runtergesungen wird, sein gemusst? Na ja. Am Ende aber kriegt der Abend die Kurve: Das Släpstick-Quintett weiß, wann es Schluss machen sollte.

Plötzlich schwebt Charlie Chaplin vorbei, auch Beethoven taucht auf

Eine letzte Nummer noch, der Gassenhauer „Puttin’ On The Ritz“, für den ein stilisiertes Auto auf die Bühne gefahren wird, mit dem Släpstick dann trötend, fiedelnd und singend durch die amerikanischen Zwanziger gondelt. Ein auf die Bühnenrückwand projizierter Film zeigt Szenen vom Broadway, und plötzlich weitet sich das Bild, plötzlich schweben Charlie Chaplin vorbei, Ludwig van Beethoven, Laurel und Hardy, Motive aus der langsam dem Ende zuswingenden Show tauchen noch einmal auf, und wenn man diese Bilder ernst nimmt, dann spürt man hier, wie genau das alles aufeinander abgestimmt ist. Schön.

Dann folgen noch einmal Straßenschluchten, aber unmerklich hat sich das Bild verwandelt, nicht mehr New York ist zu sehen, sondern Hamburg, es geht unter der Hochbahn durch Richtung Mundsburg, zum Ernst Deutsch Theater. Und so kommt diese kleine, große Musikcomedy-Show ganz bei sich selbst an: Als Zugabe gibt es nochmal „I Got The Roaring Twenties In My Hands“ vom Einstieg, Schlussapplaus, und dann ist endlich auch das mechanische Piano still. Man lächelt.

„The Roaring Twenties“ noch einmal am 16. Juli, 19.30 Uhr, Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Tickets unter www.shmf.de