Hamburg. Reza Afisina und Iswanto Hartono nehmen nach Protesten zu Antisemitismus-Vorwürfen Stellung und führen ihren ersten Workshop durch.
„Wir, Reza Afisina und Iswanto Hartono, möchten gegenüber allen Hamburgerinnen und Hamburgern ganz klar zum Ausdruck bringen: Wir sind keine Antisemiten. Wir sind keine Feinde des Staates Israel. Wir wollen aufstehen gegen Rassismus, Diskriminierung, Gewalt und Unterdrückung von Menschen auf der ganzen Welt.“ Diese Erklärung gaben die beiden Mitglieder des indonesischen Kollektivs ruangrupa am Donnerstag ab, bevor sie ihre erste Veranstaltung als Gastprofessoren an der Hochschule für bildende Künste abhielten.
Längst ist ihre Berufung, die über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ermöglicht wurde, zu einem Politikum geworden. Tage bevor Afisina und Hartono in Hamburg eintrafen, wurde öffentlich darüber diskutiert, ob es ethisch vertretbar sei, nach den Geschehnissen während der documenta fifteen ausgerechnet diesen beiden einen Lehrauftrag an der Hochschule zu geben.
ruangrupa-Künstler: Fegebank forderte Ausladung
Schließlich waren sie mitverantwortlich dafür, dass auf der Ausstellung Kunstwerke mit antisemitischen Bildelementen gezeigt wurden. Auch wenn das riesige Banner von Taring Padi, das unter anderem einen Schweinskopf mit einem Judenstern darstellt, umgehend wieder abgebaut worden war, die Künstler sich öffentlich entschuldigt hatten, blieb der Eindruck, die Kuratoren hätten eben diesem Gedankengut Raum gegeben.
Auch der Hochschule für bildende Künste (HfbK) wird dieser Vorwurf gemacht, weswegen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) „keinen Millimeter Toleranz für Antisemitismus“, die jüdische Gemeinde Hamburg gar die Ausladung der Künstler forderte. Auch im Kollegium und unter den Studierenden gäbe es mittlerweile Stimmen, die sich gegen die Professoren richteten, so Köttering. Eine Kleine Anfrage der CDU verlange gar von ihm einen schriftlichen Nachweis, dass die Gastprofessoren keine Antisemiten seien.
Lautstarke Proteste bei Semestereröffnung
Bei der Semestereröffnung am Mittwoch war es zu lautstarken Protesten im Hörsaal der Hochschule gekommen. Präsident Martin Köttering wurde als „Antisemit“ bezeichnet und aufgefordert „die Nazis rauszuschmeißen“. Unter den Protestierenden waren Mitglieder des Jungen Forums der Deutsch-Israelitischen Gesellschaft. Nach rund 40 Minuten wurde die öffentliche Veranstaltung beendet.
Ihren Start in Hamburg erleben Reza Afisina und Iswanto Hartono mit „gemischten Gefühlen: Wir sind einerseits glücklich hier zu sein, um einen konstruktiven, künstlerischen Beitrag an der Hochschule zu leisten und Teil dieser Familie zu sein, die uns sehr herzlich empfangen und sich für unsere Arbeit stark gemacht hat. Wir fühlen uns verantwortlich den Studierenden gegenüber. Aber mit Blick auf die Ereignisse am Mittwoch muss ich sagen, dass wir traurig sind, auf diese respektlose Weise empfangen zu werden“, sagt Afisina, der ebenso wie sein Kollege erschöpft von den Ereignissen der vergangenen Monate wirkt.
Präsentation in diesem Kontext ein „Fehlschlag“
Sie seien in Sorge, dass ihre künstlerischen Positionen „aufs Spiel gesetzt“ würden, so wie es in Kassel bereits geschehen sei. Im Zentrum ihrer Arbeit stehe der „Kampf und das Überleben in der New Economy“, und dieses Thema sei überall zu verorten. Es sei nicht sinnvoll, sich gegenseitig zu beschuldigen, denn „wir alle leben im gleichen Ökosystem“.
Iswanto Hartono bezieht sich direkt auf die Vorwürfe und das Banner, das in Kassel abgehängt wurde: „Hätten wir antisemitsche Motive, wären wir nicht ausgewählt worden, die documenta fifteen zu kuratieren, und wir wären auch nicht von der Hochschule eingeladen worden, hier zu lehren. Wir kannten die Künstler von Taring Padi schon seit vielen Jahren. Das Werk ,People’s Justice’ wurde 2002 als Protest gegen das 40 Jahre andauernde autoritäre Regime in Indonesien geschaffen. Einzelne Bildelemente beziehen sich auf die Verstrickung westlicher Akteure in dieses Regime. Es war nicht die Intention der Künstler, die Menschen in Deutschland zu provozieren oder zu verletzen.“ Und doch war die Präsentation in diesem Kontext ein „Fehlschlag“, so Hartono.
ruangrupa-Künstler führten ersten Workshop durch
Während ihres Aufenthalts am Lerchenfeld wollen die Künstler einen offenen Dialog anbieten, um auch die Ereignisse der documenta einzuordnen. „Wir können das Problem nicht lösen, auch die Hochschule kann es nicht, und in Indonesien können wir das Problem auch nicht lösen“, sagt Afisina, „aber wir können es ganzheitlich, als Kollektiv betrachten, ein Bewusstsein dafür schaffen und zu konstruktiven Gesprächen anregen. Antisemitismus ist kein deutsches Problem, sondern eins der ganzen Welt. Unsere Aufgabe ist es, zu gucken, welchen Beitrag zeitgenössische Kunst leisten kann.“
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Beim ersten Workshop, den Reza Afisina und Iswanto Hartono am Donnerstag an der HfbK abhielten, waren die Ereignisse während der documenta fifteen oder Antisemitismusvorwürfe gegen die Gastprofessoren kein Thema. 20 Studierende aus Deutschland, Dänemark, Polen, Taiwan, Südkorea und China saßen in einem Atelier im Stuhlkreis zusammen, stellten sich einander vor und plauderten mit ihren Dozenten unter anderem darüber, was sie zum Frühstück gegessen hatten.
Fast konnte man die ruangrupa-Künstler aufatmen hören.