Hamburg. Marc-Uwe Kling sagt Realitätsverweigerern den Kampf an. Der zweite Teil ist sogar noch besser als der erste.
Stell dir vor, du gehst ins Kino und siehst erst mal gar nichts. Weil der Film in einem Dunkelrestaurant spielt. So beginnt „Die Känguru-Verschwörung“, der an diesem Donnerstag startet. Ein Blind Date, ganz wörtlich genommen. Zu der der Verliebte allerdings nicht nur seine Angebetete mitbringt. Sondern auch seinen chaotischen Mitbewohner, das Känguru. Das ruiniert mit einer Taschenlampe alle Romantik und auch die Geschäftsidee des Hauses. Weshalb sie rausgeworfen werden.
Kino Hamburg: „Die Känguru-Verschwörung“: Das Beuteltier ist zurück
Licht ins Dunkel – das ist im übertragenen Sinn aber auch das Programm des Films. Denn zu einem zweiten Date darf Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) Maria (Rosalie Thomass) nur ausführen, wenn es ihm gelingen sollte, ihre Mutter Lisbeth (Petra Kleinert) aus den Fängen von Verschwörungstheoretikern zu befreien. Die ist im Internet falsch abgebogen, leugnet die Klimakrise und propagiert diese Position als Influencerin auch lautstark in die Welt.
Das Beuteltier ist zurück. Marc-Uwe Klings Känguru hat erst die Buch-Charts erobert und dann auch die Bühnen, wo der Autor stets alle Rollen selbst spricht. Vor zwei Jahren startete dann auch der, bei diesem Tier muss man das so formulieren, Sprung auf die große Leinwand. Der sich in den ersten vier Tagen als sensationell erwies. Bis dann Corona kam, die Kinos schließen mussten und „Die Känguru-Chroniken“ eines der prominentesten Lockdown-Opfer wurde.
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Der Film von Dani Levy hat dann doch noch, durch seinen Einsatz in Autokinos und einem Zweitstart nach Wiedereröffnung, fast 800.000 Kinobesucher erreicht. Aber in normalen Zeiten hätte er wohl noch ganz andere Zahlen geschrieben. Zweieinhalb Jahre später kommt nun ein zweiter Teil in die Kinos. Und da hat der Autor- und Känguru-Erfinder Marc-Uwe Kling nicht nur wieder das Drehbuch geschrieben und dem Beuteltier seine kieksend verstellte Stimme geliehen, nein, er hat auch gleich Regie geführt. Obwohl er das noch nie zuvor getan hat.
„Die Känguru-Verschwörung“: Wider die Unvernunft der Querdenker
Und er hat das überraschend gut gemacht. Nie käme man auf die Idee, dass „Die Känguru-Verschwörung“ ein Debütfilm ist. Der zweite Teil ist sogar noch besser als der erste. Was nicht nur daran liegt, dass die Trickanimateure sich noch mal ins Zeug gelegt und das Titel-Tier noch lebensechter animiert haben. Nein, der Witz scheint in den Händen seines Autors doch besser aufgehoben als in denen von Levy, der nur durch seine Kinder zum Känguru gekommen war.
Und auch wenn schon der erste Teil mehr war als nur anarchistischer Quatsch mit einem Beuteltier, damals kämpfte das ungleiche WG-Paar gegen Gentrifizierung in Kreuzberg und einen fiesen Baulöwen, werden sie im zweiten Teil zu kämpferischen Rittern der Vernunft wider die Unvernunft der Querdenker. Weil sie Marias Mutter bekehren sollen, die in die Szene der Verschwörungstheoretiker abgedriftet ist, lauter Reichsbürger, Klimawandel- und Corona-Leugner, die alles glauben, was im Internet kursiert, aber Aufklärung darüber in Zeitungen als Meinungsfaschismus und Lügenpresse geißeln.
Der zweite Teil ist noch besser als der erste
Kling überhöht das satirisch, indem er sogar eine eigene Messe für Verschwörungstheoretiker erfindet, eine sogenannte Conspiracy Convention, kurz CoCon. Um dem Rest der Menschheit, der noch bei klarem Verstand ist, zu zeigen, in welchem Kokon sich dieses Konglomerat aus Querdenkern, Reichsbürgern, Impfgegnern, Klimawandelleugner und Aluhüteträger aufhalten. All diese werden im Film von einem Guru mit höchst martialischem Namen, Adam Krieger, angeführt, der von Benno Fürmann schön fies und berechnend gespielt wird. Die Besetzung ist auch ganz sinnig, spielt Fürmann in der „Babylon Berlin“-Serie, deren nächste Staffel ebenfalls bald ansteht, doch einen finsteren Ultra-Rechten, der auch da das System zu stürzen versucht.
So leicht ist es allerdings nicht für ein hoppelndes und ewig meckerndes Beuteltier, unerkannt auf eine Verschwörungstheoretiker-Messe zu gelangen. Zumal wenn es glaubt, mit Logik, gesundem Menschenverstand, Fakten und Beweisen irgendetwas bewirken zu können. Nein, schon macht eine neue Verschwörungstheorie die Runde, dass Kängurus die Menschheit unterwandern und austauschen wollen. Da kommt sogar Lynchstimmung auf.
Um aus der Bredouille zu kommen und zumindest die potenzielle Schwiegermutter aus dem Kreis der Querdenker zu befreien, hilft nur eines: Man muss sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Und eine neue, noch absurdere Theorie erfinden, die selbst Marias Mutter für Unsinn hält. Nur um zu beweisen, dass Verschwörungstheoretiker einfach alles glauben, wenn es nur mit dem nötigen Ernst propagiert wird.
Film mit vielen kleinen Gags gespickt
Auch der zweite Film ist wieder mit vielen kleinen Gags gespickt. Wenn eine Szene in der WG wie eine typische amerikanische Sitcom-Serie inszeniert ist, eingespielte Lacher inklusive. Wenn bei einer Bahnfahrt durch Deutschland im Hintergrund der Grand Canyon vorbeizieht. Oder die Hetzstimmung auf der CoCon durch ein Schnick-Schnack-Schnuck-Duell gelöst werden soll. Bevor der Film aber überhaupt losgeht, läuft erst mal ein Werbespot für eine Dating-App für Querdenker. Und danach der Trailer des fiktiven Films „Ritter versus Dinosaurier“.
Das nimmt dann schon voraus, worum es im Film gehen soll: Denn Marc-Uwe-Kling reitet hier gleich doppelt, stimmlich als Känguru und dann auch durch den von Schaad gespielten Marc-Uwe, als Don Quijote gegen die Mühlen der Verschwörungstheorien an. Dass man über verblendete Querdenker auch mal lachen darf, ist ein Trost. Dass man sie bekehren kann, bleibt wohl Wunschdenken.
„Die Känguru-Verschwörung“, ab 6 J., 103 min., läuft in der Astor Filmlounge, der Koralle, in den Cinemaxx- und UCI-Kinos, im Blankeneser, Hansa, SchanzenKino 73, Zeise und Holi.