Die Hamburger Satirikerin Ella Carina Werner schreibt Geschichten über sich, ihre Familie und Dessous. Das ist ziemlich amüsant.

In ihren neuen Kurzgeschichten ist die in Wilhelmsburg lebende Satirikerin und Schriftstellerin, die „Titanic“-Teil-Chefin und Lesebühnen-Betreiberin Ella Carina Werner eine politisch nach links neigende Frau, die mit Mann und Kindern längst in gut situierten Verhältnissen angekommen ist. Die wilde, vielleicht anarchische Jugend? Die Nächte im Molotow? Längst vorbei. Beim späten Über-den-Kiez-Stratzen trägt sie hohes Schuhwerk. Früher habe man das „Fick-mich-Stiefel“ genannt, erklärt die Erzählerin.

Kann schreiben und kann übertreiben: die Hamburger Autorin Ella Carina Werner.
Kann schreiben und kann übertreiben: die Hamburger Autorin Ella Carina Werner. © Julia Schwendner

Zwei deutlich jüngere Männer balzen sie von hinten an, sie solle doch mitkommen in die Nacht. Aber sodann: verdruckstes Zurückweichen. Die Frau mit den heißen Tretern hat sich umgedreht. Und ist ja viel älter als gedacht. Nix wie weg hier! Aber das lässt die Erzählerin, unsere volle Unterstützung hat sie dabei, den Jungs nicht durchgehen. Immerhin zieht sie sie noch in ein Gespräch. „Fick-mich-Stiefel“, das kann man eigentlich nicht mehr sagen, Zeiten ändern sich. Was besser wäre: „Frag-mich-ob-ich-auch-ficken-will-Stiefel“.

Ella Carina Werner: Der Vater der Autorin ist Psychologe

Kann doch sein, dass irgendwo in dieser jugendgeilen Amüsierstation namens St. Pauli, auf dem Hamburger Berg oder dem Hans-Albers-Platz, wirklich ein Generationengespräch dieser Art stattgefunden hat. Wir vermuten aber: Ella Carina Werner war nicht unbedingt dabei. Was nicht heißt, dass wir der 1979 in Hamburg geborenen und in Nordrhein-Westfalen aufgewachsenen Frau nicht zutrauten, den Kiez mit ihrer pure Lebenserfahrung ausstrahlenden Anwesenheit zu beehren. Sie könnte auch beim Whiskey-Tasting gewesen sein, eine der Geschichten in ihrem neuen Band „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“ handelt davon.

Und hat sie ausweislich ihrer Autorinnenbiografie nicht einen Vater, der Psychologe ist? Die wahnwitzige Erzählung „Beim Therapeuten“ handelt davon. Eine Tochter will sich von ihrem eigenen Vater therapieren lassen. So etwas Absurdes. Die Unmöglichkeit des Unterfangens schlägt sich im gegenseitigen Anzicken nieder: „Haha, wie du dich schon nennst. Psychologischer Psychotherapeut! Ich nenne mich doch auch nicht satirische Satirikerin.“

Die Mutter zu ihrem Sohn: „Ich war auch mal jung und cool!“

Es verhält sich also so, dass der Untertitel der Sammlung, „Geschichten aus meinem Leben“, kein Fake ist. Und gleichzeitig doch: Der satirische Drall kommt mit der Übertreibung, Verdrehung, dem Weiterdenken tatsächlicher Gegebenheiten. Werners Kunst besteht darin, den Alltag einer Autorin als göttliche Komödie über das Glück und das Unglück des Daseins als Wesen in sozialen Zusammenhängen unterhaltsam und immer wieder hochkomisch darzustellen.

Ella Carina Werner: „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“.
Ella Carina Werner: „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“. © Rowohlt Verlag

Der Dialog mit der Mutter, die schrecklicherweise eine gemeinsame Urlaubsreise mit der Tochter unternehmen will. Das nächtliche Aufeinandertreffen mit dem vom Ausgehen heimgekehrten Sohn, „der innerfamiliäre Super-GAU“. Weil sie, die Mutter, den Riesenfehler begeht. Sie sagt zu ihm: „Ich war auch mal jung und cool!“

Buch „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“: Es herrscht Friede zwischen den Generationen

Jetzt ist sie’s nicht mehr. Man wird unterwegs bourgeois, auf dem Highway des Alterns, und alle zehn Jahre ist der Erwerb neuer Dessous angezeigt. Der Griff zum Set, als zusammenpassenden Unter- und Oberteilen: „So viel Bürgerlichkeit muss sein. Früher hätte ich das spießig gefunden, aber früher fand ich auch noch nicht Olaf Scholz gut.“

Warum Ella Carina Werner das so gut kann, komisch vom Durchschnittsleben zu erzählen? Als „Titanic“-Autorin hat sie das gelernt. Ihre Alltagsbetrachtungen sind aber von einer Liebenswürdigkeit durchzogen, die man nicht mit Harmlosigkeit verwechseln darf. Dafür sind manche ihrer Sätze zu spitz, und eine Ahnung, dass sie auch richtig gemein sein könnte, wenn sie nur wollte, hat man beim Lesen ihrer Storys eh. Gut aber, dass sie es nicht ist. Am Ende herrscht doch Friede zwischen den Generation, ob man nun mit 100 Jahren Altersunterschied gemeinsam ins Molotow geht oder nicht.

Ella Carina Werner stellt ihr Buch am 1. Juli, 21 Uhr, in der Buchhandlung Lüdemann, Wilhelmsburg, vor.