Hamburg. Großer Wurf: Der Dirigent wird der neue Hamburgische Generalmusikdirektor. Erst vor Kurzem beeindruckte er in der Elbphilharmonie.

„Bitte mehr von diesem Dirigenten!“ war nach dem Elbphilharmonie-Gastspiel der Wiener Symphoniker unter Omer Meir Wellber im vergangenen November im Abendblatt zu lesen. Drei Monate später verkündete die Kulturbehörde nun die Erfüllung dieses Wunsches: Der Israeli, so wurde am Freitagvormittag im Rathaus bekanntgegeben, tritt zum 1. August 2025 die Nachfolge von Kent Nagano als Generalmusikdirektor beim Philharmonischen Staatsorchester und in der Staatsoper an.

Ein großer Wurf ist da gelungen, zählt Meir Wellber doch zu den besonders hoch gehandelten Dirigenten (nicht nur) seiner Generation. Im vergangenen Jahr war er gefeierter Porträtkünstler beim Schleswig-Holstein Musik Festival, international hat er viele Orchester mit Weltrang – vom Boston Symphony bis zu den Münchner Philharmonikern – dirigiert, auch in den führenden Opernhäusern, von der New Yorker Met bis zum La Fenice in Venedig, hat er in den vergangenen Jahren seine musikalische Visitenkarte hinterlassen.

Staatsoper: Große Freude über den Coup im Hamburger Rathaus

Im Rathaus war allen Beteiligten die große Freude über diesen Coup anzusehen: Eine herausragende Künstlerpersönlichkeit habe man da gewinnen können, erklärte etwa Kultursenator Carsten Brosda (SPD). „Omer Meir Wellber hat gezeigt, dass er dafür brennt, Brücken zu bauen und auch neues Publikum für die klassische Musik zu begeistern. Ich bin sicher, dass er gemeinsam mit dem Philharmonischen Staatsorchester auch in Hamburg neue Impulse setzen wird.“

Das Orchester habe sich unter Kent Nagano künstlerisch hervorragend entwickelt und werde weiterhin „in besten Händen sein“. Auf dem morgendlichen Weg von der Staatsoper zum Rathaus sei überdies zu spüren gewesen, wie sehr Meir Wellber und der vor wenigen Monaten vorgestellte designierte Opernintendant Tobias Kratzer, der sein Amt ebenfalls 2025 antritt, harmonieren: „Die sind uns gleich enteilt und haben wild diskutiert“, so Brosda mit einem Lächeln.

Meir Wellber begeistert über Wertschätzung der Kultur in Hamburg

Tatsächlich betonte Kratzer, dass in diesem Fall einfach alles passte: Bei einem ersten Treffen in Palermo, wo Meir Wellber derzeit am Teatro Massimo Musikdirektor ist, habe die Chemie sofort gestimmt („Und das war Wetter war etwas besser als heute in Hamburg“), zudem bestand mit dem Orchestervorstand der Philharmoniker gleich Einigkeit über den Wunschkandidaten für die Nagano-Nachfolge. Zwar habe er bisher noch nie mit Meir Wellber zusammengearbeitet, jedoch „unglaubliche Mozart-Abende“ erlebt, die der 41-Jährige in Dresden dirigierte. Dessen breit gefächertes Repertoire sei ein weiterer Pluspunkt.

Der so Gelobte gab die Komplimente umgehend zurück und zeigte sich insbesondere begeistert über die enorme Wertschätzung, die Kultur in Hamburg erfährt. Ein Engagement wie das von Kultursenator Brosda sei nicht selbstverständlich, das könne er aus seiner Erfahrung als weltweit viel beschäftigter Dirigent sagen. Nach Hamburg zu kommen, sich langfristig an das Haus an der Dammtorstraße zu binden, dafür sei es jetzt genau der richtige Moment. Lange habe er jede Woche in einer anderen Stadt dirigiert, jetzt sei es für ihn an der Zeit, künstlerisch noch mehr in die Tiefe zu gehen und mit Ruhe zu arbeiten.

Meir Wellber bleibt bis 2027 Musikdirektor an der Volksoper Wien

Hamburg sei ein „Musikstandort, der nicht nur der Tradition, sondern auch der Avantgarde verpflichtet ist. Das ist für mich gleichermaßen Ansporn, Herausforderung und Inspiration“. Sein Amt in Palermo werde er aufgeben, an der Volksoper Wien jedoch bis August 2027 Musikdirektor bleiben. Danach ist dann nur noch Hamburg im Fokus – wobei Omer Meir Wellber als Gastdirigent weiterhin weltweit gefragt sein dürfte.

Deutlich wurde an diesem regnerischen Morgen im Rathaus, dass hier mit Tobias Kratzer und Omer Meir Wellber ein Team an den Start geht, das gemeinsam etwas erreichen will. Dazu passte auch die zweite Personalie: Bettina Giese, derzeit Direktorin für künstlerische Produktion und Planung am Brüsseler Opernhaus La Monnaie, wird als Operndirektorin nach Hamburg kommen. Er habe sie als „meine wichtigste Mitarbeiterin und stellvertretende Intendantin mit ins Team geholt“, so Kratzer, und kenne sie bereits aus Brüssel, wo sie ihn „durch große Expertise und Empathie beeindruckt“ habe. „Dass sie nun an der Dammtorstraße anheuert, bürgt für den Kurs, den Omer Meir Wellber und ich hier einschlagen wollen.“ Angesichts der Tatsache, dass mit Demis Volpi, der im August 2024 auf John Neumeier folgt, auch noch ein neuer Ballettchef in den Startlöchern steht, lässt sich tatsächlich von einer Zeitenwende in Hamburg sprechen.

Staatsoper: Orchestervorstand lächelt bei alldem zufrieden in den Saal

Was inhaltlich konkret auf der Agenda steht, war auch nach der feierlichen Vertragsunterschrift von Omer Meir Wellber und Carsten Brosda noch kein Thema, aber wer die künftigen Leitliniengeber kennt, weiß, dass es an Ideen nicht mangelt. Ein Blick auf Meir Wellbers Albumveröffentlichungen der vergangenen Jahre zeigt schon seine Vielfalt, ist Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ doch ebenso dabei wie Wagners „Parsifal“, zudem ein Schostakovich-Klavierkonzert mit der Hamburger Pianistin Anna Vinnitskaya, eine CD mit Werken von Vivaldi und Piazzolla und die Auseinandersetzung mit dem israelischen Komponisten Paul Ben-Haim. In diesem Frühjahr dirigiert er unter anderem in Palermo Tschaikowskis „Eugen Onegin“, während in Wien Verdis „La Traviata“ und Wagners „Lohengrin“ auf seinem Spielplan stehen.

Die Lust der Neuen auf die vor ihnen liegenden Aufgaben war im Rathaus jedenfalls spürbar, und auch der anwesende Orchestervorstand der Philharmoniker lächelte zufrieden in den Saal. Vielleicht auch, weil das Staatsorchester von Meir Wellber zuvor noch einmal besonders herausgestellt worden war: Eine solche Begeisterungsfähigkeit und innige Liebe zur Musik, wie er sie beim Staatsorchester, diesem „Klangkörper auf höchstem Niveau“, gespürt habe, sei ganz und gar keine Selbstverständlichkeit. Um so mehr freue er sich auf die Zusammenarbeit. Harmonischer kann ein Start kaum verlaufen.