Hamburg. Eine zweistündige „Kultour“ verbindet Naturerlebnis und Ausstellungsbesuche im Ernst Barlach Haus, Jenisch Haus und Bargheer Museum.

Einen der berühmtesten deutschen Bildhauer entdecken und Hamburgs dicksten Eichenstamm umarmen, die Elbe in echt angucken und zigfach auf der Leinwand, in der Sommerresidenz von Senator Martin Johan Jenisch Geschichte schnuppern und bei Kaffee und Kuchen vom Schmidtchen Gesehenem und Empfundenem nachspüren.

Ein Kunstausflug in der eigenen Stadt, ohne im Stau oder überfüllten Zugabteil zu stehen, das geht nirgends besser als in Hamburgs schönstem Landschaftsgarten: Der 24 Hektar fassende Jenischpark wurde im 18. Jahrhundert vom Kaufmann Caspar Voght gegründet und 1927 von der Stadt Altona gepachtet, 1939 erworben und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Heute zählt er mit seinem großen Baumbestand und seinen Feuchtwiesen zum Naturschutzgebiet Flottbektal und beherbergt drei ganz unterschiedliche Museen. Das zwischen 1831 und 1834 erbaute klassizistische Jenisch Haus ist seit 1955 Außenstelle des Altonaer Museums, 1962 eröffnete das private Ernst Barlach Haus, 2017 kam das kleine, feine Bargheer Museum hinzu.

Guides bieten eine kulturelle Reise durch den Jenischpark

Um Besucherinnen und Besuchern ein ganz besonderes Erleben von Natur und Kunst zu bieten, haben sich die drei Häuser nun zusammengeschlossen und erstmalig eine „Kultour“ durch „ihren“ Park initiiert. An jedem ersten Sonnabend im Monat um 14 Uhr führen Guides in einem zweistündigen Rundgang durch die Museen, stellen Besonderheiten, Geschichte, Höhepunkte der Sammlung und aktuelle Ausstellungen vor.

Der Jenischparkverein stellt bei jeder Führung eine Person zur Seite, die auf den Wegen zwischen den Häusern interessante Anekdoten zum Gelände erzählt. Jede „Kultour“ ist individuell und wird vom jeweiligen Guide vor Ort gestaltet. Nach einer kurzen Einleitung werden die Museen besucht. Um das Angebot abzurunden, kann eine Kaffeepause eingebaut werden.

Für Jan-Christoph Nitschke, den kaufmännischen Leiter des Bargheer Museums, ist das neue Format der drei Sammlungshäuser und des Jenischparkvereins „die perfekte Kombination aus Natur- und Kulturerlebnis“. Durch die Anreise per Schiff kann dieser Ausflug noch erweitert werden. Mit der Hadag-Fährlinie 62 startet man von den Landungsbrücken nach Finkenwerder, von dort geht es weiter mit der Linie 64 nach Teufelsbrück. Der Zugang „Teufelsbrück“ zum Jenischpark befindet sich schräg gegenüber dem Fähranleger nach Überquerung der Elbchaussee.

Skulpturen drehen sich um Einsamkeit, Existenzangst und Exzess

Sechs Künstler sind derzeit in den drei Museen des Jenischparks zu entdecken: Der Schweizer Expressionist Hermann Scherer (1893-1927) tritt noch bis zum 4. Juni im Ernst Barlach Haus in einen Dialog mit Objekten des berühmten Bildhauers, der der Natur und den Elementen in seiner Kunst nahekommen wollte. Scherer hat in seinen Holzskulpturen schroffe Bildwelten entworfen, die sich um Liebe und Triebhaftigkeit, Zwei- und Einsamkeit, Existenzangst und Exzess drehen.

Die gemeinsam mit dem Kunstmuseum Basel, dem Bündner Kunstmuseum Chur und dem Nachlass des Künstlers kuratierte Ausstellung präsentiert fünf rundplastische und 50 grafische Hauptwerke, daneben 15 kraftvoll bearbeitete Druckstöcke, von denen Scherer seine Holzschnittblätter abgezogen hat, und eindrucksvolle Mappenwerke, unter anderem zu Fjodor Dostojewskis Roman „Verbrechen und Strafe“.

Bei Wind und Wetter entstehen dynamische Momentaufnahmen

Im Jenisch Haus zeigen die Freilichtmaler Tobias Duwe, Lars Möller und Till Warwas unter dem Titel „Elbwärts“ (bis 12. Februar 2024) typische Hamburger Stadtansichten. Mit ihren pleinair gemalten Bildern stehen sie in der Tradition von einflussreichen Landschaftsmalern wie Max Liebermann oder Thomas Herbst, die bereits im 19. Jahrhundert den damals noch teilweise unbebauten Elbhang sowie die Ausblicke von Parks und Höhenwegen auf die Elbe in Gemälden festhielten.

Eduard Bargheer  Ausstellung Bargheer-Kosmos im Bargheer Museum Hamburg Marrakesch, 1966, Farblithographie Der Bargheer-Kosmos Eine Retrospektive des druckgrafischen Werkes 30.04.-17.09.2023 <p/>
Eduard Bargheer  Ausstellung Bargheer-Kosmos im Bargheer Museum Hamburg Marrakesch, 1966, Farblithographie Der Bargheer-Kosmos Eine Retrospektive des druckgrafischen Werkes 30.04.-17.09.2023

© Bargheer Museum

Die Norddeutschen Realisten Duwe, Möller und Warwas setzen sich bewusst den wechselhaften Wetter- und Lichtverhältnissen aus. Die so unter Zeitdruck entstehenden Momentaufnahmen von signifikanten Stadtmotiven wie Landungsbrücken, Krugkoppelbrücke oder Lessingtunnel strahlen eine besondere Dynamik aus. Zugleich dokumentieren die Künstler Veränderungen im Stadtbild.

Eduard Bargheer, ein Liebhaber und Deuter des „Mittelmeerischen“

Und im Bargheer Museum ist mit „Der Bargheer-Kosmos“ (bis 17. September) das druckgrafische Werk des bekannten Hamburger Malers aus den Jahren 1930 bis 1974 zu entdecken. Den meisten ist Eduard Bargheer (1901-1979) als großer Aquarellist bekannt. Doch schon in der Vorkriegszeit entstandene Kaltnadelradierungen, überwiegend Porträts und figürliche Arbeiten, weisen ihn auch als virtuosen Zeichner aus.

Seine Themen: Mensch, Natur, Stadtlandschaft, der Norden, der mediterrane Süden und Afrika, aber auch die moderne Adaption antiker Vorbilder. Ab 1955 entdeckte er die Farblithographie als adäquates Ausdrucksmittel; in farbigen Aquatinta-Radierungen kombinierte er ab 1967 zeichnerische Strichtechnik mit flächiger Farbgestaltung. So entstand laut Historiker Wolfgang Henze die „umfassendste und eindringlichste Deutung des Mittelmeerischen, die ein nordischer Künstler verwirklicht hat“.

Mit dem Tagesticket gibt es noch eine weitere Aktion, die die Angebote aller drei Museen bündelt. Im erstbesuchten Haus zahlt man den vollen Preis (Ernst Barlach Haus neun Euro, Jenisch Haus und Bargheer Museum jeweils sieben Euro). Für den weiteren Besuch der anderen beiden Museen am selben Tag gibt es dort ermäßigten Eintritt (Ernst Barlach Haus sieben Euro, Jenisch Haus und Bargheer Museum jeweils fünf Euro).

„Kultour“ durch den Jenischpark, Sa 3.6., 1.7., 5.8., 2.9., 7.10., außerdem 17.6. und 26.8., jew. 14.00, Tickets zu 20,- erhältlich im Bargheer Museum (S Klein Flottbek), Hochrad 75, Di–So 11.00–18.00, www.bargheer-museum.de, Treffpunkt an der Schautafel links im Park (Zugang über Hochrad 75), Anmeldung nicht erforderlich.