Lüneburg. In der Kunsthalle Lüneburg ist der große Reportagefotograf in der Ausstellung „Hierzulande“ zu erleben.

Er begleitete den jungen Elvis Presley, den wohl berühmtesten G.I., bei seiner Ankunft in der hessischen Kaserne Friedberg, porträtierte Joseph Beuys als Künstler und Privatmann zusammen mit dessen Familie zu Hause in Düsseldorf. Er beobachtete die Akteure der Bonner Republik und den Aufstieg des kleinen Sylter Heidedorfs Kampen zum Spielplatz der Reichen und Schönen.

Es sind historische Momentaufnahmen, die sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben, oder auch noch nie gezeigte Bilder. Entstanden sind sie durch die Augen und mit der Kamera von Robert Lebeck. Oder „Bob“ oder „Lebo“, wie ihn die mondäne Romy Schneider zärtlich nannte – zur Schauspielerin hatte er eine besondere Beziehung.

Aber nicht nur die Stars interessierten ihn: Als erster Reporter fotografierte er die Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft im Durchgangslager Friedland und spürte Vergnügungslokale auf St. Pauli auf, die den Krieg überlebt hatten. Die Kunsthalle Lüneburg zeigt in „Robert Lebeck. Hierzulande“ legendäre Fotoserien in Schwarz-Weiß von 1955 bis 1983.

Robert Lebeck: Besonderer Fotokünstler mit Empathie und Neugierde

In zurückhaltender Ausstellungsarchitektur sind gerahmte Originalbilder auf blaugrauen Stellwänden sowie groß aufgezogene Drucke an den Seitenwänden zu sehen. Die Geschichten zu den Bildern werden in kurzen Wandtexten geschildert. Sie erzählen auch von einem besonderen Fotokünstler, der sich den Porträtierten mit Empathie und Neugierde näherte. Dabei interessierte er sich ebenso für Menschen des Zeitgeschehens wie für die Menschen von nebenan.

Der gebürtige Berliner Robert Lebeck (1929–2014) studierte Völkerkunde in Zürich und New York und arbeitete zunächst als freier Fotoreporter für Heidelberger Zeitungen. Als Büroleiter der Zeitschrift „Revue“ in Frankfurt am Main zwischen 1955 und 1960 entstanden seine ersten bedeutenden Reportagen. Nach einer kurzen Tätigkeit für das Magazin „Kristall“ in Hamburg arbeitete er in den 1960er- und 70er-Jahren für „Stern“ – seine fotografische Glanzzeit.

Eine frühe Reportage – „Betriebsausflug nach Ahrweiler“ – berichtete über die Rebellion einer jungen Generation im Nachkriegsdeutschland, die 1955 in die „Weinschlacht von Altenahr“ mündete. Während „Bild“ und „Spiegel“ den nächsten Aufreger witterten, rückte der damals 27-jährige Lebeck in humanistischer Tradition die menschlich-komische Seite dieser neu entdeckten Feierkultur in den Fokus.

Viele Bilder wurden zu Ikonen der Fotografiegeschichte

Als Alfred Hitchcock 1960 nach Hamburg kam, um seinen Film „Psycho“ zu bewerben, bat der Fotograf ihn, sich selbst zu spielen – was der Regisseur sofort umsetzte. Auf einer Hafenbarkasse spähte er konspirativ durch die Kajütentür, im Alten Elbtunnel posierte er als Killer im Treppenhaus. So entstand laut Lebeck „ein grandioser 20-Minuten-Stummfilm, inszeniert und gespielt von Alfred Hitchcock“.

Auch die außergewöhnliche Stimmung in der Karl-Marx-Straße in Berlin-Neukölln, die bis zum Mauerbau im August 1961 eine Art Freihandelszone mit Ausschank war, reizte den Fotografen. Er tauchte ein in den Kaufrausch Tausender Berlinerinnen und Berliner, die mit der Bahn aus dem Osten der Stadt für einen Einkaufsbummel anreisten.

Willy Brandt im Speisewagen eines Sonderzuges während einer offiziellen Reise durch Deutschland 1973, beobachtet durch Robert Lebeck.
Willy Brandt im Speisewagen eines Sonderzuges während einer offiziellen Reise durch Deutschland 1973, beobachtet durch Robert Lebeck. © © Archiv Robert Lebeck | © Archiv Robert Lebeck

„Lebecks Fotoserien ästhetisieren und idealisieren nicht, sie sind schlichte Dokumente dessen, was der Fotograf in einem ganz bestimmten Augenblick sah“, beschreibt Daniela Sannwald, die Kuratorin der Ausstellung, die Arbeiten des Fotografen, von denen viele zu Ikonen der Fotografiegeschichte wurden, etwa die berühmte Rückansicht von Maria Callas, die vor ihrem Publikum in der Hamburger Musikhalle bei einem Konzert im Jahr 1959 steht.

Die Witwe des Fotografen arbeitete an der Ausstellung mit

Sannwald hat gemeinsam mit der Witwe des Fotografen, Cordula Lebeck, in Berlin die Fotoserien gesichtet und für die Ausstellung ausgewählt. „Frau Lebeck war bei der Ausstellungseröffnung dabei und war sehr aufgeregt. Dabei könnte man denken, sie sei eine alte Häsin“, sagt Nele Kröger von der Sparkassenstiftung Lüneburg, die seit 2014 die Kulturbäckerei betreibt, in der die Kunsthalle untergebracht ist.

Dass an diesem Ort in den 1930er-Jahren eine Heeresbäckerei war, kann man heute im Ausstellungsraum sehen: An den Wänden stehen noch die alten Öfen. Mit Respekt vor der Industriearchitektur wurde das Gebäude saniert und in ein modernes Kulturzentrum verwandelt, das neben Künstlerateliers, einer Malschule, Vor- und Nachlässen junger Künstlerinnen und Künstler auch ein Theater mit vier Ensembles beherbergt.

Die Kunsthalle bietet ein breites thematisches Spektrum: Anlässlich seines 100. Geburtstags wurden Plakate und Multiples von Joseph Beuys gezeigt, es wurde die Geschichte der Berlinale in Fotografien aufgefächert oder in „Hey, Heide“ Kitsch, Kunst und Mythos der Lüneburger Heide gewürdigt. Zuletzt war der experimentierfreudige Zero-Künstler Heinz Mack zu sehen. Die Ausstellungen können dabei über drei Räume im Erdgeschoss und in der ersten Etage verteilt werden.

Mit Romy Schneider verband ihn eine intensive Beziehung

Ein Raum der „Hierzulande“-Schau ist Romy Schneider gewidmet. Mit der Schauspielerin verband Lebeck eine intensive Beziehung. Er hatte sie Ende der 1970er-Jahre bei Dreharbeiten zu „Gruppenbild mit Dame“ in Berlin kennengelernt – mit diesem Film wollte die „Sissi“-Darstellerin auch „hierzulande“ Anerkennung als ernsthafte Schauspielerin erlangen.

Das obere Stockwerk zeigt eine herausragende Fotoserie Lebecks: „Deutschland im März 1983“. Im Auftrag des „Stern“ sollte er sein Land porträtieren. Er fuhr einfach drauflos, ohne Ziel und Plan – und fand seine Motive: einen sterbenden Wald im Schwäbischen, Karnevalisten, die ans Portal des Kölner Doms pinkeln, Passanten, die zur Musik eines beinamputierten Akkordeonspielers tanzen, eine alte Dame, die Unterwäsche im Sonderangebot unter die Lupe nimmt.

Robert Lebeck: Viele Landsleute sahen in ihm einen Nestbeschmutzer

Für die zwölfseitige Reportage gab es viel Kritik und Protest; „Bild“ schrieb, das habe „Helmut Schmidt nicht verdient“. Viele sahen in Robert Lebeck einen Nestbeschmutzer. Und doch ist er als einer der größten Fotoreporter Deutschlands in die Geschichte eingegangen, konnte internationale Ausstellungsprojekte realisieren, gab Bücher heraus, wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet; 2007 erhielt er den Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk.

Bescheiden geblieben ist Lebeck bis zuletzt, von ihm ist das Zitat überliefert, das auch in die Lüneburger Ausstellung einführt: „Ich bin viel gereist in meinem Fotografenleben, doch um ein spannendes Foto aufzunehmen, brauchte ich eigentlich nur vor die Haustür zu treten, und das habe ich oft getan.“

„Robert Lebeck. Hierzulande“ bis 25.6., Kunsthalle Lüneburg in der Kulturbäckerei, Dorette-von-Stern-Straße 2, 21337 Lüneburg, Mo–Fr 10.00–18.00, Sa/So 11.00–17.00, Eintritt frei, www.kulturbaeckerei-lueneburg.de