Hamburg. Michel Abdollahis Bühne am Steindamm startet zu Baustellen-Charme mit Soft-Opening: Kurt Krömer wirbelt Staub auf.
Die türkischen Gemüse- und Dönerläden am Steindamm sind geblieben, nur an der Hausnummer 45 hat sich was verändert. Statt jenem vom Polittbüro prangt jetzt der Schriftzug „Centralkomitee“ über dem Eingang. Der ist am Montagabend noch zur Hälfte von heruntergelassenen Rollläden verdeckt, eine große moderne Baustellen-Lampe verbreitet beim Gang ins karge, schwarz gestaltete Foyer etwas warmes Licht..
Und: Der Tresen ist geöffnet – es gibt Freigetränke zum sogenannten Soft-Opening eines Hauses, das unter den Betreibern Lisa Politt und Gunter Schmidt 19 Jahre lang eine Hamburger Kleinkunst-Institution war.
Theater Hamburg: Saal ist weitgehend fertig
Fußabdrücke aus Staub auf dem schwarzen Boden und dem schwarzen Teppich hinauf zum Rang zeugen noch von Bautätigkeit, Auf dem Absatz zur Treppe, an deren Wand bis Anfang Juli drei große Fotos der toten Schauspielerinnen und Kabarettisten Ortrud Beginnen, Francesca De Martin und Matthias Beltz hingen, stehen jetzt noch eine Schaufel und ein Besen. Der Theatersaal jedoch ist weitgehend fertig, hat im Sommer neue rote Sitze, in der Mitte einen auch für Rollstuhlfahrer passierbaren 1,30 Meter breiten Fluchtweg sowie ein ins Parkett integriertes neues Technikpult erhalten.
Michel Abdollahi entert die Bühne und erläutert, wie wichtig es ihm und seinem Co-Geschäftsführer Robert Oschatz war und ist, das Haus „für Kunst und Kultur zu erhalten“, sodass nicht noch ein weiterer Supermarkt hier einziehe. Der frühere Poetry-Slam-Macher, NDR-Moderator („Käpt’ns Dinner“), und Fernsehpreisträger sowie der Künstleragentur-Chef Oschatz hatten erst im Frühjahr das Angbot erhalten, das Polittbüro zu übernehmen und nach einer Woche Bedenkzeit zugesagt.
Kurt Krömer zur Eröffnung gekommen
Abdollahi erzählt von den neuen Brandschutzauflagen und dass im mehr als 100 Jahre alten Haus noch Bedarf gebe, Heizungsrohre zu schweißen. „Wir wollen auch unbekannte Künstlerinnen und Künstler fördern“, sagt er zum Inhaltlichen – und erntet außer Beifall einige Lacher, weil zur (vorzeitigen) Eröffnung ausgerechnet Kurt Krömer gekommen ist.
Der „Timm Thaler der Comedy“ – Krömer lacht wie die Roman- und Fernsehfigur so gut wie nie – ist schließlich ein mehrfach ausgezeichnete Komiker, bekannter TV-Moderator („Chez Krömer“), Grimme-Preisträger und Bestsellerautor („Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“). In der ersten seiner zwei Hamburger Vorpremieren des neues Programms „Die Gönnung steigt“ terrorisiert der Berliner („Ihr seid so eklig“) in einem schnieken grauen Anzug das ihm geneigte Publikum im ausverkauften Saal immer wieder.
Kurt Körmer zögert Pause hinaus
Und als Krömer seine persönlich gefärbte Zeitreise durch die Fernseh-Jahrzehnte mal unterbricht und eine Besucherin aus dem Rang provoziert, zu ihm auf die Bühne zu kommen, scherzt er übers Unfertige: „Du bist doch auch irgendwie dort hinaufgekommen, also was ist?“ Die große Pause zögert Krömer bewusst hinaus, bevor es danach noch gut 40 Minuten ähnlich weitergeht.
In der Pause hat Abdolllahi ein Angebot eines mittelalten Besuchers bekommen, dessen Sohn schweißen kann. Der neue Hausherr will gern darauf zurückkommen, weiß aber wie sein Kompagnon Oschatz, dass noch viel Arbeit im und viel Geld ins Centralkomitee zu stecken ist, etwa für die Sanierung des Foyers mit Stuck. Laut ihrer Pressestelle fördert die Kulturbehörde den Umbau mit 700.000 Euro, Grundlage ist ein Senatsbeschluss. Die institutionelle Förderung aus dem Privattheatertopf beträgt wie beim Polittbüro 98.000 Euro und gilt noch für die Spielzeit 22/23.
Theater Hamburg – auch der Nachwuchs bekommt eine Bühne
Für ihre „Bühne aus der Kunst für die Kunst“ haben die beiden Chefs eine gemeinnützige GmbH gegründet, das frühere Polittbüro-Personal inklusive zweier Techniker übernommen sowie drei weitere neue Stellen geschaffen. Inhaltlich ähnelt das Programm dem des Polittbüros mit Stand-up-Comedy, Kabarett und Lesungen.
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Anarcho-Musik-Komiker Friedemann Weise (ZDF-„heute show“) an diesem Donnerstag, Sänger und Autor Sebastian Krumbiegel (1.10.), die Hamburger Improtheater-Veteranen Hidden Shakespeare (2.10.) und Top-Kabarettistin Christine Prayon (alias Birte Schneider/„heute show“) am 7. Oktober sind renommierte Künstler, die neue Dienstags-Reihe „Stand Up Komitee“ist indes bewusst eine Bühne für den unbekannten Nachwuchs.
Programm uns Karten fürs Centralkomitee (U/S Hbf.), Steindamm 45: www.centralkomitee.de