Hamburg. Die Künstlerin Anna Resei nimmt in „Water Carriers“ am MK&G die Klimakrise zum Anlass für innovative, wasserresistente Reisemöbel.
„Wenn du mich siehst, dann weine“. In einer Vitrine ist die wohl berühmteste Inschrift auf einem sogenannten Hungerstein abgebildet. Diese zum Teil Jahrhunderte alten Steine in Elbe, Weser und Rhein, die durch die heißen Sommer und damit verbundenen Wasserniedrigstände der vergangenen Jahre immer öfter zum Vorschein kommen, sollten schon damals vor Dürre und Hungersnöten warnen – und wirken heute wie Vorboten der Klimakatastrophe.
„Bis vor ein paar Jahren waren Klimawandel und dadurch ausgelöste Migration noch ein abstraktes Problem. Heute wissen wir, dass 2030 sogar Orte an der englischen Küste überspült werden könnten. Es kommt näher, wir müssen uns also zwangsläufig damit auseinandersetzen. Was, wenn der steigende Meeresspiegel auch uns betreffen wird? Wie reagieren wir, was nehmen wir mit, sollten wir evakuiert werden?“
Ausstellung Hamburg: Was nehmen wir mit auf der Flucht vor dem Wasser?
Statt Panik zu schüren, wollte die Konzeptkünstlerin Anna Resei lieber eine gestalterische Form für dieses Thema finden. Im Rahmen ihrer halbjährigen Residenz am Museum für Kunst und Gewerbe, ermöglicht durch den Fonds für junges Design, hat sie sich mit den dortigen Sammlungen beschäftigt und ihr Ausstellungsthema gefunden: „Water Carriers“.
Inspiriert durch ein Reisemöbel aus dem 16. Jahrhundert hat sie eine schick bedruckte, aus Alu-Dibond gefertigte wasserfeste Kiste entworfen, die man sich auf den Rücken schnallen kann, um damit – für den Fall der Fälle – mit seinem Hab und Gut durchs Meer zu schwimmen. Dazu gehört eine Leuchtstoffröhre, die den Weg erhellen oder bei Ankunft für heimeliges Licht sorgen soll.
„High Tide Heels aus Polyester von einem belgischen Designer
Ein Paravent könnte für die nötige Privatsphäre in der Fremde sorgen; praktischerweise lässt sich der Entwurf von Resei zusammenklappen und wie ein Surfbrett mit Gurten unter den Arm klemmen. Ein Video in Endlosschleife zeigt anhand eines Models im Neoprenanzug, wie’s funktioniert.
„Es geht darum, beweglich zu bleiben, uns den Herausforderungen im nomadischen Zeitalter anzupassen“, erklärt Anna Resei ihren Ansatz, der mehr mit Augenzwinkern als mit ermahnendem Zeigefinger arbeitet.
Das wird auch daran sichtbar, dass neben einem Kupferstich von der „Großen Halligflut“ von 1825 ein paar schicke, aus Polyester gegossene „High Tide Heels“ des belgischen Designers Paul Schietekat stehen.
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Ausstellung Hamburg: USB-Stick mit Fotos gehört zu unverzichtbaren Utensilien
„Was man auf der Flucht vor dem Wasser braucht, kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein“, so die Künstlerin. „Waren einst die Betnuss oder ein Fläschchen mit Riechsalz unverzichtbare Utensilien, ist dies heute der USB-Stick mit den wichtigsten Fotos.“ Bei aller Leichtigkeit, die diesen Designartikeln innewohnt – die Uhr tickt nicht nur akustisch im Hintergrund der Ausstellung.
„Anna Resei. Water Carriers“ bis 21.5., Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 14,-/8,- (erm.), www.mkg-hamburg.de