Hamburg. Das Multitalent hat die Tragikomödie „Over & Out“ nicht nur geschrieben und inszeniert. Sie spielt auch eine der Hauptrollen.
Eigentlich war Julia Becker Schauspielerin. Seit 2009. Aber dann entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Geschichtenerzählen und drehte 2017 ihr Regiedebüt „Maybe, Baby!“. Sie hatte Blut geleckt. Jetzt schiebt sie den Film „Over & Out“ nach, eine starbesetzte Tragikomödie über Freundinnen jenseits der 40. Die ehemalige Berliner Spitzen-Hockeyspielerin zeigt als Drehbuchautorin, Schauspielerin und Regisseurin, dass sie immer noch einen guten Schlag draufhat.
Hamburger Abendblatt: Sie haben in diesem Film als Drehbuchautorin, Regisseurin und Darstellerin ganz schön viel Heu auf die Gabel genommen.
Julia Becker: Ich hatte das in meinem Debütfilm „Maybe, Baby!“ schon gemacht. Und auch damals zusammen mit Frauke Kolbmüller, meiner Hamburger Produzentin. Danach war klar, dass wir es so fortsetzen wollten, zumal der erste Versuch erfolgreich war.
In Bezug auf die Besucherzahlen?
Becker: Nein, das nicht. Es war ein kleines Low-Budget-Projekt, mit Crowdfunding selbst finanziert, und hat nur 30.000 Euro gekostet, ist aber auf Festivals und bei der Presse sehr gut angekommen. Danach haben wir uns gesagt: So machen wir jetzt weiter.
Wie sind Sie ausgerechnet zu Warner Bros. gekommen?
Becker: Wir sind mit dem Drehbuch zu ihnen spaziert, probieren kann man es ja mal, wir versuchen immer groß zu denken.
Wie groß war das Budget diesmal?
Becker: Siebenstellig.
Hatten Sie bestimmte Schauspielerinnen im Hinterkopf, als Sie das Buch geschrieben haben?
Becker: Nicht so richtig. Nicht einmal meine eigene Rolle. Ich erkenne mich übrigens in allen drei Frauenfiguren wieder.
Also zeigen alle Facetten von Ihnen?
Becker: Nicht alle genauso viel. So vielschichtig bin ich nun auch wieder nicht.
Die Figur Maja möchte auf gar keinen Fall in Niendorf beerdigt werden. Das in Hamburg oder das an der Ostsee?
Becker: Hamburg. Das hat etwas mit der Filmförderung zu tun. Ursprünglich war es ein Berliner Stadtteil. Ich habe mich dann erkundigt, was dem entsprechen würde.
Maja hat einen Sehnsuchtsort am Meer. Das passiert in Filmen gar nicht mal so selten, oder?
Becker: Das stimmt, man hätte es vielleicht auch auf einem Berg machen können, aber wenn man ein Roadmovie macht, muss es immer ein Ziel geben, man ja auch irgendwo ankommen.
Sind Sie als Filmemacherin mal Vorurteilen begegnet?
Becker: Als Regisseurin nicht, als Schauspielerin aber. Als ich mit 24 Jahren mit der Schauspielschule fertig war, hat man mir vieles gesagt: Für das Fernsehen bist du eigentlich schon zu alt. Deine Stimme ist zu tief für dein Äußeres. Und kannst du nicht ein bisschen abnehmen? Wenn du es bis 30 nicht geschafft hast, kannst du es ohnehin vergessen. Und, und, und. Das ging echt auf keine Kuhhaut.
Wer sagt so etwas?
Becker: Ach, viele. Ich bin da ja kein Einzelfall, viele Schauspielerinnen und Schauspieler müssen sich so was leider immer noch anhören. Wenn ich darauf gehört hätte, würde ich heute etwas anderes machen.
Der Film spielt in Italien, gedreht haben Sie aber in Kroatien. Warum?
Becker: Genau, wir haben ins Istrien gedreht. Das hatte produktionelle Gründe. Damals gab es dort eine Pandemie-Inzidenz von fünf oder so. Wir hatten so ein Glück! Der Corona-Gott hat da schützend die Hand über uns gehalten. Überall um uns herum war alles Rot wegen der Corona-Warnungen.
Sie haben auch in Hamburg gedreht?
Becker: Den kompletten Deutschland-Teil.
Wollen Sie im aktuellen Stil weitermachen?
Becker: Wenn ich darf, ja. Ich liebe es einfach, tragisch-komisch zu erzählen. Aber Filmemachen ist ja ein lebenslanger Prozess, in dem man sich aber auch verändern kann – mal gucken, was noch kommt.
Kannten Sie Ihre Darstellerinnen vorher?
Becker: Nur Petra Schmidt-Schaller.
Waren die Dreharbeiten reibungslos?
Becker: Fast, bis auf die Szene am See, der ist eigentlich ein Wasserfall. Der Location-Scout sagte vorab: Der ist im Sommer nicht aktiv. Wir kamen da an und: Wasserfall. Es war viel zu laut. Wir haben dann mit Tüchern das Wasser abgetropft. Dann war es irgendwann leise genug. Das war echt verrückt.
- Japanischer Berlinale-Erfolg kommt in Hamburger Kinos
- Poetische Amour fou mit Isabelle Huppert und Lars Eidinger
- Jella Haase: „Ich will den alten Punk in mir rausholen“
Hat Sie die Dreifachbelastung geschlaucht?
Becker: Ach, das ging schon. Und nach dem Dreh und vor dem Schnitt hatte ich zwei Wochen Pause, in denen ich mich komplett meinem kleinen Sohn widmen konnte. Das war sehr schön und hat den Akku wieder aufgeladen.