Hamburg. Lisa Batiashvili, Robin Ticciati und das Chamber Orchestra of Europe zeigen in der Elbphilharmonie Beethoven – viel mehr als eine Solo-Show.
Das Violinkonzert von Beethoven ist keine Solo-Show mit Begleitung. Sondern ein Dialog, ein Miteinander von Geige und Orchester. Für diese Begegnung auf Ohrenhöhe sind Lisa Batiashvili und das Chamber Orchestra of Europe eine ideale Paarung. Weil beide Seiten über die Wachheit, den Willen und das Können verfügen, um sensibel und gedankenfix aufeinander zu reagieren. Deshalb wirkte Beethovens Evergreen in der Elbphilharmonie unter Leitung von Robin Ticciati frisch und packend, statt altbekannt.
Die farbige Orchestereinleitung deutet bereits viel vom Kontrastmaterial des Stücks an, vom Gegensatz aus kantablen und rhythmischen Gesten, aus geisterhaften und majestätischen Momenten. Dann pirscht sich die Solo-Geige dazu, mit einem zarten Oktavaufgang. „Dolce“ schreibt Beethoven hier in die Partitur, also „süß“.
Elbphilharmonie: Begegnung auf Ohrenhöhe mit Beethoven
Batiashvili trifft diesen Ausdruck mit dem ihr eigenen Gespür für den richtigen Ton. Die in Georgien geborene Geigerin scheint vollkommen eins mit der Guarneri. Ihr Spiel ist fingergewordene Selbstverständlichkeit, ohne glatt oder kühl zu sein. Sie verströmt einen warmen Klang. Unter ihren Händen singt, seufzt, säuselt und flüstert das Instrument, lässt aber auch immer wieder das Orchester zu Wort kommen. Dabei löst das Chamber Orchestra of Europe ein, was sein Name verspricht, und agiert mit kammermusikalischer Beweglichkeit und Klasse. Welcher Zauber im Austausch von Ensemble und Solistin entstehen kann, offenbart das intime Zwiegespräch von Fagott (phänomenal: Romain Lucas) und Geige am Ende vom ersten Satz. Zum Niederknien schön.
- Elbphilharmonie: Lisa Batiashvilis Steigerungen ins ungetrübt Schöne
- Augustin Hadelich: „Gut genug ist nicht gut genug“
- Freudiger Elbphilharmonie-Auftakt vor deprimierender Kulisse
Kurz zuvor überrascht Lisa Batiashvili mit rauen, teilweise ruppigen Klängen. Sie spielt die Kadenz, die Alfred Schnittke 1978 für das Beethoven-Konzert geschrieben hat. Er konfrontiert Motive daraus mit Passagen und Sounds aus der Musik des 20. Jahrhunderts.
Elbphilharmonie: kraftvolles, wuchtiges Finale
Ein spannender Akzent. Und ein Vorgeschmack auf das, was nach der Pause kommt. Die zweite Hälfte verzahnt Auszüge aus Beethovens „Egmont“ mit Stücken von Widmann und Berlioz zu einer epochenübergreifenden Collage. Nach dem dicht komponierten Violinkonzert klingt das manchmal eine Spur kleinteilig, auch weil die „Egmont“-Zwischenaktmusiken sicher nicht zu Beethovens stärksten Stücken zählen.
Ticciati und das Chamber Orchestra of Europe ziehen das Publikum trotzdem in ihren Bann, vor allem am Ende. Mit der Liebesszene aus Berlioz‘ „Roméo et Juliette“, in der die Streicher ihre Saiten streicheln. Und mit der „Egmont“-Ouvertüre, die das Konzert nicht makellos, aber kraftvoll und wuchtig beschließt.