In Hamburg bekam sie den Kühne-Preis, jetzt ist sie zurück: Dana von Suffrin erkundet die Stadt – und findet eine Sache obszön.
Der arme Poet ist selten wirklich einer, weil es Stipendien gibt, die ihm das Schreiben erleichtern oder ermöglichen. Tolle Sache, oder? Die Münchner Autorin Dana von Suffrin sieht jedenfalls nicht unglücklich aus, als wir sie im Heine-Park treffen. Den Juli über ist sie in Hamburg und kann da nun mit Elbblick an ihrem zweiten Roman arbeiten. An Hamburgs feinster Adresse, der Elbchaussee.
Aber herrje, was ist das für ein infernalischer Lärm. Eh klar, die Edelstraße am Fluss ist viel befahren, und das denkmalgeschützte ehemalige Gartenhaus Salomon Heines liegt direkt an jener Zuwegung zu den noblen Wohnquartieren. Kann man da denn gut arbeiten?
Autorin Dana von Suffrin: Den Juli verbringt die Münchnerin in Hamburg
Ja, sagt Dana von Suffrin, kann man. Sie sei sehr fokussiert derzeit, wie immer, wenn sie unter Zeitdruck sei, erklärt die 37-Jährige. Aber so oder so – wer würde sich beschweren wollen angesichts der Möglichkeit, in Hamburg-Ottensen sein Ferien-Office zu beziehen, noch dazu gepimpt mit einer finanziellen Zuwendung in Höhe von 1500 Euro? Dana von Suffrin ist die vierte Schriftstellerin, die vom Verein des Heine-Hauses eingeladen wurde, eine Sommerresidenz in der Hansestadt zu verbringen.
Jetzt ist sie die zweite Woche da und das übrigens nur kurze Zeit nach einem ersten Sommer-Trip in die Hansestadt. Im Juni hielt sie im Heine-Haus, das Jahr für Jahr ein kleines und feines Kulturprogramm auflegt und sich bislang rein privat finanziert, einen Vortrag über das Heine-Denkmal am Rathausmarkt.
Heinrich Heine: Sein Denkmal am Rathaus sieht Dana von Suffrin kritisch
Die Jüdin Suffrin sieht das durchaus kritisch („Die am Relief dargestellte Bücherverbrennung hebt auf SA-Klischees ab und nimmt die damalige Gesellschaft damit aus der Verantwortung“) und erinnert sich gern an den Abend im Gartensaal. Sie sprach vor Stammpublikum, und gedanklich stand einem dieses bei ihren Ausführungen vor Augen: Nicht ganz junge, kultivierte und interessierte Großstädter, die sich für mehr als das nur längst Bekannte interessieren, zum Beispiel die olle Kamelle, dass dieser Heinrich Heine, Neffe des Kaufmanns Salomon Heine, eine enge Beziehung zu Hamburg hatte.
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Suffrin hat die nicht wirklich, was im übrigen ziemlich erfrischend ist. Das schärft den Blick. 2019 erhielt sie für ihr famoses Debüt „Otto“, in dem sie vor allem das Leben ihres aus Siebenbürgen stammenden Vaters literarisierte, der später aus Israel ausgerechnet nach Deutschland übersiedelte, den Klaus-Michael Kühne-Preis. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über den Botaniker Otto Warburg. Also, Beziehungen zu Hamburg sind da, und Freunde hat sie ihr hier auch (Suffrin: „Die sind alle eher beschäftigt gerade, das passt mir ganz gut“). Aber es ist doch die Wahrnehmung der Auswärtigen, die aus ihren Worten spricht.
Dana von Suffrin findet das soziale Gefälle in Hamburg „obszön“
Weil einem selbst die Brüche („Wenn man von der Elbchaussee zum Altonaer Bahnhof geht, kommt einem die soziale Kluft obszön vor“) nicht mehr zwangsläufig auffallen. Suffrin will trotz straffen Schreibprogramms die Stadt noch über den Hamburger Westen hinaus erkunden. Wer weiß, ob die Frau, die in ihrer Geburtsstadt lebt, aber als Studentin auch Jerusalem und Neapel kennenlernte, im Norden ein paar Eindrücke sammelt, die einmal in einem Roman Niederschlag finden.
Ihr nächster soll im Frühjahr 2024 erscheinen. Und wieder von Familie handeln, von den Beziehungen zwischen Menschen. „Manche Autorinnen und Autoren schreiben immer den gleichen Roman, heißt es ja“, sagt sie einmal, und man imaginiert sich dazu ein Achselzucken. Dasselbe Achselzucken, das ihre Haltung zum inzwischen vergangenen Mäzenatentum Klaus-Michael Kühnes beschreibt. Dessen Engagement beim Harbour Front Festival endete im vergangenem Jahr krachend, nachdem mehrere Autoren Kühnes mangelnde Aufarbeitung der NS-Vergangenheit seiner Firma moniert hatten.
Schriftstellerin: „Gut, dass Kühnes Geld einer jüdischen Autorin zugute kam“
„Ist doch gut, dass Kühnes Geld einer jüdischen Autorin zugute kam“, sagt sie mit Blick auf sich selbst, und weiter: „Wir leben in einem postfaschistischen Staat, da gibt es nun einmal viel Nazi-Vergangenheit.“
Wir vergessen übrigens glatt, wo sie doch schon dort wohnt, wo sich der berühmte Dichter einst oft aufhielt (über den Landsitz seines Oheims lästerte Heinrich Heine allerdings – es gehe dort „sehr geziert und geschwänzelt“ zu), über Heine zu sprechen. Vielleicht weil Dana von Suffrins Schaffen interessanter ist, so rein vom Jetztzeit-Ding her. Sie ist der Meinung, man könne gar nicht anders schreiben als autobiografisch, „wenn zu viel Distanz zwischen den Autorinnen und Autoren und ihren Worten liegt, sagt mir das nichts“.
Dana von Suffrins Vater war Europa kulturell näher als Israel
Dann erzählt sie noch auf Nachfrage, dass ihrem Vater, der in ein Land zog, in dem es nach 1945 eigentlich keine Juden mehr geben sollte, Europa kulturell viel näher war als etwa Israel. Dort hätten sie oft gelacht über seinen europäischen Habitus. „Aber deutsch im Sinne von Vatertag, Oktoberfest und Grillen ist er nie geworden“, sagt Suffrin.
Menschen und Mentalitäten, großes Thema. Kann man auch auf den vergleichsweise piefigen Kontrast von Nord- und Süddeutschen runterbrechen, stimmt’s? Die Hamburger, berichtet Dana von Suffrin, „interagieren im offenen sozialen Raum viel wärmer, als ich dachte“. Und sie leben, wie die Frau aus Bayern festgestellt hat, gerne in der Stadt ihrer Geburt: „Hamburger sind treu, gell?“
Dana von Suffrin liest am 12. Juli, 19 Uhr, im Heine-Haus. Anmeldungen unter info@heine-haus-hamburg.de oder telefonisch unter 040-39198823.