Hunde sollen bei Gastspiel “Bros“ “verstört“ gewesen sein. Zuschauer beschwert sich beim Veterinäramt. Was die Amtsärztin dazu sagt.
- Gastspiel "Bros" im Thalia Theater sorgt für Kontroverse
- Zuschauer erstattet Anzeige , weil Hunde auf der Bühne "verstört" gewirkt hätten
- Veterinäramt begutachtete Szenen mit Hunden auf der Bühne
Hamburg. Frontgefechte von der Tonspur, tiefes, raumfüllendes, verstörendes Dröhnen. Schon beim Einlass des Publikums zum Festival-Gastspiel der aktuellen Romeo-Castellucci-Überwältigung bei den Lessingtagen am Thalia Theater schickt der stets bildmächtige italienische Theater- und Opernregisseur einen Gruß aus der Küche, der unmissverständlich signalisiert: Gemütlich wird das hier nicht heute Abend.
„Bros“ heißt der Abend der italienischen Theatercompagnie Societas, der wegen der teils expliziten Gewaltdarstellungen erst ab 16 Jahren empfohlen ist.
Thalia Theater: Brutalität, Machtmissbrauch und Korpsgeist
Die düstere Bruderschaft, die sich hier über knappe anderthalb Stunden austobt, feiert eine Art schwarze Messe, in der Brutalität, Machtmissbrauch und Korpsgeist beschworen werden, während sich hochgepitchte Schallwellen in die Trommelfelle fräsen.
Die Darsteller, allesamt Laien, sind Befehlsempfänger, deren Miteinander ein vorab verteilter „Verhaltensindex“ regelt: „Die Ausführung von Befehlen wird meine Opfergabe sein, sie wird mein Theater sein“ heißt es da, und an anderer Stelle: „Ich werde meinen Kollegen nie in die Augen sehen.“ Mit großer Ernsthaftigkeit setzt sich die Truppe dem Kodex aus.
Es ist ein inhaltlich herausfordernder, ästhetisch bestechender Cocktail: Polizistendarsteller in schwarzen Uniformen und mit Schlagstöcken, die auch benutzt werden, ein Publikum, das zwischenzeitlich von den vor den Ausgängen aufmarschierenden Cops bedrohlich eingekesselt wird, Orgelfontänen, Folterszenen – und zwei belgische Schäferhunde an der kurzen Leine.
Thalia Theater: "Verstörte" Hunde auf der Bühne?
Am Morgen nach der ersten von zwei Vorstellungen ist es nicht die krasse Kunsterfahrung, sondern der Umgang mit eben diesen Hunden, der am Theater kurz für Aufregung sorgt: Der Zuschauer Sebastian Eckardt, ein Jurist aus Hannover, hat Anzeige erstattet wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Er kritisiert besonders die „Lichteffekte und vor allem sehr lauten Toneffekte“, denen die Tiere auf der Bühne ausgesetzt seien.
„Das Stück, das fast gänzlich auf Text verzichtet, wird in seiner Handlung durch die bloße Darstellung dieser beiden Tiere in keiner Weise gestützt“, so Eckardt. „Die Hunde sind offensichtlich verstört und ängstlich, was sich durch sehr unruhiges Verhalten an der Leine und lautes Fiepen und Jaulen allen zeigt.“
Insbesondere in Licht und Lärm sieht Eckard „eine große Bedrohlichkeit und Belastung für die Tiere“. Beim Bezirksamt Mitte hat er deshalb um „die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahr“ ersucht – dem Thalia Theater solle untersagt werden, die Tiere bei der zweiten Aufführung erneut einzusetzen.
Veterinäramt hat Szenen mit Hunden begutachtet
Erfolgsaussichten dürfte seine Beschwerde eher nicht haben, wie Sabine Seisenbacher, Sprecherin des Thalia Theaters, auf Abendblatt-Anfrage erklärt: „Die Vorstellung des Gastspiels ,Bros’ sollte am Donnerstagabend wie geplant stattfinden. Das Veterinäramt hat die Szenen mit den Hunden vor der ersten Vorstellung begutachtet und für die Aufführungen liegt eine Genehmigung vor.“
Rund 15-20 Zuschauerinnen und Zuschauer hätten die Vorstellung am Mittwochabend verlassen, „einen direkten Zusammenhang mit den Hunden können wir nicht bestätigen“.
Tatsächlich sei Castelluccis „Bros“ bereits in 30 Städten weltweit gezeigt worden. Die Hunde seien nach den gesetzlichen Tierschutzvorschriften eingesetzt worden, und es gab nach Angaben des Thalia Theaters bisher keine Anzeigen.
Die Schäferhunde sind professionelle Filmtiere
Die belgischen Schäferhunde, die in Hamburg auf der Bühne standen und stehen, sind professionelle Filmtiere vom Filmtierhof Elsässer und werden von einem Staffelführer betreut. Der bringt sie am Abend für drei Auftritte auf die Bühne, während der übrigen Vorstellungszeit halten die Tiere sich in einem ruhigen Garderobenbereich auf.
Die Szenen „konnten den Hunden in dieser Form zugemutet werden, da es sich um trainierte Filmhunde handelt, die an Schüsse und andere Geräusche gewöhnt sind“, bestätigt auch die zuständige Amtstierärztin. „Die Hunde zeigten eine gewisse Anspannung, wie sie in einer unbekannten Umgebung völlig normal ist. Das Führen an kurzer Leine gab den Tieren zusätzliche Sicherheit. Die Hunde waren zu keinem Zeitpunkt verängstigt oder verstört.“
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Anzeichen von Angst, wie etwa Zurückweichen, Zusammenzucken oder das Einklemmen der Rute, seien in ihrer Anwesenheit nicht sichtbar gewesen. „Das Bellen und Jaulen des einen Hundes ist eher im Sinne von freudiger Aufregung zu interpretieren“, so die Amtstierärztin.
Thalia-Vorstellung findet wie geplant statt
Auf sie verweist auch Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, über Beschwerden an anderen Spielorten der Produktion „Bros“ sei auch seiner Behörde nichts bekannt.
„Die fachliche Bewertung macht in diesem Fall eine Untersagung nicht erforderlich“, heißt es abschließend aus dem Veterinäramt.