Hamburg. Das New Yorker Kammerorchester „The Knights“ kommt für zwei Konzerte in die Elbphilharmonie – mit seinem „Kreutzer Project“.
Exklusive Erkennungszeichen – Schwert-Tattoo auf dem Unterarm oder so – haben sie nicht. Die Idee des „jeder für alle und alles für vieles“ jedoch, die ist prägend für das New Yorker Kammerorchesters The Knights. Ende der 1990er haben die Brüder Eric und Colin Jacobsen aus einer Laune und dem elterlichen Wohnzimmer in Brooklyn heraus eine musikalische Ritter-Runde gegründet. Sie wollten anders sein, anders und anderes spielen, mehr Spaß, weniger Ernst, volle Hingabe, volles Risiko. Eine Gratwanderung zwischen Indie- und Opus-Mentalität.
Etliche Erfolge, eine Corona-Pandemie und eine Trump-Amtszeit später gibt es die Knights immer noch. Anders, von der Gegenwart gerupft, aber nach wie vor die Trampelpfade der Klassik-Branche vermeidend, wollen sie wieder raus unter Menschen. „Musiker wollen nun mal unbedingt auftreten. Vielleicht bin ich ein Optimist, aber in den nächsten fünf Jahren wird es um Kreativität und Fantasie gehen, als Mittel gegen die Angst.“
Elbphilharmonie: Knights gaben 2017 ihr Debüt
Die Publikumssituation ist von Ort zu Ort anders, je nachdem, wie lang die Zwangspause war. „Ich hoffe, dass das Interesse an unserer Kunstform nicht schwindet. Wir müssen andere Anstrengungen als bisher unternehmen, um Publikum zurückzugewinnen. Ich bin zögernd optimistisch.“Unvergessen, wie die Knights 2017 bei ihrem Elbphilharmonie-Debüt in ein Brandenburgisches Konzert von Bach einen Pop-Klassiker von Paul Simon hineinschoben, eine Geigerin-Singer-Songwriterin in Converse-Turnschuhen sang „American Tune“, danach ging es cool weiter im barocken Urtext.
Jetzt kommen die US-Ritter wieder in die Stadt, mit ihrem „Kreutzer Project“, einer Mischung aus einer konzertartigen Orchestrierung von Beethovens Violinsonate, die wiederum Tolstoi zur gleichnamigen Novelle inspirierte, die Anregungsfunken für ein Streichquartett von Janácek war, das ebenfalls umarrangiert wurde, und dazu Zeitgenössisches. Klingt theoretisch alles viel komplexer, als es praktisch sein dürfte.
„Wir leihen uns diese Musik aus"
„Ich bin mir total sicher, dass Beethoven diesen Umgang mit seinem Stück gutheißen würde“, sagt Ericson und schwärmt von den neuen Klangfarben. „Wir leihen uns diese Musik aus und verpassen ihr einen anderen Dreh – aber absolut in der Tradition und der Pracht der klassischen Musik, aus der wir stammen.“ Dieser Jacobsen ist von Haus aus Cellist und Chefdirigent von gleich drei Orchestern an der US-Ostküste, viel unterwegs, im Interview-Zoom-Fensterchen wischen New Yorker Wolkenkratzer am Autofenster vorbei. Als die Knights sich wieder zurückmeldeten, hatten sie nichts absagen müssen, weil ihnen die Sponsoren trotz Coronakrise keine Striche durch Rechnungen gemacht hatten.
Warum haben immer noch so viele in den konventionelleren Gegenden der Klassik-Branche Angst davor, Neues zu wagen, andere Konzepte, weniger Erwartbares? Das ließe sich mit dem Mangel an Spielgeld erklären, vermutet Ericson. Eine Pharma-Firma oder ein Start-Up hat schon mal die eine oder andere Million für Versuche übrig. „Wir in der Kunst-Welt können das nicht. Wir suchen kalkulierte Risiken. Man geht sie ein, aber hat auch andere Dinge, die notfalls etwas wieder ausgleichen können.“
Elbphilharmonie: Was Knights-Konzerts speziell macht
Und, wie wird man ein Knight? Ordentlich das Vorspielen überstehen, oder mindestens drei durchsumpfte Nächte in einer Eckkneipe mit den anderen? „Turniere überleben, unbedingt!“, witzelt Ericson zurück, aber, im Ernst, das sei wie mit einem Abendessen: Man überlegt sich gut, wer da interessant passen könnte. Kurz gesagt: Man muss schon eingeladen werden. Bewerben ist möglich, dann ist der Lackmus-Test eine Runde Kammermusik.
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Was ein Knights-Konzert so speziell macht, warum da sein statt zuhause vor der x-ten Netflix-Serie? „Ich hoffe, dass das, was wir tun, die Menschen auf zugängliche Weise herausfordert, ihnen Freude bereitet – und ihnen immer auch etwas gibt, womit sie wirklich nicht gerechnet haben. Ich will Erinnerungen schaffen. Die Leute sollen danach sagen: Gott, bin ich froh, dass ich nicht auf dem Sofa geblieben bin!“
Konzerte: 25. / 26.10, jeweils 20 Uhr, Elbphilharmonie, Gr. Saal, mit Ray Chen (Violine).