Hamburg. Schaad bekam den Ulrich-Wildgruber-Preis beim Neujahrsempfang am St. Pauli Theater. Charly Hübner hielt eine rührende Laudatio.
Wenn der angeheiterte Großonkel sich anschickt, auf der Familienfeier ein launiges Gedicht vorzutragen, dann kann das schnell peinlich werden. Wenn aber Charly Hübner bei der Verleihung des Ulrich-Wildgruber-Preises an Dimitrij Schaad die Laudatio in Reimform hält, dann ist das nicht peinlich, sondern anrührend.
Nicht weil der Star aus dem Schauspielhaus-Ensemble ein begnadeter Lyriker wäre – auch bei Hübner stolpern die Verse nach dem Motto „Reim dich, oder ich fress’ dich“ durch das Leben des Geehrten. Sondern weil Hübner sich hier durchlässig macht, innerhalb der wie gewohnt unterhaltsamen, aber auch ein wenig staatstragenden Verleihung im Rahmen des Neujahrsempfangs am Sonnabend im St. Pauli Theater.
St. Pauli Theater: Dimitrij Schaad ausgezeichnet
„Das war dein Beginn: / München, Essen, Bochum – stark / Zogst dann nach Berlin / Hin zum Gorki – megastark“: Wenn man Schaads Karriere so zusammenfasst, dann hat man etwas verstanden vom Spaß, den Schauspiel machen kann. Von Versmaß hat man weniger verstanden, aber das ist an dieser Stelle auch nicht so wichtig.
Dimitrij Schaad wurde 1985 im Umland der kasachischen Großstadt Almaty geboren, als Achtjähriger kam er mit seiner Familie nach Deutschland, studierte Schauspiel in München und hatte sein erstes Engagement bei Anselm Weber in Essen. Mit dem er daraufhin ans Schauspiel Bochum wechselte, wo er die Titelrolle in Jan Klatas „Hamlet“-Inszenierung spielte.
In Bochum allerdings hatte 1977 auch Ulrich Wildgruber den Hamlet gegeben – ein atemberaubender Auftritt unter der Regie Peter Zadeks war das, ein Auftritt, mit dem Schaads Performance fortan verglichen werden sollte.
Dimitrij Schaad: ein „Extremschauspieler im positiven Sinn“?
Beinahe folgerichtig, dass der heute 37-Jährige jetzt den mit 10.000 Euro dotierten Preis erhält, nach schauspielerischen Schwergewichten wie August Diehl, Birgit Minichmayr und Fabian Hinrichs. Allerdings musste Schaad länger auf die Ehrung warten: 2021 und 2022 fiel die Preisverleihung aus, wegen Corona.
Was nicht nur Hausherr Ulrich Waller und Förderkreis-Vorstand Claus G. Budelmann bedauern. Eine ständig spürbare Erleichterung zieht sich durch die Veranstaltung: Erleichterung, dass endlich wieder Theateralltag möglich ist.
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Und immer wieder Zadek. Waller zitiert die Theaterlegende mit den Worten „Die spannendsten Schauspieler sind die, die in der Lage sind, mit dem Publikum zu spielen“, ein Satz, der auch auf Schaad passen dürfte. Dass dieser aber ein „Extremschauspieler im positiven Sinn“ sei, ist etwas weit hergeholt: Tatsächlich extrem spielt Schaad nicht, eher konzentriert, im Dienst von Regie und Stück.
Dazu passt, dass er verspricht, das Preisgeld vernünftig anzulegen – eine kleine Spitze auf den 2019er-Preisträger Franz Rogowski, der angekündigt hatte, sich von den 10.000 Euro ein Moped zu kaufen.
Pure Freude im St. Pauli Theater
Der übrige Neujahrsempfang: die pure Freude. Der Schlangenmensch Aleksandr Batuev zeigt eine Nummer aus dem aktuellen Programm im Hansa Theater, Victoria Fleer, Nadja Petri, Michael Rotschopf, Anneke Schwabe und Anne Weber singen Songs aus der jüngst am St. Pauli Theater zur gefeierten Premiere gebrachten „Dreigroschenoper“, Matthias Deutschmann gibt einen kurzen kabarettistischen Wasserstandsbericht, und Intendant Waller wagt einen Ausblick auf das kommende halbe Jahr, in dem unter anderem neue Stücke von Daniel Kehlmann und Yasmina Reza zu erwarten sind.