Cannes. Die Idee und Förderung für Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ kommt aus der Hansestadt. Die Satire nimmt Superreiche aufs Korn.

So viel Anarchie herrschte in Cannes wohl selten. Auf einer Luxusyacht wird gebrochen und geschrien, und mittendrin das Ende des Kapitalismus gefordert – wenn auch nur im Kino. Es handelt sich um eine Szene aus „Triangle of Sadness“, der wilden Satire des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund, die am Sonnabend die Goldene Palme der Filmfestspiele in Cannes gewonnen hat.

Auf die Idee zum Film habe ihn seine aus Hamburg stammende Frau Sina Östlund gebracht, verriet Ruben Östlund kurz vor Beginn des Festivals im Gespräch mit NDR Kultur. Der Film wurde von der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein mit insgesamt 150.000 Euro unterstützt. Ein Teil der Postproduktion und des Teams kommen aus Hamburg.

Cannes: Hamburg gut vertreten bei Filmfestspielen

Mehr noch: Die im französischen Exil lebende Iranerin Sar Amir Ebrahimi wurde bei der Gala am Sonnabend für ihre Rolle in „Holy Spider“ als beste Schauspielerin ausgezeichnet – auch dieser Film wurde mit 90.000 Euro von Moin gefördert, ein Teil der Postproduktion fand ebenfalls in der Hansestadt statt. Der Gewinner-Film „Triangle of Sadness“ spielt zu einem Großteil auf einem Schiff, und die mitreisenden Superreichen werden während eines Dinners seekrank. Auf die Reichen hat es Östlund abgesehen in „Triangle of Sadness“. Den Hauptpreis des Festivals nimmt der 48-Jährige verdientermaßen mit nach Hause.

Während die meisten Filme im Wettbewerb wenige Überraschungen boten, lässt sich das von „Triangle of Sadness“ nicht sagen. Das Publikum brach nach etwas Irritation in Gelächter aus bei Slapstick-Szenen wie jenem eingangs erwähnten Dinner, das wegen der stürmischen See zum Desaster wird. Es handelt sich um das Kapitänsdinner, bei dem der Kapitän alle Gäste persönlich begrüßt. Doch beim Kapitän, verkörpert von Woody Harrelson, fangen die Pro­bleme schon an: Der hat eine Abneigung gegen Reiche, ist Marxist und liefert sich betrunken Diskussionen mit einem russischen Oligarchen.

Cannes: Östlunds zweite Goldene Palme

Östlund gewann bereits 2017 für „The Square“ die Goldene Palme. Der Schwede ist bekannt für humorvolle und bissige Studien menschlichen Verhaltens. „Triangle of Sadness“ handelt von der Absurdität des Kapitalismus, Machtverhältnissen und sozialer Ungleichheit. Der obszöne Reichtum der Passagiere der Luxusyacht wird in grellen Karikaturen zur Schau gestellt. Da ist die champagnersüchtige Gattin, die die Angestellten überreden will, während der Arbeitszeit in den Pool zu springen – und verspricht, falls es Ärger gäbe, würde ihr Mann Dimitrios die Yacht kaufen. Da ist das liebliche alte Pärchen, das stolz vom Familienunternehmen erzählt. Ihr erfolgreichstes Produkt sind Handgranaten.

Stichwort Waffen: Irgendwann fallen Piraten auf der Yacht ein und das Schiff wird gekapert. Ein paar der Schiffsreisenden stranden auf einer Insel, wo die Hierarchien umgekehrt werden. Denn die Angestellte Abigail, die sich auf der Yacht um die Toiletten kümmerte, ist die Einzige, die Fische fangen, Feuer machen und somit das Überleben der Menschen sichern kann. Mit von der Partie sind auch Yaya und Carl.

Er ist Model, sie Influencerin, so wurde den beiden die Reise gesponsert. Auf der Insel hat Carl es nun seiner Schönheit zu verdanken, dass er von Abigail eine besondere Behandlung bekommt und mit ihr im Rettungsboot schlafen darf. Der Preis dafür sind sexuelle Gefälligkeiten. Die Schauspielerin Iris Berben ist in einer Nebenrolle zu sehen: Sie spielt eine Schiffsreisende, die nach einem Schlaganfall eine Sprachstörung hat und nur noch den Satz „In den Wolken“ und manchmal „Nein“ sagen kann. Auch sie ist unter den Reisenden, die auf der Insel stranden.

„Ich bin überglücklich, ein kleines Mosaiksteinchen in dieser bitterbösen, komischen, traurigen und widersprüchlichen Filmsatire zu sein“, teilte die 71-Jährige zum Gewinnerfilm mit. Zu den Ausgezeichneten zählen auch die französische Filmemacherin Claire Denis („Stars at Noon“) und der Belgier Lukas Dhont („Close“). Sie wurden mit dem Großen Preis der Jury, der zweitwichtigsten Auszeichnung in Cannes, geehrt.