Das Jahrbuch versammelt zum 18. Mal Hamburgs gelungenste Literaturstücke. Ein Autor schwimmt dabei gedanklich durch Harvestehude.
Der Präses der Kulturbehörde, Carsten Brosda, lässt es sich nicht nehmen, im Grußwort zum neuen „Ziegel“ einen literarisch-zoologischen Exkurs zum Thema „Schildkröte“ bereit zu stellen. 256 Jahre ist demgemäß das älteste Exemplar jener Spezies geworden. Eine Inderin. In Deutschland, genauer: Hamburg, gibt es ein Jahrbuch für Literatur, das es immerhin schon auf 30 Jahre bringt. Da darf dann eine Schildkröte durchaus das Cover der neuen Ausgabe zieren.
Diese Ausgabe ist in Pink gehalten und versammelt 48 Autorinnen und Autoren aus Hamburg. Jede und jeder von ihnen wird es für ehrenvoll halten, im „Ziegel“ zu erscheinen, wie die Bücher seit jeher liebevoll mit Blick auf ihre Dicke genannt werden. Dass der Kultursenator sich dort zitieren lässt, ist übrigens nicht verwunderlich. Der Mann ist Literaturfreund und Autor, im September erscheint seine neue polit-gesellschaftliche Betrachtung „Mehr Zuversicht wagen“ (ja, dahinter versteckt sich auch die vor einigen Monaten bereits lancierte Springsteen-Studie Brosdas).
Hamburger Jahrbuch für Literatur: Geballte Weisheit seit 30 Jahren
Was die im periodisch im „Ziegel“ bündig zusammengestellte Schriftstellerei der Freien und Hansestadt angeht, ist Brosda nicht zurückhaltend. Wir gehen da gedanklich aber mit, bei Sätzen wie „in den zurückliegenden 17 Büchern versammelt sich hier wie nirgendwo sonst die geballte Weisheit der Hamburger Literatur“.
- Freibäder? „Solche Orte gibt es nirgends sonst auf der Welt“
- „Aber früher fand ich auch noch nicht Olaf Scholz gut“
- Urlaub! Strand! Lesen! Jetzt oder nie.
Zum dritten Mal erscheint der „Ziegel“ nun im Mairisch-Verlag. Er sieht wieder super aus (Illustrationen: Kathrin Klingner) und wird in bewährter Manier von Antje Flemming und Jürgen Abel herausgegeben, den wahrscheinlich kundigsten Kennern der Literaturszene in dieser Stadt. Debütanten ohne Veröffentlichungen und Buchverträge sind dabei, aber auch arrivierte Autoren. Diese Mischung machte das Jahrbuch immer schon aus. Die literarischen Hamburg-VIPS in der 2023er-Ausgabe sind etwa Katrin Seddig, Simone Buchholz, Kristine Bilkau und Claudia Schumacher.
Hamburger „Ziegel“: Mirko Bonnés Gedicht beschließt die neue Ausgabe
Von Mirko Bonné, dessen Hamburg-Roman „Alle ungezählten Sterne“ Ende Juli erscheint, stammt der Schlussakkord dieses „Ziegels“. Das Gedicht „Zu den Hamburgensien“, das so fein und leichtfüßig ist, dass wir hier unbedingt ein paar Verse deklamieren wollen: „Die See holt sich erst Bremen,/dann dich, und ich schwimm,/mit Heringen und Hechten,/ja durch Harvestehude./Gong! Gong und Gong!/Mein Hamburg, so long“. Wunderbar.
Die meisten Texte sind Prosa, etwa der von Andreas Moster – das ist der Autor, dessen „Paläste“ 2021 zum Hamburger Buch des Jahres gekürt wurde. Der Romanauszug „Als Vater“ handelt von einem Sportler, der sich nach dem Weggang der Mutter allein um einen Säugling kümmern muss. Ein intensiver Text, der wie manches im „Ziegel“ als Appetizer gelten darf. Der dazugehörige Roman soll 2024 im Arche-Verlag erscheinen.