Hamburg. Genom-Untersuchungen an Ludwig van Beethovens Haarsträhnen bringen Erstaunliches zu Leben und Gesundheit des Komponisten ans Licht.

Alle Beethoven-Bewunderer müssen ihre vermeintlichen Wissensstände ab sofort mächtig umparken im Kopf. Mit acht Haarsträhnen aus Museen und Privatsammlungen sowie viel Biomedizin-Hightech hat ein internationales Forschungsteam, in dem auch das Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie aktiv wurde, Annahmen über Leben und Gesundheit des 1827 gestorbenen Ludwig van Beethoven widerlegt oder mit neuen Fragezeichen versehen.

Denn: Man hat mittels DNA-Analysen erstmals das Genom entschlüsselt und vor allem nach eindeutigen medizinischen Gründen für die Taubheit gefahndet, die ihn schon in jungen Jahren ereilte und immer wieder zur Verzweiflung trieb, bis er 1827 im Alter von 56 Jahren starb.

Ludwig van Beethoven: Ist sein Vater ein außereheliches Kind?

Die Wissenschaftler erfüllten mit ihrer Arbeit einen Wunsch Beethovens, der 1802 im „Heiligenstädter Testament“ (das Original befindet sich übrigens seit 1888 in Hamburg) seine Brüder bat, seinen Arzt mit der Beschreibung des Hörverlusts zu beauftragen, „damit nach Möglichkeit wenigstens die Welt mit mir versöhnt wird nach meinem Tod“.

Ein spektakulärer Beifang dieser Ursachenforschung: Einer der Beethoven-Vorfahren väterlicherseits hatte ein außereheliches Verhältnis. Ein Genealoge der KU Leuven formulierte diese Erkenntnis sehr sachlich: „Durch die Kombination von DNA-Daten und Archivdokumenten konnten wir eine Diskrepanz zwischen Ludwig van Beethovens rechtlicher und biologischer Genealogie feststellen.“

Soll meinen: Ludwigs Y-Chromosom stimmt nicht mit dem von fünf Verwandten überein; streng biologisch ist dieser Beethoven also kein Beethoven. Die „Tatzeit“: zwischen wischen der Empfängnis von Hendrik van Beethoven in Kampenhout, Belgien, um 1572 und der Ludwigs Empfängnis, sieben Generationen später, 1770, in Bonn. Dass dieses außereheliche Kind Ludwigs Vater Johann war, sei denkbar, aber nicht zwingend.

Weder für die Taubheit noch für Beethovens chronische Magen-Darm-Probleme wurden belastbare Erklärungen gefunden. Die Taubheit war nicht genetisch bedingt, sondern durch eine organische Erkrankung oder einen Infekt verursacht. Ins Wanken geriet die Behauptung, Beethoven habe sich durch bleihaltigen Wein vergiftet – denn ausgerechnet die „Hiller-Locke“, jenes Haarbüschel, auf dem diese Analyse beruhte, stammt von einer Frau. Der Komponist Ferdinand Hiller soll sie dem Toten vom Kopf geschnitten haben.

Ludwig van Beethoven: Haarlocken offenbaren Hepatitis-B-Infektion

Die Forscher hatten acht Haarproben aus den letzten sieben Lebensjahren überprüft, doch nur bei fünf dieser Locken, abgeglichen mit Genproben lebender Nachkommen, hielten die Tatsachen den Annahmen stand. Übrig blieben genügend Problemfelder.

„Wir haben eine Reihe signifikanter genetischer Risikofaktoren für Lebererkrankungen entdeckt“, berichtete ein Leipziger Forscher, dazu Hinweise auf eine (bereits vermutete) Hepatitis-B-Infektion spätestens in den Monaten vor der Erkrankung. Die Getränkeauswahl ist damit aber nicht ganz von der Leberzirrhose-Anklagebank, ebenso wenig die Dosis. „Es dürfte sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind“, heißt es nüchtern im Bericht.