Hamburg. Die Husumer Bestsellerautorin schreibt über die Nordsee, Ulla Hahn über Eichhörnchen – im zweiten Halbjahr warten Hochkaräter.
Das zweite Literaturhalbjahr wird, aus norddeutschem Blickwinkel, keine Schriftsteller-Show. Sondern eine von Schriftstellerinnen. Mit einem Super-Blockbuster im Angebot: Dörte Hansen hat einen neuen Roman geschrieben. Er heißt „Zur See“ und führt die Husumer Schriftstellerin noch weiter auf ihrem Weg nach Norden. Nach dem Metropolen-Auslaufgelände in „Altes Land“ und dem dörflichen Nordfriesland nun also auf eine Insel in der Nordsee, wo die sich seit je von der maritimen Welt nährende Familie Sander lebt.
Von dieser erzählt Hansen auf Hansen-Art: Mit unvergesslichen Figuren und schöner Anschaulichkeit, unangestrengt ihr Heil suchend in Stoffen, die Humor und Melancholie gleichermaßen beinhalten. „Zur See“ erscheint Ende September, am 4. Oktober stellt Dörte Hansen ihren Roman auf Einladung des Literaturhauses in Hamburg vor. Am 12. Oktober liest dann Karen Duve in ihrer Heimatstadt. Aus ihrem Roman „Sisi“ (erscheint am 22. September), dem akkurat recherchierten historischen Roman über Kaiserin Elisabeth. Das hat die ewige Kaiserin der Herzen sicher verdient, eine zünftige Literarisierung jenseits des Trivialen.
Literaturvorschau: Ein Nicht-Krimi von Simone Buchholz
Die Erde, die Welt, unser Planet dagegen verdient fraglos einen taktvolleren und das heißt: schonenderen Umgang. Darüber, grob gesprochen, hat die unvergleichliche Ulla Hahn nun einen Roman geschrieben. In „Tage in Vitopia“ (31.8., Vorstellung auf der Langen Nacht der Literatur am 3.9.) wird auch aus der Sicht zweier in den Bäumen an der Alster beheimateten Eichhörnchen erzählt, die sich vor allem fragen, warum der Mensch seine Heimat zerstört. Es kommt, das sei verraten, zu einer neuen Konferenz der Tiere, zu einem Miteinander von Mensch und Tier für das höhere Ziel. Klingt tatsächlich nach Vitopia.
Weitere Hamburgensien aus weiblicher Feder sind Simone Buchholz’ surrealistischer Nicht-Krimi(!) „Unsterblich sind nur die anderen“ (10.10.) und Leona Stahlmanns „Diese ganzen belanglosen Wunder“ (20.7., Lesung am 23.8. im Literaturhaus).
Die 1988 geborene Stahlmann ist eine der vielversprechendsten deutschsprachigen Autorinnen ihrer Generation, ihr neues Buch geht weg aus den Städten und hinein ins Freie. Nature Writing zwischen Hansen und Hahn, wenn man so will. Außerdem geht es um eine Mutter und ihr Kind: ein intensiver Text in einer intensiven Sprache, den Stahlmann im Juni beim Bachmann-Preis vorstellte.
Viele Bestseller im Herbst und Winter zu erwarten
Weitet man den Blick in die internationale Literatur, sind am Horizont etliche künftige, von der Kritik ebenso wie vom Publikum wahrgenommene Bestseller zu sehen. Leïla Slimanis „Schaut, wie wir tanzen“ (21.9.) ist der zweite Teil der französisch-marokkanischen Trilogie, in der die Wahl-Pariserin Slimani von ihrer eigenen Familie erzählt. In der Fortsetzung von „Das Land der anderen“ steht ihre Mutter, eine angehende Ärztin im patriarchalischen Marokko, im Mittelpunkt. Jennifer Egans „Candy Haus“ (7.9.), Rachel Kushners „Harte Leute“ (18.10.) und Linda Boström Knausgards sehr persönliches „Oktoberkind“ (19.7.) sind unter anderem noch zu nennen, wenn es um potenzielle Hochkaräter für Spätsommer, Herbst und Winter geht.
Was dieses zweite Literaturhalbjahr anbelangt, gibt es eine gute Nachricht. Das Harbour Front Festivals (8.9.-22.10.) wird auch 2022 eine neue Auflage erleben. Dort werden unter anderem Hervé Le Tellier („Ich verliebe mich so leicht“, 13.9.) Benedict Wells und Édouard Louis zu Gast sein. Im Literaturhaus-Kalender dagegen sind unter anderem noch Termine mit dem österreichischen Hamburger Norbert Gstrein (24.8.), dessen neuer Roman „4 Tage, 3 Nächte“ im August erscheint, der umstrittenen Lisa Eckhart (25.8., „Boum“ erscheint am 22.8.), mit Alex Capus (31.8., „Susanna“ erscheint am 25.7.) und Lize Spit (20.9., Ich bin nicht da“ erscheint am 27.7.) anberaumt.
Literaturgigant Cormac McCarthy veröffentlicht gleich zwei Romane
Ein wahrhaft großes Ereignis ist der Roman-Doppelschlag des US-amerikanischen Literaturgiganten Cormac McCarthy. Der wird am 20. Juli 89 Jahre alt und hat seit seinem Pulitzer-Roman „Die Straße“ vor mehr als anderthalb Jahrzehnten nichts Neues veröffentlicht. Nun erscheinen „Der Passagier“ (25.10.) und „Stella Maris“ (22.11.), zwei Bücher über zwei Geschwister und Amerika. Wir erwarten und erhoffen Großes.
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Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist in diesem Jahr Spanien. Was die willkommene Nebenwirkung hat, dass die hispanische Literatur mal wieder nachhaltig ins Zentrum des Interesses gerückt wird. Es wird unter anderem einen neuen Roman von Javier Marías („Tomás Nevinson“, 12.10.) geben und einen von Fernando Aramburu: Der seit fast 40 Jahren in Hannover lebende Baske ist seit dem ETA-Roman „Patria“ ein internationaler Bestsellerautor. Sein neues Werk „Der Mauersegler“ (13.9.) handelt von Spanien und einem lebensmüden Spanier, vom Verlag versprochen sind Humor und Tiefe.
Literaturvorschau: Novitäten von Mosebach und Melle
Was das Deutschsprachige angeht, sind für die zweite Jahreshälfte unter anderem Thomas Melle („Das leichte Leben“ erscheint am 8.9.), Büchnerpreis-Träger Martin Mosebach („Taube und Wildente“, 19.10.) und Robert Menasse („Die Erweiterung“, 22.10.) zu nennen. Und in der Kategorie „Alte und neue Könner“ sind annonciert: Annie Ernaux’ „Das andere Mädchen“ (10.10.), Marieke Lucas Rijnevelds Lyrikband „Kalbskummer Phantomstute“ (15.8.), Julian Barnes’ „Elizabeth Finch“ (3.11.), Alex Schulmans „Verbrenn all meine Briefe“ (17.8.) und Sorj Chalandons „Verräterkind“ (16.11.).
Auch 2022 ist und bleibt ein Jahr der Bücher.