Hamburg. Mit ihrem Roman liefert Sigrid Behrens eine gnadenlose Milieustudie ab. Die Geschichte einer Paarbeziehung – messerscharf analysiert.
Sigrid Behrens’ „Gute Menschen“ könnten auch in Eimsbüttel leben. Oder in Winterhude. Diese Sorte „kluge Menschen“, verständige, ästhetische, die beim Wein zusammensitzen, auch spontan. Man hat Kinder, ist jünger, als es die eigenen Eltern je waren, plaudert über Urlaubspläne und früher, über Möbel und manchmal über Weltpolitik, vor allem, als die Flüchtlinge kommen. Man könnte doch, man sollte mal. In den guten Menschen stecken die „Gutmenschen“.
Im Zentrum: Andreas, Zahnarzt-Praxisgründer, und seine Frau Claire, Typografin. Die sonnenlichtdurchflutete Küche, „Inbegriff des guten Geschmacks“, der große Esstisch, eine Investition in das gemeinsame Leben, Symbol der geselligen Abende und kollektiven Erinnerungen.
Buchtipp: Geschichte einer Paarbeziehung
Einmal haben sie alle gemeinsam auf diesem Tisch getanzt, zu sechzehnt, „und das Ding sah danach immer noch aus wie neu“, wie die derart beneidenswerte Beziehung von Claire und Andreas mit ihrer perfekten Familie immer wie neu wirkte, „die sind halt ’ne Bank.“ „Alles gut.“ Dachten alle! Unter anderem Andreas. Claire dann irgendwann nicht mehr. Sie geht.
Hier steigt Behrens ein. Ihr neuer Roman schaut unter die coole Oberfläche, es ist die Geschichte einer Paarbeziehung, messerscharf analysiert von ihrem Ende her, lakonisch im Ton – und vielstimmig. Zu Wort kommen nicht nur Claire und Andreas, deren Gedanken mäandern, sondern in pointierten Schlaglicht-Dialogen immer wieder auch der Freundeskreis und die Eltern.
Buchtipp: Behrens zeichnet das urbane Milieu
Sehr genau – mal liebevoll, mal bisschen spöttisch, immer entlarvend – zeichnet Behrens das urbane Milieu und fängt fast beiläufig die noch existenziellere gesellschaftliche Verschiebung ein. Das Ende einer Beziehung und das Ende einer Zeit, in der sich gerade die „guten“ Menschen viel zu bequem eingerichtet hatten. Bis Claire ausbricht, in eine neue Realität.
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Vielleicht lässt man die Feiertage lieber hinter sich, um dieses durchaus gnadenlose, schöne, ehrliche, schmale Buch zu lesen? Aber lesen sollte man es, unbedingt.
Sigrid Behrens liest am 12.1. in der Buchhandlung cohen + dobernigg, am 29.1. beim Hamburger Literatur-Quickie im Tafelspitz und am 2.2. auf der Ham.Lit im Uebel & Gefährlich