Hamburg. Das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Leitung von Sakari Oramos und Geigerin Alina Pogostkina beeindruckten im Großen Saal.

Auf den ersten Blick scheint es ganz leicht, ein Streichquartett für ein Streichorchester zu bearbeiten. Man vervielfacht einfach die eigentlich solistisch besetzten Stimmen der ersten und zweiten Violine, der Bratsche und des Violoncellos eines solchen Kammermusikwerkes und fügt vielleicht noch ein paar Kontrabässe zur Unterstreichung der tiefen Lage hinzu.

Hört man allerdings die berühmte Streichorchester-Bearbeitung des russischen Bratschisten und Dirigenten Rudolf Barschai von Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110 wie am Donnerstag im Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters unter Sakari Oramos Leitung, wird man von der Kunstfertigkeit dieses exquisiten Bearbeiters schnell eines Besseren belehrt.

Elbphilharmonie: Schostakowitsch hinterließ seine Initialen in der Kammersinfonie

Barschai spielt geschickt mit den Klangbalancen eines üppig besetzten Streichorchesters, das er mal in sinfonischer Breite aufblühen lässt, aber ebenso schnell auch wieder verschlankt. An einigen Stellen spielen die Konzertmeister der Violinen oder der Celli ihre Stimmen sogar wieder solistisch und die übrige Gruppe schweigt.

Das als Kammersinfonie op. 110a ins Konzertrepertoire eingegangene Werk ist das bekannteste Stück einer ganzen Serie von Quartettbearbeitungen Barschais und es fußt auf jenem Streichquartett, das Schostakowitsch 1960 während eines Kuraufenthaltes in Gohrisch bei Dresden geschaffen und den Opfern des Faschismus und des Krieges gewidmet hatte. Mit dem Vierton-Motiv D-(e)s-c-h verwies er durch die aus diesen Tönen abzulesenden Initialen seines Namens aber auch in gewisser Weise auf sich selbst als Opfer von Repressionen in der Sowjetunion.

Sakari Oramo arbeitete die starken dynamischen Wellen und Akzente sowie ein Eigenzitat Schostakowitschs aus seiner Sinfonie Nr. 1 im ersten Largo ebenso prägnant heraus wie die Härten des aggressiv voranschreitenden Allegro molto mit seinen Schlägen und nervösen Geigenfiguren. Das D-S-C-H-Motiv tauchte in den Folgesätzen immer wieder auf, egal ob es mit einem bizarren Walzermotiv konkurrierte oder am Ende in einer fast verzweifelten Resignation versank.

Elbphilharmonie: Prokofjew als ein beinahe märchenhafter Gegensatz

Was für ein Kontrast war im Vergleich zu diesem tragischen Werk dann doch das nachfolgende Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 19 von Sergej Prokofjew mit der jungen, aus St. Petersburg stammenden Alina Pogostkina als Solistin. Wie schön fügte sich ihr Spiel in den hellen, verspielt-freundlichen Ausdruck dieses Werkes, wo sogar die Pauken zuweilen an leisesten Stellen zur Begleitung der Geige eingesetzt werden und die Solistin mit Kantilenen in höchster Lage von zartesten Flöten- und Harfensoli begleitet wurde.

Im wilden Scherzo musste die Geigerin mit der wunderbar schlanken Tongebung auf ihrem Instrument gegen eine brummelnde Bass-Tuba antreten und sich gegen freche Tamburin-Einwürfe behaupten, bevor im Finale alles wieder zur lyrischen Grundhaltung des Werkes zurückkehrte. Mit fröhlichen Bläser- und perlenden Harfenmotiven entfaltete das Violinkonzert hier fast die Wirkung einer Filmmusik zu einem Märchen.

Weitaus wuchtiger ging es schließlich in Leoš Janáčeks mitreißender Sinfonietta op. 60 zu, in der in letzter Reihe des NDR Elbphilharmonie Orchesters allein zwölf Trompeter und zwei Basstrompeter die Fanfaren bliesen. Der finnische Maestro Oramo hatte hörbar Freude an den rapiden Klangfarbenwechseln, der rhythmischen Energie und der eigenwilligen Harmonik in Janáčeks Musik, die für Gegenwartskomponisten bis heute als Impuls für die Moderne im 20. Jahrhundert gilt.