Hamburg. Das erste Konzert seit 15 Jahren auf dem Areal des Derby-Parks in Klein Flottbek – und einer von nur zwei Auftritten in Deutschland.

Mit seinen eingängigen wie minimalistischen Musikstücken bewegt sich der italienische Komponist und Pianist Ludovico Einaudi höchst erfolgreich zwischen den Grenzen von Klassik und Pop. Millionen Menschen rund um den Globus fühlen sich seinem nahbaren und empfindsamen Stil verbunden. Diesen Sonnabend nun ist der Künstler live in Hamburg zu erleben – das erste Konzert seit 15 Jahren, das auf dem Areal des Derby-Parks in Klein Flottbek stattfindet (Anna Netrebko wurde dort 2012 abgesagt). Und einer von nur zwei Auftritten Ludovico Einaudis in Deutschland aktuell.

Er wird solo am Piano spielen, aber auch in Begleitung von Geige, Cello und Percussion. Rund ein Drittel widmet der Musiker seinem neuen Album „Underwater“, das übrige Konzert schöpft er aus seinem reichhaltigen Repertoire. Denn im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat er zahlreiche Werke quer durch die Disziplinen geschaffen – für Konzertbühnen, Theater, Ballett und vor allem auch Soundtracks für Filme und Serien. Er hat Kinohits wie „Ziemlich beste Freunde“ mit seinem Sound intensiviert oder etwa jüngst renommierte Produktionen wie „Nomadland“ and „The Father“.

Ludovico Einaudi: Warum es ein Unterschied ist, in der Royal Albert Hall oder im Nationalpark zu spielen

Mit seinen 67 Jahren ist der Pianist nach wie vor „very busy“, wie er im Interview am Telefon erzählt. Meist lebt er auf dem großelterlichen Weingut in der norditalienischen Region Piemont. Wir erreichen ihn jedoch mitten auf seiner Konzertreise in Rom. Mit singend italienischem Akzent spricht er darüber, wie ihn seine eigenen Kompositionen überraschen. Warum es ein Unterschied ist, in der Royal Albert Hall oder in einem Nationalpark zu spielen. Wie er sich mit seinem Publikum verbunden fühlt. Und was er jungen Musikschaffenden rät.

Hamburger Abendblatt: Auf Ihrem aktuellen Album „Underwater“ erkunden Sie Ihr Instrument, das Klavier, auf sehr intime Weise. Was war der Auslöser für diese Schaffensphase?

Ludovico Einaudi: Das Piano ist seit jeher mein Begleiter. Während der Pandemie habe ich eine Art musikalisches Tagebuch geführt. Egal ob die Idee großartig war oder sehr simpel – ich habe einfach gespielt und das Ganze auf meinem Telefon aufgenommen. Einige Zeit später habe ich mich mit diesem Material noch einmal beschäftigt und festgestellt, dass in den Aufzeichnungen alle vier fünf Tage etwas Interessantes auftauchte. Merkwürdig war allerdings, dass ich all die Ideen zwischenzeitig komplett vergessen hatte und es mir mitunter so vorkam, als würde ich die Musik von jemand anderem anhören. Ich habe mich quasi selbst überrascht. Daher beschloss ich, einige Stücke aus diesem Tagebuch für ein Solo-Piano-Album zu extrahieren.

Nach diesem sehr intuitiven Prozess, haben Sie da noch einmal etwas Neues gelernt über Ihr Instrument und über sich selbst als Künstler?

Ich habe gelernt, dass wir dazu tendieren, zu viel darüber nachzudenken, was wir tun. Wir beurteilen uns selbst sehr häufig und verlieren dabei die Schönheit der Spontaneität. Eine Idee, die einfach so auftaucht, klingt mitunter außergewöhnlicher als eine Idee, an der man wochenlang gearbeitet hat – mit dem Bestreben, ein Meisterwerk zu schaffen. Als ich diese Musik komponiert habe, war ich nicht zu Hause im Piemont, sondern in den Bergen zwischen Italien und der Schweiz. Deshalb habe ich nicht im Studio an meinem Flügel gespielt, sondern an einem einfachen Klavier mit einem tollen soften Sound. Insgesamt eine sehr besondere poetische Stimmung.

Einaudi: „Ich spiele mich selbst. Und diese Verbindung teile ich dann mit dem Publikum“

Sie haben Ihre Musik bereits an sehr unterschiedlichen Orten aufgeführt. Auf historischen Bühnen wie der Royal Albert Hall, der Arena von Verona oder auch der Oper in Sydney. Im Jahr 2021 wiederum haben sie Konzerte gegeben in Nationalparks und Naturreservaten. Wie sehr fließt die jeweilige Atmosphäre in Ihr Spiel ein?

Wenn ich open air in einer malerischen Landschaft spiele, vielleicht sogar im Sonnenuntergang, ist das für mich und das Publikum natürlich sehr anregend. Trete ich dann zum Beispiel in der Royal Albert Hall auf, ist das ein ganz anderer Vibe. Dann inspiriert mich die gesamte Geschichte des Ortes. Wenn ich anfange zu spielen, dann ist allerdings nur ein Teil von mir mit dem Äußeren in Kontakt. Ein anderer Teil muss tief verbunden sein mit meiner inneren Seele. Denn ich spiele die Musik nicht rein technisch. Ich spiele mich selbst. Und diese Verbindung mit mir selbst teile ich dann mit dem Publikum.

Sie engagieren sich sehr für den Umweltschutz. Berühmt ist etwa Ihre „Elegy for the Arctic“, die Sie 2016 für Greenpeace vor dem Wahlbergen-Gletscher aufgeführt haben. Kann eine reflexive und achtsame Musik wie Ihre die Menschen in einer Weise bewegen, dass sie fürsorglicher mit der Natur umgehen, dass also eine Art kollektive Sensitivität entsteht?

Ich denke, Musik und Kunst im Allgemeinen können keine Probleme lösen, aber Ideen transportieren und unterstützen. Eine Energie, die du in eine bestimmte Richtung gibst. Mit dem Publikum, das meine Arbeit bereits länger verfolgt, besteht eine besondere Verbindung. Ich könnte mit allen von ihnen zu Abend essen und währenddessen würden wir sehr wahrscheinlich dieselben Ansichten über die Welt teilen.

Was wäre Ihr Rat im Austausch mit jungen Musikschaffenden: Wie lässt sich wirklich wahrhaftige Kunst erzeugen?

Das Risiko heutzutage ist, alles möglichst schnell zu machen. Doch Musik braucht viel Zeit, vor allem am Anfang. Dann geht es darum, erst einmal viel anzuhören und auszuprobieren. Ohne Eile. In einem langsamen Tempo. Wenn du Musik machst, musst du vergessen können, dass wir in einer Gegenwart leben, in der wir ständig mit jedem Teil der Welt verbunden sein können. Nimm dir Zeit, an deinem Klavier zu arbeiten. Denk über jede Note nach. So findest du deinen eigenen Sound.

Ludovico Einaudi live Sa 1.7., 19.30, Derby-Park Klein Flottbek, Baron-Voght-Str. 81, Tickets ab 74,50 (Kategorie ab 57,50 derzeit nicht verfügbar) unter www.kj.de