Hamburg. Mitten auf dem Neuen Wall baute der Künstler sein Atelier auf und brachte die Buchhandlung Felix Jud zum 100. Jubiläum auf die Leinwand.

Neun Farbeimer und eine Leinwand, als Staffelei dient ihm eine Sackkarre. Als Christopher Lehmpfuhl anfängt zu malen, wird es ruhig am Neuen Wall. Auf dem Gehweg hat er sein bewegliches Atelier aufgebaut. Anlässlich des 100. Jubiläums der Buch- und Kunsthandlung Felix Jud ist er gekommen, um sie zu malen. Was dann passiert, ist eine Kunst-Performance: In rasanter Geschwindigkeit trägt er mit seinen Händen Farbe auf die Leinwand auf. Was anfangs noch wie eine homogene Farbmasse aussieht, zeigt schnell Kanten und Konturen.

Es ist so etwas wie das Spezialgebiet des Berliner Künstlers: „Er ist einer der ganz großen zeitgenössischen Plein-Air-Maler“, sagt Marina Krauth, Mitinhaberin und Geschäftsführerin von Felix Jud. Damit ist Freiluft-Kunst gemeint. Gemeinhin kann Lehmpfuhl dem zeitgenössischen Realismus zugeordnet werden, er selbst bezeichnet sich außerdem auch als Lichtmaler. Das Licht spielt in seinen Werken eine entscheidende Rolle, so erzeuge es die Atmosphäre und Emotionen, die es bedarf, um eine Situation richtig einzufangen „und darauf kommt es am Ende an: auf das Gefühl und dass man die Stimmung wiedererkennt“, sagt er.

Lehmpfuhl malt mit den Händen, das sei direkter

Der Mal-Prozess dauert in diesem Fall eine Stunde. Vorbeigehende Passanten bleiben währenddessen wie paralysiert am Ort des Geschehens stehen und schauen Lehmpfuhl staunend zu. Einige vergessen dabei, dass sie auf der Straße stehen, hupende Autos erinnern sie daran. Das fertige Bild beeindruckt durch ein nuanciertes Kolorit. Die dick aufgetragene Farbe lässt außerdem einen besonderen Effekt entstehen, der das gemalte Motiv reliefhaft schon fast plastisch erscheinen lässt.

Lehmpfuhl scheint beim Malen mit seinem Werk zu verschmelzen, ebenso mit seiner Umwelt. Dabei wird er im wahrsten Sinne des Wortes eins mit der Farbe: Seine Jacke, Hose, Schuhe und Mütze sind voll von ihr. Auch seine dünnen Latexhandschuhe: „Das Malen mit den Händen ist viel direkter und unmittelbarer dadurch, dass man direkt auf der Leinwand ist“, sagt er und hängt grinsend an: „Außerdem bin ich ein Mal-Schwein“.

Direkt ist auch der Kontakt zu dem, was er malt. Um die Stimmung der Orte richtig einzufangen, hat er schon die ganze Welt bereist, dabei schrickt er auch nicht vor Vulkanen oder Bergen zurück. Sein Equipment wird kurzerhand dahin gebracht, wo er malen möchte, so werde der Prozess unmittelbarer.

Ausstellung bei Felix Jud ist ein gefühlter Kurzurlaub

Auch das Wetter sei dabei kein Hindernis. Einmal habe er auf Sylt im strömenden Regen gemalt. „Wenn ich einmal angefangen habe, gibt es keinen Grund für mich aufzuhören“. Er verwendet dafür eine spezielle Farbe mit hohem Pigmentanteil, nur so halte diese und erzeuge den gewünschten Effekt. Er male jedoch nicht nur in der Natur, auch die Stadt sei als Umgebung eine schöne Abwechslung, sagt er.

Anlässlich des Jubiläums werden in der Buch- und Kunsthandlung weitere Werke von Lehmpfuhl gezeigt. Unter dem Titel „Landschaften zwischen Ostsee und Alpen“ sind dort außerdem eine Reihe von Aquarell-Malereien ausgestellt. Besonders auffallend sind die sich verändernden Lichtverhältnisse dabei. Die Bilder haben die gezeigte Stimmung gewissermaßen inkorporiert, so lässt sich jedes der Werke intuitiv einer Jahreszeit zuordnen. Aufs Eindrücklichste zeigt der Künstler dabei, wie die Wechselwirkung von Farbe und Licht einen Sog erzeugt, dem man sich kaum entziehen kann oder möchte. Der Besuch bei Felix Jud wird so zum gefühlten Kurzurlaub zwischen Ostsee und Alpen.

„Landschaften zwischen Ostsee und Alpen“ bis 15.4., Felix Jud (S/U Jungfernstieg), Neuer Wall 13, Mo–Sa, 10.00–18.00, Eintritt frei, www.felix-jud.de