Hamburg. Das Traditionstheater stellt wieder eine komplette Spielzeit vor. Studio feiert mit Dörte Hansens „Altes Land“ sein zehntes Jubiläum.

Immer mal was Halbes, aber nix Ganzes - so hätte in der jüngeren Vergangenheit das Motto bei der Vorstellung des Spielplans im Ohnsorg-Theater lauten können. Die Unwägbarkeiten der Corona-Pandemie ließen zuletzt nur jeweils die Planung einer halben Spielzeit zu. Als Intendant Michael Lang und Oberspielleiter Murat Yeginer sowie Julia Bardosch als Vertreterin für das Ohnsorg-Studio am Mittwoch im Rangfoyer zum Sprechen ihre Masken abnahmen stand - nach einer Rückschau auf die Corona-Spielzeit - mal wieder der Ausblick auf eine komplette Saison an.

Und in der stehen für 2022/23 unter dem Motto „Tosamen“ (Zusammen) insbesondere im kleinen Ohnsorg-Studio zwei große Namen der norddeutschen Literatur auf dem Programm. Zum zehnten Jubiläum des Ohnsorg Studios hat dort am 29. Oktober „Altes Land“ nach dem Roman-Bestseller der nordfriesischen Autorin Dörte Hansen Premiere, wie fürs Studio üblich in einer Mischung aus Platt- und Hochdeutsch.

Intime Atmosphäre statt auf die große Bühne

Studio-Leiterin Cornelia Ehlers und die Autorin selbst - beide kennen sich seit Langem - werden die Fassung erarbeiten, Julia Bardosch das Stück vom Finden einer neuen Heimat in Norddeutschland inszenieren. Zusammen sowie mit Yeginer haben sie sich bewusst entschieden, „Altes Land“ nicht auf die große Bühne zu bringen - die intime Atmosphäre soll im Studio in den Dialogen besser durchdringen.

Mit „Ringel, Rangel, Rosen“ nach dem Roman von Hamburgs Ehrenbürgerin Kirsten Boie kommt im Studio im April 2023 ein (Jugend-))Stück auf die Bühne, das während der Flut von 1962 spielt. Regie führt erstmals am Heidi-Kabel-Platz Kathrin Mayr, 2020 für ihre Adaption des Kästner-Romans „Fabian oder der Gang für die Hunde“ im Monsun Theater mit dem Theaterpreis Hamburg - Rolf Mares ausgezeichnet.

Theater will norddeutsche Identität stärken

Erste Neu-Produktion 2022/23 im Ohnsorg-Studio ist bereits am 17. September der ungewöhnliche theatrale Rundgang „St. Georg is en Eiland“ von Michael Uhl. Er hatte schon in seinen Stücken „Tallymann un Schutenschubser“ und „Ankamen - Angekommen“ das Thema Heimat historisch-feinfühlig erzählt.

Um die die „verbindende Kraft des Theaters, die plattdeutsche Sprache, unsere Identität und die norddeutsche Heimat und ihre Typen“ geht es Lang und Yeginer auch bei den Stücken im Großen Haus. Es öffnet am 28. August mit der Neuinszenierung von „Dat Hörrohr“ in der Regie Frank Grupes. Ex-Ensemble-Mitglied Wolfgang Sommer gibt in dem Ohnsorg-Klassiker als Opa Meiners sein Comeback, Beate Kiupel spielt seine Schwiegertochter Bertha.

Malinkes Kömodie dreht sich um Patchwork-Familien

In Lo Malinkes Komödie „All ünner een Dannenboom“ (plattdeutsche Erstaufführung: 6.11.) steht das heutige Patchwork-Familienleben im Mittelpunkt – von dem jedoch die längst erwachsenen Kinder nichts wissen. Daher soll ihnen wie jedes Jahr zu Weihnachten eine heile Familie vorgespielt werden. Regie führt hier Yeginer selbst.

Die talentierte Hamburgerin Nora Schumacher, die zuletzt „Des Kaisers neue Kleider“ zum Erfolg geführt hatte, inszeniert mit „Hase und Igel“ nicht nur erneut ein Weihnachtsmärchen auf Hochdeutsch (diersmal mit einigen plattdeutschen Redewendungen). Ihr vertrauen Yeginer und Lang im neuen Jahr sogar die deutsche Erstaufführung einer überaus erfolgreichen, schwarzhumorigen Familienkomödie aus Frankreich an: „De leven Öllern“ hat am 15. Januar 2023 Premiere.

Veränderungen im Ohnsorg-Ensemble

Mit der Dramatisierung von „Dat Füerschipp“ widmet sich der Regisseur Yeginer im März dann mit zwei Jahren (Corona-)Verspätung neu inszeniert der zweiten Siegfried-Lenz-Erzählung am Ohnsorg. Die erste Lenz-Adaption „De Mann in’n Strom“ war 2019 ein großer Erfolg.

Till Huster war für seine Rolle als Hamburger Hafentaucher mit dem Theaterpreis Hamburg - Rolf Mares ausgezeichnet worden. Der 63-Jährige wird nach diesem Sommer freiwillig nur noch als Gast am Ohnsorg spielen - wenn auch häufig. Und mit Vollblut-Komödiant Horst Arenthold (61) scheidet ein weiteres Mitglied aus dem festen Ohnsorg-Ensemble aus - der Schauspieler geht aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand.

Wettbewerbssieger „Große Freiheit Schreiben“

Mit Meike Harten verantwortet eine feine Regisseurin Ende Mai 2023 die letzte Neuinszenierung der Spielzeit: „De Heven schall töven“ist eine schwarzhumorige Komödie nach dem Film „Wer hat Angst vorm weißen Mann“, Oskar Ketelhut spielt die Hauptrolle.

Dazwischen wartet noch eine Überraschung respektive Uraufführung auf alle Beteiligten: Am 16. April kommt das Siegerstück des vom Ohnsorg ausgeschriebenen Autoren-Wettbewerbs „Große Freiheit Schreiben“ auf die Bühne. Aus 150 eingesandten Manuskripten seien derzeit noch 13 in der Auswahl, sagte Yeginer.

Yeginer plant bereits für die Zukunft

Aus den von einer zehnköpfigen Jury nominierten besten dreien soll am 1. Juli bei einer Stück-Lesung mit je 20 Minuten vom Publikum der Sieger ermittelt werden. „Wir können uns vorstellen, das in zwei Jahren wieder zu machen“, blickte Yeginer voraus. Was die Finanzen angeht, sei man dank der Unterstützung von Bund und Stadt mit „zwei blauen Augen“ durch die Corona-zeit gekommen, bilanzierte Lang.

Programm: www.ohnsorg.de