Hamburg. Paul Glaser inszeniert am English Theatre das Drama „The Pride“ Alexi Kaye Campbell. Das Casting fand in London statt.

Die Besetzung steht. Drei Schauspieler und eine Schauspielerin werden am Neujahrstag von London nach Hamburg fliegen, um am darauffolgenden Tag mit den Proben für „The Pride“ zu beginnen.

Für Regisseur Paul Glaser war die Auswahl für die vier Rollen ein aufwendiger Prozess. 600 Schauspieler hatten sich für das Stück von Alexi Kaye Campbell beworben. „Bei ,Great Expectations‘, mit dem wir die Saison eröffnet haben, waren es sogar mehr als 1000“, erzählt Glaser, neben Clifford Dean Leiter des English Theatre. Er hat sich jeden Lebenslauf der Bewerber angeschaut und Hunderte von Videos, die sich auf „Spotlight“ finden.

„The Pride“: 600 Bewerber für vier Rollen

Das ist die britische Plattform, auf der Schauspieler ihre Vita und ihre Fähigkeiten präsentieren, ähnlich der deutschen „Stagepool“-Website. „Es waren sehr viele Akteure dabei, die häufig in Film und Fernsehen besetzt werden. Eine Schauspielerin hatte eine größere Rolle in ,The Crown‘, ein anderer war in jeder ,Harry Potter‘-Verfilmung dabei“, so Glaser. Trotz dieser Popularität hat Glaser sich für andere Schauspieler entschieden: „Ich nehme immer die Besten für die Rollen.“

Um zu sehen, wer die Besten sind, reist Glaser stets für das Casting nach London. 15 Bewerber pro Rolle kommen dann zum Vorsprechen, in der zweiten Runde werden sie zu Ensembles zusammengestellt, damit Glaser sehen kann, ob sie harmonieren: „Manchmal erkennt man sehr schnell, ob jemand passt oder nicht. Dann wird er schon nach ein bis zwei Minuten wieder rausgeschickt. Aber das muss kein schlechtes Zeichen sein. Der Casting-Assistent sagt ihnen dann, ob sie mit einem Callback, also einem Rückruf, für die zweite Runde rechnen können.“

Engagements beim English Theatre sind für britische oder irische Schauspieler attraktiv

Glaser lobt die hohe Qualität der Schauspieler, die an renommierten Schulen ausgebildet worden sind. „Es fällt mir oft schwer, mich zu entscheiden, weil die Ausgewählten alle auf hohem Niveau spielen. Aber die tatsächliche Begegnung lässt erst Rückschlüsse über ihr Können zu, über Videos ist das nicht möglich.“

Engagements beim English Theatre in Hamburg sind für britische oder irische Schauspieler attraktiv, weil sie hier in Hauptrollen besetzt werden, die sie an den Londoner Westend-Theatern selten bekommen. Denn die dortigen großen Bühnen besetzen aus einem nur kleinen Pool mit großen und populären Stars. „Es macht sich gut im Lebenslauf, das eine oder andere erfolgreiche Stück in seinem persönlichen Repertoire zu haben, um sich damit wieder für andere Rollen bewerben zu können“, erläutert Glaser. Seit dem Brexit sind die Arbeitsbedingungen für britische Bürger in Deutschland jedoch limitiert. Briten dürfen nur noch maximal 90 Tage in der EU arbeiten. Für das English Theatre bedeutet das reduzierte Proben und eine maximale Laufzeit der Stücke von sieben bis acht Wochen. Nach dem Probenbeginn von „The Pride“ läuft das Drama dann vom 23. Januar bis zum 25. März.

In dem 2008 in London uraufgeführtem Stück geht es um eine Dreiecksgeschichte zwischen Oliver, Philip und Sylvia im Jahr 1958. Philip ist mit Sylvia verheiratet, fühlt sich aber zu Oliver hingezogen. Sylvia liebt beide Männer. Eine ähnliche Kon­stellation gibt es gerade in einem Film mit Harry Styles. In „My Policeman“ (bei Amazon Prime) spielt der Popsänger einen verheirateten Polizisten, der sich in einen Kurator verliebt. „Ich war von dem Film überrascht, weil er viel Ähnlichkeit zu unserem Stück hat“, sagt Paul Glaser.

Das English Theatre importiert angelsächsische Literatur und Kultur

Der Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe ist weiterhin ein aktuelles Thema, insofern befindet Glaser sich mit seiner Stückauswahl auf der Höhe der Zeit. Für die Rolle der Sylvia hat er Lisa O’Connor ausgewählt, in England bekannt, weil sie in der populären BBC-Serie „Call The Midwife“ mitgewirkt hat. „Auch die anderen drei sind toll, haben aber nicht sehr viel im Fernsehen gemacht.“

Glaser und sein Theater wollen sich in Zukunft inhaltlich breiter aufstellen. Es wird weiter Klassiker wie Charles Dickens’ „Great Expectations“, Krimis und Komödien geben, aber aktuelle Zeitstücke sollen vermehrt im Programm zu finden sein. „The Pride“ ist nur ein Beispiel, für die nächste Spielzeit plant Glaser mit „Admissions“ von Joshua Harmon. Ein Drama, in dem es um Diversität an amerikanischen Hochschulen geht.

„Wir haben wegen der Corona-Zeit unser Theater umgebaut und unser Foyer vergrößert. Wir möchten den Gästen die Möglichkeit geben, sich vor oder nach dem Stück auszutauschen, und wollen besonders die immer größer werdende Gemeinschaft englischsprachiger Menschen ansprechen“, so Glaser. Dazu gehört auch, dass an der Bar spezielle Drinks und Snacks angeboten werden, die typisch für Großbritannien und die USA sind, wie „sausage rolls“, also Würstchen in Blätterteig, oder die süßen Mince-Pie-Törtchen.

Das English Theatre importiert angelsächsische Literatur und Kultur nach Hamburg, aber es will gleichzeitig auch exportieren. „Ich führe immer wieder Gespräche mit Londoner Theatern und Produzenten, um unsere Inszenierungen im Anschluss noch am Westend unterzubringen.“ Das hat zum Beispiel vor der Pandemie mit „Thrill Me“ geklappt, das nach Hamburg im Jermyn Street Theatre lief, zwei Gehminuten vom Piccadilly Circus entfernt. Auch bei „The Pride“ ist Glaser zuversichtlich, dass er die Inszenierung weiterverkaufen kann. Aber erst einmal muss in Hamburg Premiere gefeiert werden, und davor liegen intensive Proben. Glaser verspricht: „Nach Neujahr geht’s mit Volldampf los.“

„The Pride“ 23.1. bis 25.3., English Theatre, Lerchenfeld 14, www.englishtheatre.de