Hamburg. In ihrer Zeit als Professorin für Zeitbezogene Medien prägte sie die Hochschule für bildende Künste mit. Was sie nun plant.

Das Atrium der Hochschule für bildende Künste ist mit großen durchsichtigen Stoffbahnen dekoriert. Beatles-Klänge schallen aus der Aula, in der zwei Bühnen aufgebaut sind. Auf dem Boden liegen große Sitzkissen von der vergangenen Documenta-Ausstellung. Es ist alles bereit für das große „Klassentreffen“, drei Tage Konzerte, Lesungen und Performances, mit dem Studierende ihre Professorin für Zeitbezogene Medien nach zwölf Jahren am Lerchenfeld verabschieden.

Wie immer ist Michaela Melián, in knielangem Poloshirtkleid und Sneakern, mittendrin, kaum vorstellbar, dass die engagierte und mehrfach ausgezeichnete Künstlerin, die stets zwischen Hamburg und ihrer Heimat München gependelt ist, ihre letzten Tage am Lerchenfeld verbringt. Ihr Büro ist allerdings schon jetzt eher Einsatzzentrale für das Fest als Arbeitsplatz. Zum Interview wischt sie schnell den Tisch ab, 30 Minuten Zeit müssen reichen.

Hochschule Hamburg: Drei Tage Klassentreffen für Künstlerin Michaela Melián

„Ich fühle mich gut, es ist sehr aufregend, aber kein Klassentreffen im Sinne von 30 Jahre Abitur oder so, sondern eher die Idee, all die vielen Gemeinschaftsprojekte, die im Laufe der Zeit entstanden sind, zu einem Kunsthöhepunkt zu vereinen“, so die 67-Jährige. Mit Melián, die in ihrer eigenen künstlerischen Praxis Objekte, Fotografien, Filme, Musik und Texte miteinander verwebt, um gesellschaftspolitisch und zeitgeschichtlich einzuwirken, zogen die Performances an der Hochschule ein.

Eine der ersten wird ihr besonders in Erinnerung bleiben: Für „Gäste zu haben ist doch auch schön“ ließ sie einen großen Tisch bauen, um Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen und Lebenswelten in den Austausch über Kunst, Politik und Ästhetik zu bringen. Dazu wurden Speisen und Getränke gereicht, und jeder Student brachte ein besonderes Objekt mit, das weitergereicht wurde. Dazu entstand ein Film.„Alles war ständig in Bewegung, eine tolle Erfahrung“, sagt die Künstlerin.

Mit ihrer Band „F.S.K.“ tritt sie beim Sommerfestival auf Kampnagel auf

Durch Kunst Geschichten zu entdecken oder auch aufzudecken, ist ihr ein Anliegen. 2010 wurde ihr akustisches Denkmal „Memory Loops“ für die Opfer des Nationalsozialismus in München eingeweiht. Das per App erfahrbare Audiokunstwerk umfasst 300 deutsche und 175 englische Tonspuren mit Stimmen von NS-Opfern und Zeitzeugen, die sich als permanente, unsichtbare Installation über die Stadt legen. 2019 erhielt sie den Edwin-Scharff-Preis der Stadt Hamburg für ihre „Politik der Erinnerung“.

Seit den 1980er-Jahren ist Michaela Melián Sängerin und Bassistin der Band F.S.K. (Freiwillige Selbstkontrolle), die Mitglieder lernten sich alle während des Studiums an der Münchner Kunstakademie kennen. In diesem Sommer treten sie beim Sommerfestival auf Kampnagel auf, bringen ihr neues Album „Topsy-Turvy“ beim Hamburger Independent-Label Buback heraus.

Die bildende Kunst versprach ihr mehr Freiheit als das Musik-Studium

„Daher kommt wohl auch meine Leidenschaft für Gruppenarbeiten. Wie in einer Band braucht man auch in der Kunstwelt gute, enge Freunde, mit denen man einen intensiven Diskurs pflegen kann, auf die man vertrauen kann. Weil es einfach ein Beruf ist, der sich permanent immer wieder die Frage stellt, ist es die richtige Entscheidung, das zu tun?“

Eine wichtige Zäsur war ihre Entscheidung, das Musik-Studium abzubrechen und stattdessen Kunst zu studieren. „Das ewige Üben, die dafür notwendige Disziplin behinderten mich, all meine anderen Interessen auszuleben. Zudem fehlte eine wirkliche Perspektive, damals als Frau in einem großen Orchester spielen zu können. Die Kunst versprach mir größere Freiheit“, so Melián, die auch ganz freimütig das mangelnde Talent als Cellistin zugibt.

Hochschule Hamburg: Was Michaela Melián für die Zeit danach plant

Verlernt hat sie es offenbar nicht: Für das aktuelle Album hat die Künstlerin ihr Instrument wieder rausgeholt. Für sie immer wieder faszinierend: „Wie man Menschen durch Klänge ebenso anziehen wie abstoßen kann, das vermag die bildende Kunst nicht in dem Maße.“ An Ruhestand ist nach ihrem Abschied von der HfbK nicht zu denken. Es geht nahtlos weiter mit einer Einzelausstellung im Kunstverein Nürnberg. Darin wird es um ihre erinnerungspolitischen Arbeiten zum Nationalsozialismus gehen.