Hamburg. In einem leer stehenden Haus eröffneten Maria Rodriguez und ihr Mann die Hijack Gallery. An wen sich das ungewöhnliche Angebot richtet.
Vor den Lokalen stehen Tische und Stühle, von denen kaum einer frei ist. Scharen von jüngeren Menschen ziehen daran vorbei, auf dem Weg zu ihren Verabredungen. Der Mühlenkamp in Winterhude ist mittlerweile eine Ausgehmeile geworden.
Bislang waren hier vor allem die vielen Restaurants Publikumsmagneten. Doch seit die Hijack Gallery Anfang März das leer stehende Haus am Mühlenkamp 4 „gekapert“ hat, das durch einen Neubau ersetzt werden soll, gibt es einen Hotspot mit einem ganz anderen Angebot.
Winterhude: Neuer Hotspot für Kunst und Party am Mühlenkamp
In einem ehemaligen Geschäft für Tierbedarf haben Maria Rodriguez und ihr Mann Torsten Engelbrecht eine Pop-up-Galerie eröffnet. Dort zeigen sie 14-tägig wechselnde Kunstausstellungen – und machen jede Vernissage, Midissage und Finissage zur Party.
„Wir bringen die Menschen aus dem Stadtteil mit der Künstler-Community zusammen und schaffen damit einen für dieses Umfeld ganz neuen Ort der Begegnung“, sagt Rodriguez. Dass der Mix von bildender Kunst und Auftritten von Discjockeys und Sängerinnen gut ankommt, zeigen die Menschentrauben, die sich an Freitagabenden mittlerweile vor der Galerie bilden.
Sie sind allesamt eher jünger – und damit genau die Zielgruppe, die die PR-Beraterin und ihr Mann, ein Journalist, ansprechen wollen. Insofern überrascht sie der Erfolg nicht wirklich. „Es gibt hier für Menschen zwischen 25 und 40 Jahren Cafés, Restaurants, Nagelstudios und Beautysalons – aber keinen Ort, an dem es um Kunst, Musik, Begegnung und Bewegung geht“, sagt Rodriguez, die mit Mann und zwei Kindern selbst im Viertel wohnt.
Im Goldbekhaus trafen sich bereits 250 Leute zum ersten Hijack Club
Das Kulturzentrum Goldbekhaus, das quasi am anderen Ende des Mühlenkamps liegt, richte sich mit seinem Angebot überwiegend an Ältere. Doch auch das wollen die umtriebigen „Hijacker“ (die hijacking nicht mit entführen, sondern mit kapern übersetzen) gern langfristig ändern.
Angefangen haben sie bereits damit: Vor Kurzem veranstalteten sie dort den Hijack Club mit House, Afro und Techno Music. „Es waren mindestens 250 Leute da“ sagt Rodriguez, die hofft, in Kooperation mit dem Goldbekhaus weitere solcher Tanzabende anbieten zu können.
Winterhude: Bis zum Abriss darf Pop-up-Galerie die Räume nutzen
Aber zurück zur Kunst. Die Werke in der Hijack Gallery kosten je nach Künstler zwischen 1300 und 5000 Euro, ausgestellt wird überwiegend abstrakte Kunst. „Wichtig ist, dass die Gemälde zu uns passen und die Zielgruppe ansprechen.“ Kunst sei immer elitär, aber man wolle auch Künstlern eine Chance geben, die diese sonst nicht hätten.
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Dass sie sich mit ihrer Hijack Gallery einen Traum erfüllen können, zumindest temporär, ist dem Zufall zu verdanken. „Mein Mann bringt unsere Tochter morgens oft zur Schule. Dabei ist ihm der Leerstand am Mühlenkamp 4 aufgefallen“, so die Galeristin. Als sie ihr Konzept den Eigentümern vorgestellt hätten, die an dieser Stelle einen Neubau planen, sei ihnen zugesagt worden, bis zum Abriss bleiben zu können.