Hamburg. Schauspielerin brilliert an der Seite von Krystian Martinek in der Komödie „Der Sittich“. 30 Ehejahre haben Spuren hinterlassen.

„Mein Vater hatte von Anfang an Recht.“ Sagt Sie. Und fällt ein vernichtendes Urteil über Ihn. Einen Vornamen haben die beiden Hauptfiguren in Audrey Schebats Komödie „Der Sittich“ nicht. Sie sind einfach Sie und Er. Weil die beiden stellvertretend für andere Paare stehen, die ähnliche Eheprobleme haben, die irgendwann aufbrechen und zu Beziehungsdramen werden.

Sie (Michaela May) erkennt nach 30 Jahren Ehe, dass Er (Krystian Martinek) einen Haufen Fehler hat, die ihr Vater bereits vor der Eheschließung bemerkte. Aber welche Tochter lässt sich schon reinreden, wenn da ein so eloquenter, attraktiver Jurist um die Ecke biegt, der charmant ist und eine große Karriere vor sich hat? Nach 30 Jahren ist von diesem Zauber allerdings nichts mehr übrig, und das zeigt die französische Autorin in ihrem Stück.

„Sittich“: Endlich wieder ausverkauftes Fährhaus

Mit dem „Sittich“ feiert die Komödie Winterhuder Fährhaus nach schwierigen Pandemie-Zeiten wieder eine ausverkaufte Premiere und das mit einem Boulevard-Stück, das vom Publikum begeistert aufgenommen wird. Das liegt zum einen am von Bernd Schadewald inszenierten Stück, das nach der Pause im dritten Akt so richtig Fahrt aufnimmt, und zum anderen an den beiden hervorragend spielenden Akteuren Michaela May und Krystian Martinek.

Zwar steckt der „Sittich“ voller Klischees über Ehen und männliches Verhalten, doch leider steckt auch viel Wahrheit darin. Frauen werden immer noch schlechter bezahlt, werden gern auf die Rolle als Mutter und Hausfrau reduziert und wissen angeblich sowieso nicht, was in der Welt alles passiert.

Michaela May im „Sittich“: Sie ist die Stärkere

So geht auch Er mit seiner Gattin um. Krystian Martinek spielt seine Figur als einen selbstherrlichen Mann, der gern herumschwadroniert, seiner Frau nicht zuhört und auch ihre unmissverständlichen Zeichen nicht versteht. Er befiehlt, wann Sie zu Bett zu gehen hat, Er bricht Diskussionen brüsk ab, und wenn es heikel wird, entkorkt Er noch eine Flasche Wein.

Dem Publikum wird schnell deutlich, dass Sie inzwischen die Stärkere in dieser Beziehung geworden ist. Michaela May, eine der renommiertesten deutschen Film- und Fernsehschauspielerinnen, setzt ihre gesamte Klaviatur ein, um ihre Figur plausibel zu machen. Sie ist eine lange unterdrückte Frau, die trotz Jurastudiums sich um den längst erwachsenen Sohn gekümmert hat, die keine Karriere machen durfte, aber nun aufbegehrt und ihre Rolle ablegt.

„Sittich“: Triumphzug einer überlegenen Frau

Als Vorbild gilt ihre Freundin Cathérine, die in einem kleinen Laden Vögel verkauft – was dem Stück auch den Titel gibt. Cathérine ist selbstständig und besitzt eigenes Geld. Er macht sich darüber lustig und erklärt Ihr dass ein Kakadu zehn Wellensittichen entspricht. Immer wieder baut Schebat in die Dialoge kuriose Vergleiche ein wie die Unterteilung eines männlichen Körpers in einen Nordteil mit Kopf und Herz und einem Südteil mit Füßen und Penis.

Als die Sprache auf eheliche Treue kommt, sagt Er: „Ich habe dich nie betrogen. Niemals.“ Doch Er muss einräumen, dass sein Südteil manchmal eigene Wege gegangen ist, zuletzt mit einer jungen Assistentin. Das Publikum hat viel Spaß an diesem Schlagabtausch, der kein Krieg zwischen gleichwertigen Gegnern ist. Es ist vielmehr der Triumphzug einer überlegenen Frau hin zu einer selbstbestimmten Zukunft.

„Der Sittich“ Komödie Winterhuder Fährhaus, läuft bis 28.2.; komoedie-hamburg.de