Hamburg. Der Hamburger Schauspieler Krystian Martinek schrieb fast 200 TV-Serien und -Filme. Jetzt spielt er erstmals in der Komödie Winterhude.

Die Umarmung mit dem Regisseur fällt an diesem Vormittag besonders herzlich aus. Man kennt und schätzt sich. Dabei hat Krystian Martinek gar nicht viel Zeit, um unter der Leitung Bernd Schadewalds mit seiner fernsehbekannten Kollegin Michaela May („Münchner Geschichten“, „Polizeiruf 110“) vor Ort in der Komödie Winterhuder Fährhaus zu proben. Zwei Tage sind es nur noch bis zur Premiere, die im etablierten Boulevardtheater ausnahmsweise am Donnerstag- und nicht wie sonst üblich an einem Freitagabend steigt.

„Für mich ist es ein Traum, hier zu spielen“, sagt Martinek, auch wenn das Banner zum Stück „Der Sittich“ an diesem Tag noch nicht über dem Eingang hängt. Unzählige Male sei er hier vorbeigegangen und habe daran gedacht, wie es wäre, hier aufzutreten. Er lebt schließlich seit mehr als vier Jahrzehnten in Hamburg und seit einigen Jahren im Stadtteil Winterhude. Jedoch hat er seit 40 Jahren nicht mehr als Schauspieler auf einer Bühne gestanden.

Lebhaft und anschaulich erzählt Martinek, wie er nach der Ausbildung und ersten Engagements am Schauspielhaus Bochum vom Regisseur Helmut Polixa 1975 vom großen Theater Koblenz ins Theater im Zimmer gelockt wurde – und zunächst dachte, die kleine weiße Villa in Alsternähe wäre seine Unterkunft. Das Stück „Seid nett zu Mr. Sloane“ im kleinen 100-Plätze-Haus der legendären Prinzipalin Gerda Gmelin wurde ein durchdringender Publikumserfolg.

Bei einer Aufführung vom Thalia bekam Martinek mehr Applaus als Intendant Gobert

Und der Jung-Mime konnte sich nach der Premiere vor Angeboten der anwesenden hanseatischen Intendanten-Prominenz kaum retten. Ob Friedrich Schütter vom Ernst Deutsch Theater, Ivan Nagel (Deutsches Schauspielhaus) oder Boy Gobert (Thalia) – alle wollten ihn. Krystian Martinek entschied sich fürs Thalia und war unter Gobert vier Jahre lang festes Ensemblemitglied im Haus am Alstertor.

„Wir haben später mit dem Ensemble und einem frühen Shakespeare-Klassiker sogar eine kleine Polen-Tournee gemacht, eigens mit einem Charter-Flugzeug“, erinnert sich Krystian Martinek. „Und Gobert hat sich dort dann gewundert, dass ich am Ende einer Aufführung mehr Applaus bekommen habe als er.“ Der Grund: In seinem Geburtsort Warschau saß fast die ganze Familie Martinek im Theatersaal, erzählt er lachend.

Weshalb es dennoch für ihn nicht mit dem Theaterspielen weiterging? „Fernsehen!“, antwortet Krystian Martinek lapidar. „Dabei konntest du an einem Tag so viel verdienen wie am Thalia in einem Monat.“ Schon im Jahr 1982 kam er in Imo Moszkowicz’ TV-Film „Ein Winter auf Mallorca“ in der Rolle des Frédéric Chopin groß raus.

Die beste Geschichte: Martinek fuhr mit Helmut Schmidt in der Kanzler-Limousine zum Essen

Zuvor hatte sich der Schauspieler in Hamburg noch das eine oder andere unkonventionelle Soloprojekt geleistet, etwa „Mich“, einen Abend ohne Programm, für den Martinek seine Original-Wohnungseinrichtung auf die Bühne des Ernst Deutsch Theaters verfrachtete und das Publikum zum Mitspielen animieren wollte. Auf dem Heiligengeistfeld veranstaltete er eine Zelt-Show namens „Hotdog und Champagner in bleierner Zeit zu Maria Empfängnis“, die er schon damals mit dem Untertitel „Fantasy-Fashion-Show“ wegweisend charakterisierte.

Die beste Geschichte aber handelt von Helmut Schmidt. Der damalige Bundeskanzler war mit seiner Frau „Loki“ regelmäßig Gast im Thalia Theater, doch als das Thalia im November 1977 mit dem Stück „Palme oder der Gekränkte“ das Bergedorfer Theater Haus im Park von Schmidts Freund Kurt A. Körber und dessen Stiftung einweihte, langweilte sich Schmidt während der vier Stunden offenbar, vor allem bekam er Hunger. Und fragte den Schauspieler, ob er nicht Lust habe, mit ihm und seiner Frau im Bistro Jacques zu essen.

„Dann fuhren wir in der Kanzler-Limousine los von Bergedorf an die Rothenbaumchaussee“, erzählt Martinek genüsslich. Dorthin, wo an der Ecke Johnsallee jetzt seit Jahrzehnten das Restaurant Brodersen steht. Der Schauspieler: „Ich bin dann erst mal ausgestiegen, rein ins Lokal, habe mit dem Chef gesprochen und gesagt: ,Draußen wartet der Bundeskanzler. Hast du noch einen Tisch frei?“ Er hatte. Zum Glück für Martinek.

Martinek: „Ich habe Sascha Hehn das Fliegen beigebracht“

Die Liste seiner prominenten Bekannten und Freunde ist fast so lang wie die der von ihm geschriebenen Drehbücher. Dabei war im Fernsehen erst mal nur sein Schauspiel gefragt: „Ich habe Sascha Hehn das Fliegen beigebracht“, erinnert sich Martinek etwa an seine Rolle als Fluglehrer neben dem TV-Liebling im 80er-Jahre-ZDF-Dauerbrenner „Schwarzwaldklinik“. Im „Hotel Paradies“ ließ Martinek es sich Ende der 80er zwei Jahre lang auf Mallorca gutgehen. „Doch da habe ich irgendwann gemerkt, ich möchte auch selber schreiben“, sagt er. Fast 200 Bücher für Serien und Fernsehfilme sind es bis heute.

Seinen Durchbruch erlebte er dank des ZDF-Fünfteilers „Schulz & Schulz“ mit Götz George in einer Doppelrolle als durch die Mauer getrennte Zwillingsbrüder. Mit seinem Co-Autor Neithardt Riedel hatte Martinek die erste Folge 1989 noch vor der Wende geschrieben – mit der Wiedervereinigung nahmen die weiteren Folgen dann auf die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen aktuell in Ost und West Bezug.

Seine Serie „Ein starkes Team“ läuft noch immer im ZDF-Abendprogramm

Mit Riedel schrieb er auch die Komödie „Ein Mann für meine Frau“ (1992, mit Iris Berben und Robert Atzorn) und die Serie „Zwei alte Hasen“. Martinek trat an Stars wie Inge Meysel, Heinz Schubert und Harald Juhnke heran, um zu ergründen, was diese gern im Fernsehen noch mal spielen würden. Und die von Martinek Mitte der 90er-Jahre miterdachte und ein Jahrzehnt lang von ihm mitgeschriebene Krimiserie „Ein starkes Team“ (mit Stefanie Stappenbeck und Florian Martens) läuft noch immer im ZDF-Abendprogramm. Für die Reihe „Das Traumhotel“ schrieb er bis 2013 ebenfalls nahezu zehn Folgen.

Als er 2021 mal wieder als Darsteller fürs Fernsehen drehte, eine Episode der ZDF-Reihe „Kreuzfahrt ins Glück“, schlug ihm seine Spielpartnerin Michaela May das Stück „Der Sittich“ für die Bühne vor. Aus der anfänglichen Skepsis („Zwei Stunden Text mit nur einer Partnerin – so was traute ich mir nicht mehr zu“) ist bei Martinek, das ist spürbar, längst eine neue Lust am Theater erwachsen.

Auf Tournee und vor einem Jahr in der Komödie im Bayerischen Hof haben May und Martinek die französische Beziehungskomödie als älteres Paar inzwischen rund 140-mal gespielt. „Das Stück ist toll, es hat ständig überraschende Veränderungen und sehr viele Gags“, sagt der Schauspieler und Autor, der 2008 bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg selbst Regie geführt hatte. Dass Mays Ehemann Bernd Schadewald „Der Sittich“ inszeniert, steigert den Spaß am Spiel noch.

Seine dritte Ehefrau, die Drehbuchautorin Hilly Martinek („Honig im Kopf“), mit der er drei inzwischen erwachsene Kinder hat, hat beruflich ihr eigenes Ding gemacht. Von seiner Theaterarbeit hat sich Krystian Martinek jüngst inspirieren lassen, ein eigenes neues Bühnenstück zu schreiben, Titel: „Ein besseres Leben“. Er muss es jetzt nur noch den Theatern verkaufen. „Die werden es schon haben wollen“, ist der Profi überzeugt.

Vielleicht ja im umgekehrten Sinn ein Geschenk für den frischen Opa zu seinem 75. Geburtstag im April. Ein Alter, das man diesem kreativen Kopf nicht ansieht.

„Der Sittich“ Premiere Do 12.1., 19.30 Uhr, bis 28.2, (außer Mo), Komödie Winterhuder Fährhaus, Hudtwalckerstraße 13, Karten zu 25,- bis 43:,- unter T. 48 06 80 80; www.komoedie-hamburg.de