Hamburg. Dennis Schulze leitet bald die renommierte Bühnenfachschule als Inhaber und Gesellschafter – und führt das First Stage Theater.

Im Rampenlicht stand Dennis Schulze (32) zuletzt selten. Wenn dann begrüßte er vor oder nach Musical-Premieren sowie vor der großen Weihnachtsshow im First Stage Theater in Altona-Altstadt smart das Publikum. Das meist in Vertretung des Gründungsdirektors Thomas Gehle. Die beiden trennen 32 Jahre. Und doch verbindet sie eine konstruktive Zusammenarbeit. 2016 hatte Schulze nach seiner dreijährigen Ausbildung an der Stage School Hamburg überlegt, wie es für ihn beruflich weitergehen soll.

An Deutschlands größter privater Fachschule für die Sparten Tanz, Gesang und Schauspiel hatte Schulze die Bühnenreife erlangt. Doch statt weiterhin im damals gerade eröffneten First Stage in „42nd Street“ an der Rampe steppend den Billy Lawlor zu geben oder wie während seiner Ausbildung als Sioux-Junge Yakari im gleichnamigen Musical zu touren, fing Dennis Schulze als Social-Media-Manager und Assistent der Geschäftsführung bei der Stage School an.

Musical Hamburg: Schulze wird Inhaber der Stage School

Aus dem ehemaligen Schüler und langjährigen Mitarbeiter wird nun der Chef - eine reale, eine schöne Geschichte, wenn auch keine märchenhafte, sondern eine, die mit viel Arbeit verbunden ist. Vom 1. August an gibt Schulze den Takt in Deutschlands ältester Schule für Performing Arts vor und übernimmt die Stage School von seinem Mentor Gehle. Mehr noch: Dennis Schulze wird zu 100 Prozent Gesellschafter und Inhaber der Stage School Hamburg, zudem wird er zur Hälfte Inhaber der hauseigenen Eventagentur Stage School Events. Das First Stage betreibt Gehle zwar weiterhin, Schulze hat dort außer der künstlerischen Leitung nun aber auch die Geschäftsführung inne.

Gehle hatte seit 1985 die Geschicke der Stage School Hamburg gelenkt, seit 1990 als geschäftsführender Gesellschafter. Vor neun Jahren war die Stage School, die nichts mit dem Musical-Multi Stage Entertainment zu tun hat, aus der Neustadt nach Altona gezogen, unweit des Bahnhofs. Im Frühjahr 2016 hatte Gehle zwei Kilometer davon entfernt das First Stage eröffnet, ein Theater mit 279 Plätzen.

Dennis Schulze glaubt an die Stage School

Schulze übernimmt die Stage School in der festen Überzeugung, sie durch Pandemie und Inflation steuern zu können. „Wäre ich nur nach den Zahlen gegangen, wäre meine Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. Wir hatten 2021 ein wirklich hartes Jahr. Doch ich kenne das Unternehmen durch und durch. Ich weiß, mit welcher Leidenschaft jeder Dozent seine Schüler voranbringt und wie sich jeder einzelne Mitarbeiter hinter der Bühne oder in den Büros engagiert“, sagt er. Als Zeichen der Wertschätzung erwägt Schulze, für die rund 60 Lehrenden möglichst bald die Honorarsätze zu erhöhen - die sind seit 20 Jahren unverändert.

Schulzes großer Vorteil: Außer der administrativen Tätigkeit hat er noch weitere Positionen hinter den Kulissen der Schule und des Theaters aus- und mit Leben gefüllt.. Schulze übernahm etwas die Produktionsleitung für mehrere Musicals, bei den beliebten Weihnachtsshow (Auslastung: 98 Prozent) zuletzt zweimal auch die Regie und schließlich die künstlerische Leitung des First Stage Theaters. Als neuer Chef will er die Stage School Hamburg langfristig als „Leuchtturm der Branche“ etablieren.

„Wir bieten eine hochkarätige Ausbildung an"

„In mehr als 30 Jahren hat sich die Stage School eine hervorragende Stellung am Markt erarbeitet – im In- und Ausland. Diese Position werden wir ausbauen“, sagt Schulze. Ziele seien eine Überarbeitung des derzeitigen Lehrplans, der Aufbau eines Jugendprogrammes sowie eine Stärkung des Fördervereins und der Stipendienvergabe. „Wir bieten eine hochkarätige Ausbildung an, die allerdings ihren Preis hat. Wir wollen erreichen, dass sich die besten Talente für uns entscheiden können – unabhängig von ihrer finanziellen Situation.“ Schulze schwebt vor, sich verstärkt an potenzielle Sponsoren und Mäzene zu wenden. Das Schulgeld beträgt pro Jahr 12.480 Euro – für manch interessierte Bühnen-Begabung reicht da auch das Schüler-Bafög längst nicht.

Die Bühnenfachschule
Die Stage School Hamburg  von 1985 ist die älteste und größte deutsche private Bühnenfachschule für Gesang, Tanz und Schauspiel. Derzeit hat sie  220  Schüler in drei Jahrgängen.   Zu den rund 3000 Absolventen gehören Anna Loos, Ralf Bauer, Aleksandar Jovanovic, Lucy  Diakovska (No Angels), Sanna Nyman (LaLeLu) und Broadway-Darstellerin Anna Montanaro.

Schulze hat die Zukunft der angehenden Darsteller im Blick. Er plant einen engeren Austausch mit Bühnen, neuen Medien und Theatern mit einer entsprechenden Anpassung der Ausbildungsinhalte. „Als Privatschule haben wir den Vorteil, flexibel und agil auf Marktentwicklungen reagieren zu können.“ Es spricht der Betriebswirt Schulze: Während der Corona-Zeit hat der gebürtige Berliner, der bei de Lufthansa einst eine Ausbildung zum Flugbegleiter gemacht hatte, eine zweijährige Weiterbildung an der Fernuniversität Hagen abgeschlossen.

„Die Drei-Sparten-Ausbildung wird ausgebaut"

Der Flexibilität im „Kleinen“, dem Lehrplan, entspreche die Flexibilität im Großen, meint er bezogen auf die Stage School. „Die Drei-Sparten-Ausbildung wird ausgebaut. Zukünftig soll es möglich sein, eine einzelne Sparte als Profi-Ausbildung zu wählen. „Wir stehen nach wie vor hinter dem ganzheitlichen Ansatz. Doch wer ein großes Talent in einem der drei Bereiche mitbringt, soll in Zukunft die Möglichkeit haben, sich voll darauf konzentrieren zu können“, sagt er.

Wie die freundliche Übernahme des jungen Herrn Schulze finanziert wird? Nennenswertes Eigenkapital oder reiche Eltern im Hintergrund kann er nicht aufbringen, offenbar jedoch ein überzeugendes Konzept. So stehen die Hausbank (Haspa) und die Bürgen-Gemeinschaft der Stage School für die Übernahme durch Gehles Wunsch-Nachfolger gerade. Die Summe, die zum Teil über mehrere Jahre auf mehrere Raten gestreckt wird, soll sich dem Vernehmen nach auf einen niedrigen siebenstelligen Betrag belaufen.

„Footlose“ läuft bis Mitte Oktober

Für das First Stage Theater hat der neue Geschäftsführer bereits Laufzeitverlängerungen der großen Inszenierungen geplant – so läuft das im Vorjahr vom Publikum gefeierte Musical „Footlose“ mit erfahrenen und jungen Darstellern noch mal von Ende August bis Mitte Oktober. Coronabedingten Komplett-Absagen soll so entgegengewirkt werden. Kürzlich musste im Juni „The Prom – das Musical“ aufgrund mehrerer Corona-Fälle unter den Mitwirkenden vollständig ausfallen.

Trotz der seit mehr als zwei Jahren andauernden Pandemie bleibt Schulze zuversichtlich. „Wir haben zwei Total-Schließungen im Zuge der Lockdowns überstanden. Das war nur möglich, weil unser gesamtes Team – ob in der Schule, im Theater oder bei den Stage School Events – nach jedem Rückschlag wieder mit vollen Engagement ans Werk gegangen ist. Und wir brennen für das was wir tun: Menschen unvergessliche Kulturerlebnisse bescheren.“

Musical Hamburg: Schulze trifft „eine Lebensentscheidung“

Die Stage School zu übernehmen und das First Stage zu leiten - Dennis Schulze nennt es „eine Lebensentscheidung“. Er sagt: „Ich bin jetzt 32 Jahre alt. Beides wird mich sicher die nächsten 20 bis 30 Jahre beschäftigen.“ Im vierten Stock, in der obersten Etage der Stage School in Altona, hat Schulze schon vor seinem Urlaub den bisherigen großen Schreibtisch Thomas Gehles übernommen. So viel Chef muss sein. Sein Vorgänger, der als Berater zunächst weitermacht, nutzt freiwillig den kleinen. Jedem seine neue Rolle.