Hamburg. Premiere an der opera stabile: Stück für Kinder als Parabel auf den Umgang mit Fremden – teilweise in einer Fantasiesprache.
„Eeea eeea“. Oder auch: „Ooooe ooooe“. Das ist der Stoff, aus dem Ohrwürmer gemacht sind. Jedenfalls hier, auf dem Mond. Dorthin entführt uns der Komponist Andrew Norman. Im Singspiel „Die Reise zum Mond“, dessen Kammeropernfassung jetzt an der opera stabile in Hamburg ihre Uraufführung erlebte und vom Publikum – darunter einige Kinder mit ihren Eltern – gefeiert wurde.
Norman hat nicht nur die Musik, sondern auch den Text geschrieben und für die Mondbevölkerung eine eigene Sprache erfunden. „Mondisch“ heißt sie, besteht vor allem aus Vokalen und ist oft tonal. Zum Beispiel bei Eoa, einer besonders netten Mondfrau mit weichem Sopran (Yeonjoo Katharina Jang). Sie singt schöne Melodien, begleitet vom Vibraphon oder zarten Linien der Streicher. „Uuuaee uuuaee!“
Mit dieser Fantasiesprache schafft der Komponist einen ganz eigenen Sound für die Oper, die ohne viel gesungenen Menschen-Text auskommt.
„Die Reise zum Mond“: Begegnung mit Mondlingen
Die Handlung des knapp einstündigen Stücks ist auch relativ schnell erzählt: Ein Team aus Astronominnen und Astronomen, geführt von Professor Barbenfouillis (zauberhaft: die Schülerin Emilia Kaiser) und einem Filmregisseur (mit Schmelz im Timbre: Tenor Dongwon Kang) düst zum Mond, schrottet dabei den Motor (hihi) seiner Rakete und kann erst zurück auf die Erde, nachdem ein paar Abenteuer überstanden sind. Darunter die Begegnung mit den Mondlingen.
Regisseur Stephan Witzlinger und seine Kolleginnen Lena Scheerer (Bühne und Kostüme) und Milena Junge (Choreografie und Spielleitung) nehmen die Einladung der Story an. Sie inszenieren die Kinderoper temporeich, humorvoll und in einer verspielten Bildsprache, mit hübschen Effekten der Bühnenmaschinerie.
Mit der Königin ist nicht zu spaßen
Die Astronomenmenschen scheinen schwerelos zu schweben, als sie auf die Reise gehen. Sie tragen silberne Helme und Stiefel zur burgunderroten Uniform. Ganz anders die Mondwesen, alle in schwarz und weiß gekleidet und mit wiegendem Schritt unterwegs. Die Formsprache ihrer Kostüme erinnert an die Figur des Harlekin, als Symbol für den Wechsel zwischen den Welten. Manche Mondlinge haben Bommeln an der Hose oder tragen eine verfremdete Halskrause. Die Königin, ganz in schwarz (Claire Gascoin), trägt zum spitzschultrigen Oberteil ein mysteriöses Zeichen auf dem Kopf, das wie ein verkohltes Croissant aussieht. Mit ihr ist nicht zu spaßen, das wird beim ersten Auftritt klar, als sie die Aura der Königin der Nacht umweht. Nur, dass sie nicht Koloratursopran zwitschert, sondern mit warmem Mezzo singt.
Ist ihr Reich und das ihres finster dreinblickenden Mondmannes (Nicholas Mogg) bedroht von den Erdenwesen, die so ganz anders aussehen? Und nicht wissen, dass man niemals einen Mondstab anfassen darf, der einem nicht gehört?
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Natürlich ist das Stück in der Staatsopern-Reihe „opera piccola“ eine Parabel auf den Umgang mit dem Fremden. Was und wen wir nicht kennen, erscheint manchen von uns als bedrohlich. Dabei kann es so schön und bereichernd sein, sich auf das Neue einzulassen. Das zeigt die Oper mit Eoa und dem Filmregisseur, die sich ineinander verguckt und dabei auch sprachlich angenähert haben. Sie können die mondische Mundart in die menschliche übersetzen und zwischen den Gruppen vermitteln.
Als aber ein Mondkind beim musikalischen Zählappell fehlt, ist erstmal Schluss mit Harmonie. Der Klang verdüstert sich, aus den Posaunen zucken eckige Akzente, das Becken rauscht. Die Mondwesen treiben die Erdlinge zusammen, umringen sie in einem rituellen Tanz, schichten einen Scheiterhaufen. Der dramatische Höhepunkt – bevor alles gut wird.
Nerdige Wissenschaftler und verunsichertes Mondvolk
Wie sicher die an der Aufführung beteiligten Kinder und Jugendlichen die komplexen Abläufe beherrschen, wie präzise sie die Choreografien ausführen und mit den Profis zu einem Team zusammenwachsen, ist beeindruckend. Ebenso wie ihre Lust, die Rollen als nerdige Wissenschaftler oder verunsichertes Mondvolk auszuspielen.
Stark auch das mit Streichquintett, vier Blechbläsern, Flügel und Schlagwerk besetzte Instrumentalensemble, das auf drei Ebenen verteilt sitzt und das Geschehen der Oper unter Leitung von Luiz de Godoy plastisch ausmalt. Mit Glissandi und sphärischen Flageoletts für die Reise durchs All, mit griffigen Rhythmen für die Gruppentanzszenen.
Text schwer zu verstehen, mancher verliert den Faden
Dass der Text gerade da, wo viel auf einmal passiert, nur schwer zu verstehen ist, und dass die Oper oft ins Mondische wechselt, macht es manchmal nicht so leicht, jedes Detail der Handlung nachzuvollziehen. „Was tun die gerade?“ fragt ein Junge, bei seinem Vater auf dem Schoß. Er ist nicht der einzige, der zwischendrin kurz mal den Faden verliert.
Der große Bogen des Stücks, die Botschaft und die entscheidenden Szenen vermitteln sich klar, lebendig und farbenreich. Und beim Weg nach Hause summen manche der großen und kleinen Besucherinnen und Besucher mondische Rhythmen und Melodien vor sich hin. „A-e-i-a-i-o-o-u!“