Hamburg. Behörde alarmiert: Kommen auf Hamburgs Spielstätten düstere Zeiten zu? Über höhere Ticketpreise ist das Problem nicht zu lösen.
Gehen in der Elbphilharmonie und anderen Kultur-Einrichtungen wegen der fast senkrecht steigenden Energiepreise bald die Lichter aus? Und das nicht nur energiesparend am Abend an den Außenfassaden, sondern generell? Im jüngsten Bericht der Kulturbehörde über die Betriebskosten-Situation von Elbphilharmonie und Laeiszhalle heißt es, heftig zugespitzt: „Die derzeitigen Entwicklungen bei den Energiekosten drohen zu einer existenziellen Belastung für die Betriebsgesellschaft (ELBG) zu werden.
Sollten sich die ohnehin schon hohen Energiekosten – in beiden Häusern aktuell knapp 1 Mio. Euro – so entwickeln, wie zum Teil prognostiziert, dürfte sich das ELBG-Defizit von derzeit ca. 2,6 Mio. Euro mindestens verdoppeln. Es erscheint unwahrscheinlich, dass in diesem Szenario das Defizit über entsprechendes Anheben des Plaza-Eintritts und der Vermietungspreise kompensiert werden kann.“
Energiekrise trifft auch die Elbphilharmonie
Die ersten konkreten Sparmaßnahmen haben schon vor Wochen Einzug in das Konzerthaus in der HafenCity gehalten: Seit dem 21. Juli wird das Foyerlicht nur noch während der Konzerte eingeschaltet. Auch die Plaza leuchtet nur noch während der Öffnungszeiten. Zusätzliche Einsparpotenziale prüfen die Verantwortlichen aktuell, hieß es aus der Pressestelle.
Eine weitere Befürchtung, auf die Besucherzahlen des Konzerthauses in den nächsten Monaten bezogen: „Die hohe Inflation wird mutmaßlich auch das Nachfrageverhalten beeinflussen.“ Eine konkrete Reaktion, die Generalintendant Christoph Lieben-Seutter bereits vor einigen Wochen im Abendblatt-Interview angekündigt hatte, wurde ebenfalls im Behördenschreiben vermerkt: „Die Ticketpreise werden erstmalig seit der Aufnahme des Spielbetriebs um durchschnittlich 4,5 Prozent erhöht.“
Energiekrise: Kultursenator verspricht Liquiditätshilfen bei Schieflagen
Kultursenator Carsten Brosda äußert sich unterdessen demonstrativ entschlossen rückenstärkend: „Keine Kultureinrichtung soll schließen müssen, sagte er NDR Info. Man sei mit Museen, Theatern und anderen Kulturbetrieben über Verbrauchssenkungen im Gespräch. Denkbar seien zum Beispiel niedrigere Temperaturen im Foyer oder geringere Beleuchtung. „Wir werden nicht vorab Geld in die Hand nehmen. Aber wir werden, wenn Schieflagen entstehen, mit Liquiditätshilfen eingreifen können.“ Die Einigung mit Finanzsenator Andreas Dressel darüber sei bereits passiert. Einige Häuser hätten mit doppelt so hohen Kosten für Strom oder Wärme zu kämpfen; das lasse sich nicht allein durch höhere Eintrittsgelder ausgleichen, räumte Brosda ein.
Die Staatsoper ist bei der Frage, was wie sehr beleuchtet werden kann, ebenfalls nicht untätig: „Das Thema Energie-Einsparungen ist ja nicht neu – wir haben in dieser Spielzeitpause bereits vor der jetzigen Krise entwickelte Planungen für die künstlerische Beleuchtungsanlage umgesetzt“, teilte Sprecher Michael Bellgardt mit. Die Umrüstung von Halogen-/Glühlampen und der Einsatz moderner LED-Technik werde deutliche Energieeinsparungen, womöglich bis zu 90 Prozent, mit sich bringen. „Und natürlich beteiligen wir uns an den Bemühungen des Senats, wo immer es geht Energie einzusparen. Die Steigerungsraten auf der Preisseite können wir aber kaum durch Mengenreduktionen auffangen.“
Auch das Schauspielhaus ist bereits aktiv
Auch das Schauspielhaus ist bereits aktiv: „Die Sprinkenhof stellt derzeit Baumaßnahmen fertig, die eine deutliche energetische Verbesserung unserer Altbausubstanz mit sich bringen“, teilte die dortige Pressestelle mit. Man habe damit begonnen, die Beleuchtung im Gebäude und außen am Gebäude auf das Notwendige zu beschränken. Dabei hilft der sukzessive Einsatz von Bewegungsmeldern und das Abschalten der Außenbeleuchtung, derzeit um 21 Uhr. „Insgesamt entwerfen wir Strategien zu Nachhaltigkeit bzw. arbeiten weiter daran.“ Dazu kämen Einzelmaßnahmen wie Thermometer für alle Räumlichkeiten, um im denkmalgeschützten Theater während der kalten Jahreszeit den Wärmeeinsatz auf das Notwendige zu beschränken.
Im Thalia Theater gibt es schon seit längerer Zeit diverse Sparbestrebungen, angefangen bei der Idee, Schriftliches nur noch doppelseitig auszudrucken. Intendant Joachim Lux hat eine hausinterne „Ideenbörse“ ausgerufen. Bei konkreten Dingen für die nächsten Monate sei man „durch die Bestrebungen der Stadt beschleunigt“ noch mitten im Prozess, so Verwaltungsdirektor Heinz-Werner Köster. Erschwert werden Umstellungen allerdings durch das Alter des Gebäudes und den Investitionsstau. Zentrale Temperaturregelung? Thaliaweit nicht möglich, weil es keine zeitgemäße Zentralsteuerung gibt. Eine Überlegung: die Außenbeleuchtung abends abzuschalten. „Warum muss ich das Theater beleuchten, wenn alle schon drin sind?“, findet Köster.
Energiekrise: So sieht es bei Kampnagel aus
Kampnagel produziert seit 2008 Ökostrom durch eine 900 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage, die auf den Hallendächern installiert ist, berichtet Intendantin Amelie Deuflhard. „Weitere Maßnahmen für nachhaltigen Theaterbetrieb werden wir umfassend für die Generalsanierung angehen. Ziel ist es, Klimaneutralität zu erreichen. Aktuell versuchen wir, wo möglich, Energie zu sparen. Wie wir mit den aktuellen Preissteigerungen umgehen können, darüber sind wir im Gespräch mit der Kulturbehörde.“
Auch bei den privat betriebenen Theatern steht das Thema Energiesparen hoch im Kurs, obwohl der Kultursenator sie offiziell noch nicht an einen runden Tisch gebeten hat. „Wir sind aber im engen Kontakt mit der Behörde, das Thema Energiesparen ist schon seit Frühjahr sehr präsent bei uns“, sagt Ohnsorg-Intendant Michael Lang. So hat die GmbH, die das Theater für den Verein Niederdeutsche Bühne Hamburg e.V. betreibt, die Umrüstung von Scheinwerfern auf LED-Lampen dank Zuschüssen „in noch fünfstelliger Höhe“ im Großen Haus bewilligt bekommen und vollzogen.
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Im Ohnsorg-Studio erfolgt die Umrüstung in Kürze. „Damit wird der Energieverbrauch der Scheinwerfertechnik um fast 80 Prozent reduziert“, sagt Lang. „Es darf nicht sein, dass Theater im Herbst und Winter womöglich dazu verpflichtet werden, nur noch drei Tage in der Woche zu spielen, um Energie zu sparen“, baut Lang vor. „Nach mehr als zwei Jahren Corona brauchen wir alle wieder mehr Verlässlichkeit für unser Publikum.“
Für die Hamburger Museen und Ausstellungshäuser wird bei der Landespressekonferenz am Dienstag im Rathaus ein großes übergreifendes Projekt zur Energieeinsparung vorgestellt.