Hamburg. Das Sommerfestival geht mit „Hydrospektive“ in die Verlängerung. Zur Eröffnung gab es ein Konzert der Sidewalk Strings.

Mit einem schmatzenden Geräusch gleitet das Ruder durch die Fluten. Es ist kühl, nachts auf der Außenalster, aber das dunkle Wasser selbst ist noch warm, und wo sich tagsüber unzählige Vergnügungssüchtige auf Booten und SUP-Boards tummelten, haben jetzt Glühwürmchen ihre Ruhe. Naja, fast. Ein paar Kanus sind unterwegs, auf dem Weg zu einer Bühne, die vor der Hohenfelder Bucht vertäut ist.

„Hydrospektive“: Mini-Festival mitten auf der Alster

Alvaro Piña Otey und Fahim Amir haben hier die „Hydrospektive“ konzipiert, ein einwöchiges Minifestival auf der Alster, das als überraschende Erweiterung des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel fungiert (und so mittels kurzfristig freigewordener Gelder auch finanziert wurde). Spontan und bei freiem Eintritt. Man meldet sich online an, bestätigt, dass man schwimmen kann, und bekommt beim Hamburger Kanu-Club ein Boot, eine wasserdichte Lampe und eine Schwimmweste ausgehändigt, außerdem Hinweise, wo auf der Alster sich die Schute befindet, die als Bühne dient.

Nachdem man eine kleine Spende an die afghanische Frauenorganisation RAWA dagelassen hat, kann man losrudern, hat noch Zeit fürs freie Schippern und sollte sich spätestens um 20.30 Uhr vor der Bühne einfinden, gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang also.

Zur Eröffnung am Montagabend tauchen nach und nach insgesamt 18 Boote auf, die meisten kommen vom Kanu-Club, aber auch ein paar private Kajaks sind dabei und ein Schlauchboot. Manche Ruderer haben sich Proviant mitgebracht, es herrscht gelöste Stimmung, „Dürfen wir uns bei euch anbinden?“ Klar. Das eigentliche Programm, ein Konzert des Streichersextetts Sidewalk Strings, verzögert sich, also lädt Conferencier Manuel Muerte zum Bingospielen ein. Bingo auf dem Wasser, das erinnert an eine Seniorenkreuzfahrt, wie langweilig, wie absurd, wie schön!

Die „Hydrospektive“ ist eigentlich kein Konzert, es ist eine Inszenierung

Trotzdem, man ist ein wenig dankbar, dass nach einer halben Stunde Harfenklänge ertönen, ein Suchscheinwerfer übers Wasser gleitet und den Weg weist für zwei Boote mit Musikern, geführt von einer dunkel gewandeten Gestalt. Charon führt die Toten über den Styx, denkt man unweigerlich, und diese Assoziation zeigt schon: Die „Hydrospektive“ ist eigentlich kein Konzert, es ist eine Inszenierung.

Tatsächlich darf man angesichts der Umstände nicht allzuviel musikalische Finesse erwarten – die Seebühne ist keine Elbphilharmonie, nicht einmal eine Alsterphilharmonie. Der (elektrisch verstärkte) Sound ist zwar überraschend klar, aber die sich aus Mitgliedern des NDR Elbphilharmonie Orchesters zusammensetzenden Sidewalk Strings bringen auch ein Programm, das mehr auf Affekte setzt und weniger auf stille Passagen. Tschaikowsky, Dvorak, ein bisschen Folk, in der zweiten Hälfte umarrangierte Popmusik, aus der Barry Manilows „Copacabana“ heraussticht: Rhythmus, Wumms, jubelnde Geigen. Alles andere würde hier auch vom Wind zerblasen werden. Und ohnehin nicht zur Partystimmung in den Booten passen.

„Ein Geschenk!“ ruft plötzlich jemand im Nachbarboot, „Was für ein geiles Geschenk!“ Vielleicht bringt das die „Hydrospektive“ auf den Punkt: Was hier passiert, ist nicht die große Kunst, aber es ist ein künstlerisches Geschenk, zum Abschluss eines langen, warmen Kultursommers.

Hydrospektive Noch bis 7.9., unter anderem mit Quintet Jean-Paul (31.8.), „Rock Wrestling“ (3.9.), Carsten „Erobique“ Meyer & Lucas Kochbeck (5.9.), Start: Hamburger Kanu-Club, Barcastraße 13, Infos und Anmeldung: www.hydrospektive.de/www.kampnagel.de