Hamburg. Die Schauspielerin spricht über den Film „Triangle Of Sadness“, in dem sie nur drei Worte spricht, und ihre Liebe zu Hamburg.

Der Film „Triangle Of Sadness“, der in Cannes die Goldene Palme gewann, erlebte beim Filmfest Hamburg seine Deutschlandpremiere. Regisseur Ruben Östlund kam zur Vorführung und brachte seine Darstellerinnen Iris Berben und Sunnyi Melles mit. Berben, die in Hamburg aufgewachsen ist, spielt eine Frau, die nach einem Schlaganfall eine Sprachstörung erlitten hat. Alles, was sie noch sagen kann, ist: „In den Wolken“. Das macht sie im Filmverlauf sehr häufig und jedes Mal anders. „Triangle Of Sadness“ kommt an diesem Donnerstag in die Kinos.

Frau Berben, haben Sie im Laufe Ihrer langen Karriere jemals eine Rolle mit so wenig Text gehabt?

Iris Berben: Nein. Man muss aber mit diesem Satz mehrere ganz unterschiedliche Befindlichkeiten ausdrücken.

Das ist Ihnen gelungen.

Berben: Danke! Aber ich finde überhaupt den ganzen Film sehr gelungen.

Wie hat die Zusammenarbeit mit Ruben Östlund funktioniert? Sie kannten einander vorher ja gar nicht.

Berben: Ich kannte selbstverständlich seine Filme. Als ich hörte, dass ich für Probeaufnahmen in die Auswahl gekommen bin, bin ich natürlich gerannt. Ich war damals in Cannes, als er dort „The Square“ gezeigt hat. Dann habe ich mir alles von ihm angesehen, und er ist mir vertraut geworden. Als der Anruf kam, dachte ich: Das wäre jetzt einer der schönsten Momente, mit diesem Regisseur zu drehen. Wenn man in seine Filme schaut, sieht man, welche Arbeit er mit Schauspielern leistet. Man vergisst ja, dass es Schauspieler sind. Man sieht bei ihm Menschen, die man auch sonst kennt. Es ist fast, als wären sie in ihrem Alltag gefilmt worden.

Sie mussten an Bord der Yacht auf ganz engem Raum mit vielen Kollegen agieren. Hat das alles geklappt?

Berben: Ja, denn Ruben nimmt sich viel Zeit. Auch für jeden Take, den er dreht.

Wie viele macht er denn so?

Berben: 50. Das war für alle von uns Neuland. Man stellt sich irgendwann die Frage: Kann ich es nicht? Erfülle ich seine Anforderungen nicht? Aber er geht einen ganz anderen Weg. Er will dich ein bisschen aus deinem Sicherheitsnetz lösen. Er will dich so pur, wie es überhaupt nur geht. Wenn sich jemand so viel Zeit für seine Figuren nimmt, ist das schon außergewöhnlich.

Wird man da nicht irgendwann bockig und hat keine Lust mehr?

Berben: Nicht bockig, aber verunsichert. So ging es aber so gut wie allen meinen Kollegen.

Haben die Dreharbeiten unter Corona-Einfluss gestanden?

Berben: Ja. Als wir in Schweden gedreht haben, war in Deutschland der erste Lockdown. Die Nachrichten auf meinem Tablet sagten mir: Deutschland macht zu. Und wir drehten mit 200 Komparsen im Studio auf einem nachgebauten Schiff. Es war, als wäre die Welt draußen geblieben. Die Produktionsgesellschaft hat uns dann hin- und hergebucht, weil aus Schweden keine Flüge mehr herausgingen. Eigentlich sollten wir direkt im Anschluss in Griechenland weiterdrehen. Ging aber nicht. Es folgte eine Unterbrechung von drei Monaten. Da kommt man total raus aus der Geschichte. Dann haben wir in Griechenland gedreht, und am letzten Drehtag kam dort der Lockdown. Dreharbeiten wurden verboten. Aber das sind ja auch die Themen des Films: Widersprüche, Endzeit, Abrechnungen, Machtfragen, Pa­triarchat, Schönheit als Währung. Und es geht um die Frage, ob der Kapitalismus jetzt nicht doch an seinem Ende angekommen ist. Er verhandelt die ganz großen Themen unserer Zeit und ist trotz alledem unterhaltsam und von einer Leichtigkeit, ohne leichtfertig zu sein.

Wie haben Sie die Weltpremiere beim Filmfestival in Cannes erlebt?

Berben: Die Vorführung dort war erstaunlich. Im Kinosaal saßen 2200 Menschen aus der ganzen Welt. Die Leute haben lauthals gelacht, Szenenapplaus gegeben und am Ende minutenlang geklatscht. Es ist ein Film, der Fragen stellt, aber nicht mit einem moralisierenden Zeigefinger daherkommt.

Das wäre dann wohl eher ein typisch deutscher Film geworden, oder?

Berben: Genau, und der hätte auch gleich die Antworten mitgeliefert.

Früher galten Frauen mit 40 Jahren schon als zu alt für den Film. Sie bekommen immer noch gute Rollen. Was hat sich da getan?

Berben: Es hat sich etwas getan, aber noch nicht genug. Das gilt leider immer noch für einen Teil meiner Kolleginnen. Man muss immer noch daran erinnern, dass es auch jenseits der 40 Geschichten zu erzählen gibt. Man ist ja nicht nur Beiwerk oder berechenbar. Das haben auch Streamingdienste mit ermöglicht. Sie haben gezeigt, dass es auch möglich ist, erwachsene Geschichten über andere Figuren zu erzählen. Wir müssen das weiterhin einfordern.

Wenn Sie heutzutage nach Hamburg zurückkommen, wo Sie ja aufgewachsen sind, gibt es da etwas, das Sie sich nicht entgehen lassen?

Berben: Ich bemühe mich immer darum, dass ich einen Blick auf die Elbe bekomme. Ich bin ’ne alte Hafendirne, weil ich Schiffe liebe. Sehnsucht, das Ferne, das Fremde. Es ist wichtig, ganz andere Horizonte zu sehen. Hamburg ist im Grunde genommen die Stadt, in der ich wieder leben sollte. Wasser ist ein Lebenselixier. Ich hatte auch gerade ein Gespräch mit Johannes B. Kerner in der Sophie-Barat-Schule, die ich ja selbst besucht habe. Als ich am Dammtor-Bahnhof ankam, haben mich Erinnerungen eingeholt. Als ich hier im Internat war, konnte man nachts, wenn das Fenster offen war, die Ansagen vom Bahnhof hören. Ich wollte weggehen und doch dableiben. Es war wie immer. Mein ganzes Leben ist ein Widerspruch. Ich will immer alles.

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